Olten ehrt Hans Küchler (1929-2001) Kunstmuseum Stadthaus 2002

Mit dem Feder-Jet durch die Lüfte

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Mittelland-Zeitung 3. September 2002

Hans Küchler war eine Gestalt. Nicht nur wegen seiner Figur, seinem Gehstock, sondern auch seinem Blick, seinem Ausdruck. Wer der Künstler wirklich war, zeigt jetzt der Rückblick auf 40 Jahre Kunst-Flug in Kunstmuseum und Stadthaus Olten.

Wer Flugzeuge zeichnet oder malt träumt vom Fliegen. Diese Verkürzung hat dem vor einem Jahr verstorbenen Innerschweizer und Oltner Grafiker, Illustrator, Künstler Hans Küchler ein Etikett verpasst, das ihn zu einem Berühmten seines Fachs machte. Doch eigentlich verstellte es auch den Blick, wie die Ausstellungen in Stadthaus und Kunstmuseum Olten eindrücklich zeigen.

Hans Küchler, 1929 in Stans geboren, ist mit der Präsenz von („Pilatus“)- Kleinflugzeugen aufgewachsen. Fast logisch, dass er zunächst Flugzeugzeichner wurde und dann erst Grafiker an der Kunstgewerbeschule Luzern. Kü, wie man von ihm sprach und wie er signierte, hat nie unterschieden zwischen angewandter und freier Kunst. Er war auch nicht Künstler mit einem Brot-Job. Er war einfach beides: Chefgrafiker der Schweizerischen Verkehrszentrale (1962-1994) und Zeichner respektive Aquarellist in seinem Atelier in Olten. Schicksalhaft war ein Unfall 1972, der ihn gleichsam behinderte und beflügelte. Die erzwungene Arbeitszeit-Reduktion gab ihm paradoxerweise Freiheit für eigene Flüge.

Wann Kü die ersten Flugzeuge zeichnete, die nicht (mehr) von Äusserem erzählen, sondern Kü als Piloten seiner selbst zeigen, ist schwer auszumachen. Im Museum hängen zwei überraschende Pinselzeichnungen von 1965, die mit „Dekorationsstudien“ bezeichnet sind, zugleich aber eine Art gefiederte Mischwesen sind, die an Tinguelys „Heureka“ erinnern. Und von 1970 gibt es eine Tusch-Zeichnung halb Vogel halb Flugzeug mit dem Titel „Feder-Jet“ (wintertauglich). Später einmal sagt Kü: „Ich zeichne eigentlich nur zurückkehrende Flugzeuge … Es sind zerbrechliche, sensible Apparate, gefährdet, wenn man sie nicht richtig handhabt.“ Da zeigt sich wie Kü einerseits die Kunst seiner Zeit aufnahm, wie sehr sein Werk auch vor dem Hintergrund der „Innerschweizer Innerlichkeit“ gesehen werden kann. Das Flugzeug als biograpisch geprägte Metapher des eigenen Fluges durch die Welt, ein Ich-Zeichen, das immer neu erfindbar ist, in dem man sich verstecken kann und doch (fast) die ganze Welt bereisen; gerade so weit über dem Boden, dass die Welt im Blickfeld bleibt.

Die Ausstellungen in Museum und Stadthaus unterscheiden sich in Hauptwerk und „alles andere“. Was im Museum bass erstaunt, ist die starke Gewichtung der 90er Jahre. Kü hat in den mehrfach von Krankheit unterbrochenen letzten Jahren vielleicht sein Hauptwerk geschaffen. Auf der Basis des Vorausgegangenen und so selbstironisch wie immer, aber doch von einer Tiefe, die nahe geht. Die Reihe der „Crashs“ von 1998 zum Beispiel zeigen eine malerische Souplesse, die nichtsdestotrotz die Präzision des Konstrukteurs in sich trägt; im Zusammenspiel aber eine vierte Dimension erhält. Und da taucht auch plötzlich wieder der Vogel auf, der „unheimliche Vogel“.

Im Stadthaus begegnet man dem anderen Kü, dem, der sich einst mit Martin Disler & Co. in Olten im Figurenzeichnen übte, der die Fasnacht in kribligem Strich festhielt, mit Disteli und Turner fiktive Gespräche führte, der – etwas erstaunlich – in den 80er Jahren plötzlich in Hergiswil Bilder in Glas eingoss (ein Stück Innerschweizer Biographie?). Und da ist auch, last but not least, der Grafiker, der die Schweizer Tourismus-Werbung lange Jahre prägte. Die Präsenz ist mit der einzigen erhaltenen Objektreihe, jener der „verrückten“ Kleiderbügel, zwar nicht top, aber der von Kurator Peter Killer herausgegebene, Hans Küchler facettenreich und mit Wärme spiegelnde Buch-Katalog ergänzt hier, zum Beispiel mit der Foto eines lachenden US-Präsident Reagan, der im Oval Office einen der köstlich verdrehten Werbe-Skis von Kü in Empfang nimmt.