Berndt Höppners 7-Wochen Performance CentrePasquArt Biel. 2002

Kunst ist wenn etwas ensteht

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 30. Oktober 2002

Anfangs Oktober 2002 zog der in Alfermée bei Biel lebende Zürcher Künstler Berndt Höppner (60) mit Sack und Pack in die Salle Poma des CentrePasquArt. Während sieben Wochen lässt er da mit (Fund)-Baumaterialien und Dingen aller Art dreidimensionale Bilder entstehen und löst sich auch gleich wieder auf.

Dass der Entstehungsprozess von Kunst spannender ist als das Produkt – kaum Kunstschaffende, die das nicht unterschreiben würden. Auch wenn das nur ein Aspekt ist. In vielen Projekten ist das thematisiert worden – von Bildhauersymposien bis zum Expo.02-Projekt „Art Place“ in Magglingen, wo man Kunstschaffenden über die Schulter schauen kann. Was also prickelt in Höppners „work in progress“ im grossen Oberlichtsaal des Bieler Kunstmuseums?

Da sind zunächst ähnliche Phänomene wie bei Symposien – man begegnet als Besuchende dem Künstler bei der Arbeit. Man sieht wie er malt, sägt, baut, wie er sitzt und denkt; man hört, was er spricht und die Musik, die läuft. Im Gegensatz zum Bildhauer weiss Höppner freilich nur sehr bedingt, was in den nächsten Stunden und Tagen geschehen wird. Die Besuchenden beeinflussen die Arbeit durch ihre Präsenz, ihr Mitdenken, vielleicht auch nur durch die Farbe ihrer Kleider, wenn sie durch den Raum wandern. Und vor allem: Höppner arbeitet nicht auf ein Produkt hin. Das Ende wird sein wie der Anfang, nur dass der Künstler die langen Äste, die Paletten, die Kartonschachteln, die farbigen und transparenten Baufolien, die Taschen und die tausend Dinge, auch die Bilder aus früheren Jahren, am Schluss hinaus tragen wird.

Kunst ist hier nicht ein Weg von A nach B, Kunst ist der Weg selbst. Sie ist Werden und Verschwinden in der Zeit im Wechsel mit der Kraft, der Ausdauer, der Inspiriertheit des Künstlers. Lud Höppner die Vernissagegäste ein, ihm „petits riens“ zuhanden seiner Arbeit mitzubringen, wird die Finissage am 30. November unter dem Stichwort „grande question“ stehen; der Frage, ob nun etwas passiert sei oder nicht. Höppner ist jetzt in den ersten Tagen so voller Elan und strahlt so viel Freude aus, dass ein Scheitern, nicht Nichtweiterwissen undenkbar scheint, doch die Zeit ist unberechenbar. Und Höppner ist kein Bastler, der wurstelt, wenn’s nicht stimmt. Dass der Form-Prozess dem Inhalt entspricht, ist ihm keine hohle These, sondern, Paul Valery folgend, ein Bedenken des Moments, fast schon ein fernöstliches Leben in der Gegenwart, die mit jeder Sekunde Vergangenheit wird. Philosophie und Freude am Tun, Kopf und Hand sind sich gleichwertig.

So materiell Höppners Kunst daher kommt – grossräumig und weit ausholend, den Raum in der Horizontalen wie der Vertikalen nutzend – so immateriell ist sie zugleich. Denn nur das wertlose Material – das Gefundene, das Weggeworfene – erlaubt das Formen ohne Rücksicht auf Wert. Höppner ist ein Gratwanderer: Sein Tun hat mit Trash Art, mit Recycling-Kunst zu tun und ist es doch gleichzeitig nicht. Weder wird Abfall zelebriert – es geht nicht um Antiästhetik – noch werden Dinge in einem Wertsinn recycliert. Eher zwischengenutzt – Höppner schleppt auch nur nach Hause (da, wo er wohnt, im Rebberg, kommt kein Auto bis vor die Haustüre), was er als prospektiv einsetzbar erkennt, ob alt oder neu, ob mit Geschichten befrachtet oder nicht, spielt kaum eine Rolle. Es geht um Material, das sich linear, flächig und räumlich zu Bildarchitekturen, zu Dingen im Raum entwickeln kann.

Um Höppner auf die Schliche zu kommen, muss man zurückblenden. Der Künstler hat nicht immer so gearbeitet wie jetzt, doch alles, was er früher tat ist immer noch da. Er ist während des 2. Weltkrieges in Thüringen geboren, wuchs im Schwarzwald auf und kam dann zum Studium an die Kunstgewerbeschule nach Basel. Das Exakte liebte er, die illusionistische Zeichnung und Magritte. In Köln ging er mit den 68ern auf die Strasse, in Zürich wurde er in den 70er Jahren zum einflussreichen Künstler. Bis er genug vom Kunstbetrieb hatte, in Genua Strandgut zu sammeln begann und seine Brötchen fortan als Leiter der Kunstklasse an der Schule für Gestaltung in Zürich verdiente. So wurde die Kunst zum Freiraum. Der Nenner, der in Zeichnungen, Bildern und der aktuellen Installation immer wieder auffällt, ist jener des Aufbruchs. Kaum ist etwas gefestigt, gedruckt, geformt, lässt es Höppner durch Überlagerungen aufbrechen, schafft neue Beziehungen zwischen Hinter- und Vordergrund, setzt Linien als energetische Fäden ein.

So wundert es nicht – die persönlichen Prägungen durch die Pop Art, die Arte Povera, die Fluxus-Bewegung etc. stets mitgedacht – dass Höppner Kunst als Performance versteht, als Prozess eines kontinuierlichen Auf-, Um-, Neu- und Abbaus. Erstmals wird er in Biel das Moment der Kunst in Bewegung auch „festhalten“ – das heisst, die Videastin Hildegard Spielhofer wird während dreier Tage Auf- und Abbau filmen und danach so überlagern, dass im Video beide Tätigkeiten gleichzeitig stattfinden.