Die Seele muss in der Farbe hocken

Bieler Kunstpreis: Heinz Peter Kohler

Am kommenden Sonntag erhält der Maler Heinz Peter Kohler den Kunstpreis der Stadt Biel. Der 65jährige wird damit für sein lebenslanges Wirken als Künstler in und für die Stadt Biel geehrt.

Heinz Peter Kohler ist – wie viele Künstler – ein widersprüchlicher Geist. Oft ist sein Erzählen von „nein, nicht, nie“ geprägt und im Klagen über dies und das schwingt die Angst mit, nie mehr ein gutes Bild malen zu können. Und zugleich sagt er: „Ich glaube, ich bin einer der letzten richtigen Bieler“ und „gerade eben habe ich eine Serie von Kleinformaten für eine Ausstellung gemalt“ und „da gebe ich ihnen noch die Einladungskarten für die nächsten Vernissagen, die eine in Bern, die andere in Zürich – vielleicht sind es ja die letzten.“ Der Künstler geht in seinem Atelier auf und ab – „wissen sie, ich habe niemanden mehr mit dem ich sprechen kann, die Maler sind alle weggestorben und manchmal weiss ich wirklich nicht, ob ich je ein gutes Bild gemalt habe – der August Macke, der damals, 1913, mit Paul Klee und Louis Moillet nach Tunis gefahren ist, um dort das Licht zu aquarellieren, der hat nur 30 Bilder gemalt. Vielleicht reicht das. Ich habe mehrere Lager, die sind voll mit Bildern, aber manchmal weiss ich nicht mehr, ob die Bilder, die mal verkauft wurden, ob es die überhaupt noch gibt; vielleicht hat man mich schon längst vergessen.“ Unruhe prägt ihn. Er kann nicht, wie etwa ein Konzeptkünstler, täglich ins Atelier gehen und an einem begonnen Projekt weiterarbeiten. Er muss warten bis der Moment kommt, die Motivation da ist und sich die Bilder plötzlich ergiessen. Das ist seine Not und zugleich seine Chance. Gute Bilder malen ist nicht eine Frage der Zeit, sondern der Intensität.

Heinz Peter Kohler, der immer wieder partiell als Zeichnungslehrer gearbeitet hat, ist sich gewohnt, dass man ihn fragt, wie seine Aquarelle entstehen. Die Antworten sind diejenigen eines Malers; er spricht vom Licht, vom Ort, von der Besonderheit der Natur – nichts, das nicht hundert andere Maler auch schon gesagt haben. Und trotzdem sind Heinz Peter Kohlers Bilder unverwechselbar. Aber, da versagt die Sprache meist. Einmal, in einem Interview mit Heinz Heer (1992), war er nahe daran. „Das Licht“, so sagte er, „ensteht durch Technik, durch Aussparungen … aber eigentlich, so behaupte ich, entsteht das Licht durch die Seele des Malers … man muss ganz nahe am Blatt sein, so dass die Seele fast in der Farbe hockt … die Malerei muss aus dem ,Teig‘ herauskommen und ausfliessen … nur gesteuert durch die momentane Aufnahmefähigkeit, die einem in einem ganz kurzen Augenblick alles hineinbringen lässt. Man kann das das Fischauge des Malers nennen; auch wenn es nur eine Fläche ist; auf einer Fläche kann man alles zeigen …“. Erstaunlich ist, dass man den Eindruck hat, solche Bilder könnten eigentlich nur in der Abgeschiedenheit eines Ateliers entstehen. Doch Heinz Peter Kohler malt mindestens die Hälfte seine Werke „en plein air“ – Menschen, Lärm, Leben rund um in herum stören ihn nicht – wenn’s läuft, dann läufts. Oft in seinem Leben war das unterwegs in der Welt – in Aegypten, in Mexico, in Griechenland, auf Mallorca usw. Was andere Ferien nennen, ist für ihn konzentrierte Motivation, die Fülle einzuatmen und malenderweise auszustossen. Eigenartig, dass Heinz Peter Kohlers Aquarelle in gewissem Sinn ortsbezogen sind, an definierter Stelle entstehen und zugleich überhaupt nicht abhängig von diesem Ort erscheinen. Als Betrachterin interessiert einem eigentlich gar nicht, wo der Künstler seine Bilder gemalt hat, ausser vielleicht bei den Aquarellen, die in der Region Biel, im Seeland, mit Blick auf die Reben, die Petersinsel etc. entstanden sind. Denn das Wesentliche ist nie das Abbild, sondern das Bild, welches im Moment des Malens alles Feste auflöst und als Impression von Licht respektive Farbe und Expression der Seele im Gestus der Hand erscheint.

Heinz Peter Kohler lebte immer in Biel. Selbst als er in den „röhrenden“ 60er Jahren – eben zurück von einem kurzen Aufenthalt an der Kunstakademie in München – mitten im Berner Strudel mit von der Partie war – zog es ihn spätestens mit dem letzten Zug nach Biel zurück. Er kennt sie alle, die der Schweiz damals eines neues Kunstkleid verpassten, selbst Joseph Beuys schickte ihm einmal eine Postkarte, doch „ich war ein genialer Mitläufer“. Das heisst, er sog alles in sich hinein und konnte doch nicht ganz mit ihnen ziehen. So malte er Häuser mit Fenstern. Doch seine Malerei kann nicht einfach in der Nachfolge Klees gesehen werden, sondern ist sehr persönlicher Schmelztiegel verschiedenster Einflüsse – von Van Gogh über Cézanne und die Fauves bis zu den lyrischen Erzählern um Klee, aber auch den Expressionisten um Kirchner und ebensosehr den ungegenständlichen Richtungen wie sie sich in Paris und New York nach dem Krieg entwickelteten, atmosphärisch hier, emotionsgeladen dort. So kommt es auch, dass ein Bild nie ausreicht, um das Wesen von Kohlers Malerei zu beschreiben – denn das Erzählerische ruft nach dem Flächigen, das Rot nach dem Blau, das Gestische nach dem Beruhigten, das Dunkle nach dem Hellen, das Senkrechte nach dem Waagrechten. „Wann ich Freude empfinde, fragen sie – Freude, ich weiss nicht, Freude das ist … wenn ich male, das ist vielleicht auch, wenn ich in einer Ausstellung meine Bilder sehe und spüre, dass da, entgegen meiner Angst, doch etwas entstanden ist.“