Giuliano Pedretti Skulpturen Malerei Aarau 1991

Figuren unterwegs in fremde Räume

www.annelisezwez.ch  Annelise Zwez in Aargauer Tagblatt Ende Oktober 1991  

Ausstellung Giuliano Pedretti in der Galerie Kleiner in Aarau

Zum ersten Mal sind im Aargau Skulpturen und Bilder des 67jährigen Engadiners Giuliano Pedretti zu sehen. Aehnlich wie Alberto Giacometti entstammt auch er einer Künstlerfamilie und ist auch er in seinen Wurzeln geprägt von der Eigenart der Bündner Berglandschaft. Die Ausstellung in der Galerie Kleiner in Aarau umfasst Werke aus knapp 15 Jahren, den wohl entscheidensten für die künstlerische Entwicklung des Bildhauers.

Das Schaffen Giuliano Pedrettis hat sich in den letzten 30 Jahren vom klassischen Porträt zu einer eigenwilligen Auffassung von Skulptur entwickelt ohne dabei den Boden der Tradition zu verlassen. „Der Philosoph“ von 1977 führt das abbildende Porträt an den Rand. Der Künstler spricht von der „Summe der Aspekte“, die er einzubringen versucht habe, indem er mehrere Blickwinkel ineinander verarbeitet habe. Mit tiefen Einbuchtungen und Ausstülpungen gibt er dem Kopf seine Vision. Ueber zweidimensionale Zeichnungen, in denen Vertieftes zu Durch-brochenem, Relief zu flacher Form wird, findet Giuliano Pedretti um 1980 zu gitterartig vibrierenden Arbeiten ohne Körpervolumen. Das Weiss des Schnees, das Dunkel des Schattens, die harten Kanten der Berge, die Licht und Dunkel trennen spiegeln sich darin. Das allzu Flache tritt indes schon nach kurzer Zeit wieder zurück zugunsten stark gefurchter, Körperlandschaft suggerierender Oberflächen:  Figuren als Schattenwürfe jenseits des Realen.

 

Seit 1988 benutzt Giuliano Pedretti die Malerei als lustvolles Experimentierfeld. Zahlreiche Gouachen in starken Farben mit klaren Formen sind in Aarau ausgestellt. Landschaft als Summe von Flächen steht als Motiv im Vordergrund. Der andere Gestaltungs-prozess hat die Bildhauerei nachhaltig beeinflusst. Die mit Schrägen dargestellte Steilheit der Berge hat sich auf die figürlichen Skulpturen übertragen. Doppelt aus dem rechten Winkel gekippt präsentieren sich die neuen Arbeiten als bewegte, der Realität entfremdete Figuren unterwegs in fremde Räume. Die Fiktion ist spürbar und noch gesteigert in den Bronzen, die Giuliano Pedretti an der Wand befestigt und so noch einmal eine Dimension des Gewohnten verdrängt, das Illusionäre noch stärker betont.Schwerelos scheinen sie den Raum zu durchschreiten – Astronauten der Phantasie.

Die Ausstellung des weit über seine Region hinaus bekannten  Bündner Bildhauers in Aarau dauert bis zum 16. November 1991. Die Galerie Kleiner ( Igelweid 22) ist Dienstag bis Freitag 10 bis 12 und 14 – l8.30, Samstag 10 bis 12 und 14 bis 16 Uhr geöffnet.

 

 

Legende:

 

Aus Licht und Schatten: „Der Jäger“ von Giuliano Pedretti.  Foto:zvg.