Olaf Breuning Manor-Preisträger Museum Allerheiligen Schaffhausen.2001

Die traurige Lächerlichkeit romantischer Träume

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt 27.09.2001

Vor 20 Jahren lebten die bedrohlichen Höhlenbewohnerinnen und die gorillastarken Ritter noch im Kinderzimmer. Jetzt zeigt sie Olaf Breuning, aufgemotzt à la Hollywood und mit dem Manor-Label ausgezeichnet, im Museum seiner Heimatstadt Schaffhausen.

Als Olaf Breuning in der „Gewebeprobe“ (Schaffhausen 1997) die Foto „Independence Day“ zeigte – eine Zinnsoldaten-Katastrophe, inszeniert im eigenen Atelier – da war der 27jährige Schaffhauser noch ein von der grossen, weiten Kunstwelt unentdeckter, vielversprechender Absolvent der Fotoklasse der Schule für Gestaltung in Zürich. Nur vier Jahre später schaut er konstant auf die Uhr, um keinen Termin, einen Zug und kein Flugzeug zu verpassen. Er ist gefragt, von Zürich über New York bis Neuseeland, wo er eben ein neues Video drehte. Seine Fotos, seine Video- und seine Licht/Ton-Installationen treffen einen Nerv der Zeit. Darum haben ihn Kunsthändler und –sammler auf die Liste „Kaufen“ gesetzt und, nicht anders als im Show-Business, aus dem kleinen Künstler einen Star gemacht. Zu Recht?

Der kometenhafte Aufstieg des Olaf Breuning widerspricht allen Regeln der Kunst und die Kunstgeschichte taugt kaum, um seinem Werk auf die Spur zu kommen. Er ist Kind einer kurzlebigen Zeit, die hochjubelt und vergisst. So wie sich auch Breuning einen Deut um Geschichte kümmert, obwohl seine Schaffhauser Ausstellung scheinbar eine Brücke von der Zeit der Menschwerdung über die Höhlenbewohner bis zur Skater-Generation schlägt. Jeden Historiker muss es schütteln, obwohl auch er vermutlich nicht verhindern kann, dass ihm die Bilder einfahren. Kollektive Archetypen verschaffen sich Zugang ohne den Intellekt zu befragen.

Schon 1998 sagte Breuning in einem Interview, er suche nach Bildern, welche die Reizüberflutung durch Werbung, Film und Fernsehen zu konkurrenzieren vermögen. Oder, etwas billiger ausgedrückt, Bilder, die noch einen oben drauf geben. Und das gelingt ihm; ob man sie hässlich, scheusslich, stinkend oder faszinierend findet, man kriegt die rülpsenden Gorilla-Menschen, die braven Ritter in ihren Plastik-Rüstungen und die dem Kesslerloch entsprungenen „Cave Women“ nicht mehr los. Breuning spricht von „Stereotypen“ und meint damit die kindliche Freiheit unter „Ritter“ einfach nur „Ritter“ zu verstehen, unabhängig von jeglicher historischer Differenzierung, dafür umso freier in Bezug auf mögliche Rollen und Spiele.

Auch das marktorientierte Hollywood arbeitet vielfach mit dem Faktor „Kinderzimmer“, den es mit Special Effects in Science Fiction umfunktioniert. Für den mit TV-Serien, Videoclips und Hollywood-Filmen geimpften Künstler der Jahrtausendwende-Generation ist das Alltags-„Realität“. Auch er arbeitet mit „Special Effects“ – trivialen und harmlosen allerdings, selbst wenn er Kettensägen einsetzt. Und da findet sich vielleicht der Schlüssel, warum Breunings Kunst nicht Hollywood ist, sondern ein letztlich hilfloser und zum Scheitern verurteilter Versuch, „fiktive Realität“ über den Faktor Kunst in Realität zu wandeln. Da stehen also diese Ritter in ihren „römischen“, „mittelalterlichen“, „barocken“ oder a priori für die Vitrine geschaffenen Spielzeugrüstungen in einem anonymen Raum und schauen mit stechend roten Augen in die Kamera. Eigentlich erwartet man, dass die Augen sogleich zu flimmern und zu blitzen beginnen, so menschenfern und barbiepuppen-nah wirken sie. Doch nichts dergleichen. Breuning hiess seine Models lediglich die Augen schliessen (darum die Überbetonung der unteren Wimpern) und bemalte ihre Lider mit Weiss und Rot. So einfach, und zugleich so hinterlistig Innen- und Aussenwelt, Fiktion und Realität vermischend.

Auch die Gorillas auf ihren Inseln in der Hauptsaal-Installation „Apes“ (die Gleichzeitigkeit mit dem Film „The Planet of the Apes“ sei Zufall, sagt er) täuschen die Besucher nicht einmal im Dunkeln. Es ist vom ersten Blick an klar, dass die einzeln oder in Gruppen ums Feuer hockenden Affen nur so tun, als wären sie Gorillas, ihre gurgelnde und schnalzende Sprache ab Tonband, das feurige Licht von Batterien roter Lämpchen und der Nebel aus der Düse kommt. Selbst Geisterbahnen sind raffinierter. Nur der muffige Geschmack ist nicht so leicht zu orten. Zur Low-Culture des Bildes kommt die Low-Culture der Inszenierung und damit letztlich nicht Ironie – wie vielfach geschrieben wird – sondern eine Art Traurigkeit und Lächerlichkeit. Das was ein amerikanischer Kritiker in anderem Zusammenhang „The Ridicule Sublime“ (das lächerlich Erhabene) nannte. Zur Romantik von heldenhaften Männern beiderlei Geschlechts, Höhlen bewohnenden Frauen, kampfbereiten Beschützern und wagemutigen Jünglingen gesellt sich auf einmal Todesnähe, wenn nicht gar Todeslust.

Da ist noch etwas anderes: Breunings Arbeiten sind harmlos. Er bricht zwar Tabus bezüglich Kunst und Kunstgeschichte, doch im Vergleich zu einem Paul Mc Carthy oder auch einem Urs Fischer ist Breuning weder radikal, noch provokant, noch politisch unkorrekt, sondern schlicht und einfach „brav“. So wie es die meisten Menschen auch sind und der höfliche, junge Gentleman Olaf Breuning eben auch. Und darum sind seine Arbeiten nicht Kontrapunkt zur intellektuell bescheidenen, sich lieber mit Bildern als mit Worten identifizierenden Lifestyle-Generation, sondern Teil davon. Eine gute Markt-Strategie, wenn auch wohl aus dem Künstler selbst so gewachsen. Ob’s hält oder nicht, hängt von der Fähigkeit des Künstlers ab, sich zu entwickeln.

Zur Ausstellung ist eine Monographie erschienen, herausgegeben von Christoph Doswald (Verlag Hatje Cantz). Mit Beiträgen u.a. von Dorothea Strauss, Markus Stegmann, Gianni Jetzer.