Geschichte der Schweizer Plastikausstellungen Pasquart 2000

Ein spannender Gang durch die Skulptur-Geschichte

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 19. Juni 2000

„Erinnerst Du Dich noch?” Der Blick auf die Schweizer Plastikausstellungen im CentrePasquArt besticht als Bieler Kunst-Geschichte von 1954 bis heute. Markant sind die parallelen Gegenwartspositionen.

Wer den Finger in den Wind hält, spürt, dass in der Kunst die Zeit für historische Rückblicke nicht eben günstig ist. Die Gegenwart und der Blick in die Zukunft zählen. So hatte das Centre PasquArt keine leichte Ausgangsposition, sich im Rahmen der 10. Schweizer Plastikausstellung in Biel als Ort der Geschichte zu profilieren. Die neun Räume im Altbau – analog den neun Plastikausstellungen – sind unter diesem Gesichtspunkt eher Dokumentation als Ausstellung. Sie beziehen ihre Highlights aus der Fülle der vorhandenen Archive. Das fotografische „Erinnerungsalbum” in Form von Einzelvergrösserungen zu allen neun Veranstaltungen ist denn auch der überzeugendste Spiegel. Da ist die Rittermatte und der Strandboden der 50er und frühen 60er Jahre – als die Skulpturen noch etwas verloren auf Sockeln im Park standen – da ist der Gang in die Alt-Stadt und später an den Zentralplatz und schliesslich der Rückzug in die Ecken und Winkel der Interventionen. Höhepunkt des Archivmaterials ist der einzige(!) längere Dokumentarfilm, gedreht 1970 von Jacques Dutoit (mit dem nachmaligen Bieler Polizeidirektor Jean-Pierre Berthod an der Kamera). Umsomehr als die Aufbruchstimmung der Ausstellung von 1970 (mit dem „Atlas” von Luginbühl, den berstenden Böden und Wänden von Ueli Berger, den „Eiern” von Herbert Distel usw.) wohl eine der skulptural herausragendsten war. Ganz erstaunlich sind auch die Leuchtkästen mit Arbeiten von 1991, welche die Ausstellung dichter zeigen als sie – verteilt auf den ganzen Stadtraum – vor neun Jahren je erfahrbar war.

Die als Beispiele gezeigten Skulpturen von André Ramseyer und Erwin Rehmann über Robert Müller und Walter Linck bis Jürg Altherr und Jean Scheurer kommen selten über ihre Rolle als Zitate hinaus. Das heisst, sie vermögen auf der Ebene des visuellen Ausstellungserlebnisses die Bedeutung der Bieler Plastikausstellungen nicht aufzuzeigen. Das Aussenraum-Erlebnis lässt sich offenbar nicht musealisieren und auch im Park der „Villa” nur andeuten. Schade, dass man hier mit den Arbeiten bis zur Vernissage nicht fertig wurde. Als Dokumentationsausstellung ist die Retrospektive im Centre PasquArt – vor allem auch unter Einbezug des Kataloges, der die Geschichte der Ausstellungen erstmals überhaupt aufarbeitet – dennoch eindrücklich. Sie beweist die Rolle Biels für die Entwicklung der Schweizer Skulptur. Wie sagt doch der Neuenburger Künstler Olivier Mosset (geb. 1944) in Bezug auf seine Erinnerungen im „Transfert”-Katalog so schön: Als Jugendlicher sei für ihn klar gewesen, dass der Begriff „Biennale” von „Bienne” komme.

Ein weiteres Moment werden jene erkennen, welche die Bieler Schulhäuser gut kennen, denn beim vertieften Studium der Ausstellung fällt auf, wie sehr die Kunst am Bau Arbeiten der Stadt in Wechselwirkung zu den Plastikausstellungen stehen. Allem voran die künstlerische Gestaltung der Seminare und der Gewerbeschule, die Mitte der 70er Jahre erfolgte. Dass Biel durch die Plastikausstellungen eine Skulpturenstadt geworden wäre, kann man indes nicht sagen, auch wenn einige wichtige Arbeiten im und um das PasquArt – von Hans Aeschbacher, Jean Arp, Zoltan Kémeny, Albert Siegenthaler u.a. – aus städtischem Besitz stammen. Gut, dass die Stadt im Verbund mit Sponsoren nach 20 Jahren daran ist, die „Begehbare Figur” von Jürg Altherr, die sich seit der Plastikausstellung von 1980 auf dem Strandboden befindet, endlich für die Stadt zu sichern.

Parallel zum Rückblick zeigt das Centre PasquArt sieben Gegenwartspositionen von Künstler/-innen, die in früheren Ausstellungen mit dabei waren. Und zwar mit markanten, vielfach speziell für die neuen „Galerie”-Räume geschaffenen Einzelwerken. Zum Beispiel ein metallenes Rhombenfeld des Genfers Jean Stern, das von farbigen Gummibällen in eine im Licht schillernd reflektierende „Wasseroberfläche” verwandelt wird. 1991 hatte Stern die Altstadtbrunnen als metallene Dreh-Zylinder in den Strom der Schüss gelegt. Zu sehen ist da auch ein Materialienparcours von Ueli Berger, der „echt“ und „unecht“ als Spiel um Wissen und Tasten präsentiert und dabei daran erinnert, dass sich das Auge zuweilen täuscht, die Hand aber die Realität fühlt (vorsichtiges Berühren ist erlaubt). Ueli Berger gehört quasi zum ”Inventar” der Plastikausstellungen, war er doch ab 1966 in nicht weniger als fünf Plastikausstellungen mit wichtigen Werken vertreten. Schön, dass er die vermoderte Treppenskulptur vor dem PasquArt in den nächsten Wochen erneuern wird. Schon 1962 mit dabei war die Berner Bildhauerin Mariann Grunder, der in de „Salle Poma” eine „Ausstellung in der Ausstellung” gewidmet ist.

CentrePasquArt: Rückblick auf die Schweizer Plastikausstellungen in Biel seit 1954.Skulpturen/Installationen von Carmen Perrin, Erica Pedretti, Jean Stern, Jürg Altherr, Ueli Berger, Gunter Frentzel, Christoph Rihs. Salle Poma: Mariann Grunder. Drei Kataloge (erst teilweise erschienen). Bis 3. September 2000.