Rodney Graham Kunsthalle Zürich_2003

Reorganisation historischer Wahrnehmung

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 20. November 2002

Der Kanadier Rodney Graham (53) ist durch musikalische und filmische Neuinterpretationen von Wagner bis Pink Floyd weltweit bekannt geworden. Fünf seiner präzise durchdachten Installationen sind jetzt in der Kunsthalle Zürich zu sehen.

Rodney Graham zeigt fünf Arbeiten, die unter dem Stichwort „asynchron“ zusammenfinden. Es sind musikalisch-filmische Installationen von 1984 bis 2002. Es begegnen sich darin zwei Stränge von Grahams Schaffen. Einerseits sind es Arbeiten, die sich auf Geschichten – der Hippie- und der Pop-Zeit, aber auch zu Wagner und Freud – beziehen und die von Graham zitiert und reorganisiert werden. Andererseits Arbeiten, die sich ganz auf die Struktur der Entstehung des Films beziehen.

Ein Beispiel zu ersterem ist „Softcore“ (1999), wo Graham die Musik von Jerry Garcia zu einer Nackt-Szene in Antonionis „Zabriskie Point“ durch eigene Gitarren-Improvisation ersetzt, analog der Entstehungsgeschichte dieser Musikpassage. Zweiteres spiegelt sich in „Two Generators“ (1984), wo Graham Zeiteinheiten von Strom produzierenden Generatoren und damit erzeugten Licht-Sequenzen am Bild eines Flusses in audiovisuelle Wechselwirkung stellt. Hier wie dort – und in den meisten Arbeiten – ist ihm der Loop als Instrument der Repetition wichtig, sei es abstrakt oder als Spiegel seiner eigenen Methode der Reinterpretation. Ist das Asynchrone bei „Two Generators“ immanent, wird es in „Parsifal“ (1990) zum Thema. Eine Episode um einige modulhaft hinzugefügte Takte durch Wagners Assistenten Humperdinck aufnehmend, entwarf Graham einen Parameter mit Primzahlen, der die Takte des Moduls auseinanderstreben und zu ganz bestimmen Momenten wieder aufeinandertreffen lässt. Das Ensemble für Neue Musik Zürich interpretiert Grahams Stück vor Ort. Die eingängigste der fünf Arbeiten, die Pastorale „Phonokinetoscope“, bezieht sich auf Hoffmanns Erfahrung mit LSD.

Was Grahams Arbeiten auszeichnet, ist die Kombination aktuellen Samplings von Gefundenem mit einer Vision, die zu etwas Neuem führt, das auch ohne Hintergrundwissen erfahrbar ist. Das aber durch die Transparenz der Produktionsweise in der Installation vor Ort nicht als Invention „verkauft“ wird, sondern als Kapitel des endlosen Zeitenloops. Insofern sind Grahams Arbeiten eine spannende Ergänzung zu „Ökonomien der Zeit „im selben Haus zur selben Zeit.