Aeschlimann&Corti-Stipendien CentrePasquArt Biel 2000

Bahn frei für das bewegte Bild

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt Oktober 2000

Die Aeschlimann&Corti-Stiftung vergibt alljährlich die wichtigsten Berner Kunst-Stipendien. Ab heute Abend zeigt das CentrePasquArt in Biel die Werke der Preisträger und weiterer Kunstschaffender.

Erstmals hat die von der Bernischen Kunstgesellschaft verwaltete Louise Aeschlimann & Margareta Corti-Stiftung fünf gleichwertige Stipendien à 10 000 Franken vergeben. Sie beendet damit die Unterteilung in Förder- und Hauptpreise. DieAusgezeichneten des Jahres 2000 sind: Erik Dettwiler, Eveline Feldmann, Sabine Lang&Daniel Baumann, Susanne Schär und Daniel Zimmermann. Die Qualität ihrer Videoarbeiten, Rauminstallationen und Objekte überzeugt und macht, wie Andreas Meier an der Pressekonferenz erläuterte, «klar, dass die junge Berner Kunstszene dem Vergleich mit anderen Städten Stand zu halten vermag».

Um das Aeschlimann&Corti-Stipendium können sich Kunstschaffende bis zum 40. Altersjahr bewerben, die seit mindestens einem Jahr im Kanton Bern wohnhaft oder daselbst heimatberechtigt sind. Dabei ist eine Vergabe nur einmal möglich. Bewerben kann man sich jedoch so oft man will. 95 Berner Kunstschaffende haben dieses Jahr Dossiers eingereicht. Damit ist die Zahl erstmals seit 1995 unter 100 gefallen. Ein Zeichen, dass die Künstler/-innen selbstkritischer geworden sind oder scheint ihnen eine 5%-Chance einfach zu gering? Oder nehmen sie resignierend an, dass traditionelle Techniken – die Malerei zum Beispiel – zur Zeit eh nicht berücksichtigt werden?

Urteilt man nach den Preistragenden, so ist richtig: Wenn die Qualität stimmt, führt zur Zeit kein Weg an den Neuen Medien vorbei. Allerdings sind die ausgezeichneten Videoarbeiten von Dettwiler, Zimmermann und Schär nicht durch das Neue Medium Fotografie erweitert, sondern durch eine Rauminstallation (Lang/Baumann) und eine
Objektarbeit (Feldmann). Nimmt man die ganze Ausstellung mit allen 26 jungen Kunst-positionen, so ist die Malerei durchaus vertreten. Auffallend ist, dass die Jury mit einer Ausnahme Malerei für die zweite Runde wählte, die sich mit ihrer eigenen Verdrängung oder der Wechselwirkung mit den elektronischen Medien befasst. Beim Jurieren vor den Originalen stellte die Jury (Susanne Müller (Vorsitz), Andreas Meier, André Iten, Elsbeth Böniger, Nika Spalinger) dann aber zu Recht fest, dass Adaptionen nicht reichen und so stellt sich im Bereich Malerei die klassischste Position ins Zentrum, jene von Wolfgang Zät.

Ein Coup gelang Daniel Zimmermann (1966) mit einer Videoarbeit, die er diesen Sommer im Rahmen des «Fest der Künste» in St. Moritz realisierte. Auf dem sommerlichen Bob-Run legte er die für ihn typischen Dachlatten aus und – so gibt einem das Video zu verstehen – fuhr mit einem Sommer-Bob die Strecke hinunter, angefeuert von einem die Zeit verfolgenden Speaker. Des Rätsels Lösung? Am PC kann man ein zu Fuss aufgenommenes Video beschleunigen und mit Tonspuren überlagern … So einfach, so überraschend, so vielschichtig! Nachdem Zimmermann letztes Jahr trotz einer guten Arbeit leer ausging, reichte es nun für Einstimmigkeit in der Jury.

Ebenso überraschend, aber auch irritierend ist das Video von Erik Dettwiler (1970), den man bisher eher als narzistischen Luftikus erlebt hat. Der 17-Minuten-Film zeigt eine Art Stadtführung durch Brooklyn. Er könnte also auch als Dokumentarfilm betrachtet werden. Doch die Art und Weise wie Kameramann Dettwiler den exaltiert erzählenden Schwarzen zum Selbstdarsteller im eigenen Lebens-Umfeld macht, öffnet eine Welt, «die keine Dokumentar-filmequipe mit ausgereiftem Script einfangen könnte», wie die Jury schreibt.

Hat die Jury bei Dettwiler wohl sehr stark aufgrund der eingereichten Arbeit juriert (letztes Jahr reichte es nicht einmal in die Ausstellung), so hat man bei Lang/Baumann gerade den umge-kehrten Eindruck. Die Art-Club Lounge im Pop-Look entspricht der Kunst- und Designpraxis der jungen Shooting-Stars aus Burgdorf, ist für sich allein aber etwas statisch. Im Kontext ihres Gesamtwerkes ist die Auszeichnung indes unumgänglich. Denn so wie es zum Palmares eines jeden Berner Kunstschaffenden gehört, einmal das Aeschlimann&Corti-Stipendium zu haben, so gibt es auch für die Stiftung a priori gesetzte «Must». Und Lang/Baumann sind ein solches Must. Für eine intimere Video-Arbeit wurde Susanne Schär ausgezeichnet. Die in Basel lebende Bernerin hat mit drei Kameras während 24 Stunden den Alltag in ihrer Dreizimmerwohnung gefilmt. Dabei entstand aber kein «Big Brother»-Film, sondern stille «12 Minuten aus dem Leben einer Frau». Die als Dreieck präsentierten Videos geben räumlich, zeitlich und durch Überblendungen ein eindrückliches Bild von Raumstatik und bewegtem Leben.

Die fünfte Preisträgerin, die Bernerin Eveline Feldmann, arbeitet seit Längerem mit feinen Abweichungen zu gewohnten Mustern. Diesmal sind es zwei Toblerone-Schokoladen, die sie als mit Damenstrümpfen verkleidete Objekte präsentiert. Die elastischen braunen Strümpfe sind ein Material, dessen Verformbarkeit und Assoziationsfelder zur Zeit viele Kunstschaffende fasziniert. Hier besticht die verführerischer Umdeutung von weiblichen Strümpfen zu «Feinen Stücken» (so der Titel der Arbeit).

Die übrige Ausstellung ist qualitativ sehr unterschiedlich. Da gibt es Gutes, wie zum Beispiel die konsequente, Körper und Raum spannend verbindene Fotoserie von Andrea Loux oder die subtil in fahles Licht gestellte Fotografie-Installation von Simone Zaugg oder die Anti-Einsamkeits-Aktion von San Keller. Sie alle hätte man sich auch als Stipendiaten vorstellen können. Während man sich bei den Pixel-Bildern eines Tobias Wohlgemut, dem Costa Vecce Verschnitt von Gregor Wyder, dem Video eines Marc Mouci oder der Malerei eines Vincent Chablais fragt, wie diese Positionen überhaupt in die Ausstellungs-Runde kamen.