Bild und Ton für die Stimme des Unbewussten

Kunsthalle Basel: Susan Hiller – Werke aus 30 Jahren – Bieler Tagblatt 3. Februar 2005

Seit der Wiedereröffnung im Sommer 2004 wird die Kunsthalle Basel vom jungen Polen Adam Szymczyk geleitet. Nach einem eher unbestimmten Anfang, zeigt er nun mit Susan Hiller eine signifikante One-woman-show.

Es ist die erste grosse, institutionelle Ausstellung der seit 1969 in London lebenden Amerikanerin ausserhalb Englands. Daselbst ist Susan Hillers zwischen Pragmatismus und Parapsychologie angesiedeltes Werk seit langem bekannt. Dieser Umstand ist ein nicht untypisches Phänomen für die lange nicht ernst genommene Feminismus-Generation. Im Fall von Susan Hiller um so mehr, als sich die Künstlerin seit den 1970er-Jahren mit der Präsenz von Unsichtbarem auseinandersetzt und sich nicht scheut, Manifestationen des Unbewussten zum Thema zu machen. Etwas, das Männer eher scheuen.

Im Gegensatz zu den New Age-Künstlerinnen, die im Unbewussten die verdrängte Stimme des Weiblichen erkannten, ging die studierte Anthropologin ihre Vision jedoch von Anfang als Sammlerin von Phänomenen an. So lud sie zum Beispiel Mitte der 70er-Jahre Bekannte ein, drei Nächte in einem „Feenring“des Marasmius-Pilzes zu verbringen und anschliessend ihre Träume aufzuschreiben und zu zeichnen. Thematisch ist das Mainstream der Nach-68er-Jahre, aber das Interesse Susan Hillers galt nicht der persönlichen Bewusstseinserweiterung, sondern der Frage, ob „individuelle Träume von gemeinschaftlichen Strukturen begründet werden“. Entsprechend sec war die Präsentationsform ohne interpretierende Eingriffe. Allerdings zeigte sie „Dream Mapping“ erst 1986 zum ersten Mal öffentlich. Dieses Verzögerte hat mit weiblicher Persönlichkeitsbildung in diesen Jahren zu tun, liegt aber wohl auch im Wesen der Künstlerin selbst, deren Themen auch heute zum Teil „verspätet“ wirken, weil sie lange brauchten, um ihre zeitgenössische Form zu finden.

Die Ausstellung in Basel zeigt vor allem neue Werke, durchwegs raumgreifende, multimediale Installationen. Das gibt einen guten Eindruck des Anspruchs an die Präsentation seitens der Künstlerin. So zeigt sich „Clinic“ zum Beispiel als geradzu minimalistische Audio-Arbeit, in der sich klinische Elemente – der weisse Raum mit den rot blinkenden Zahlen über den Hör-Stationen – mit ergreifenden Berichten von Nahtod-Erfahrungen in englischer oder deutscher Sprache verbinden. Fast unmerklich verweisen die rot blinkenden, doppelten Acht über ihre Symbolik als Unendlichkeitszeichen auf die Vernetzung von Raum und Inhalt. Susan Hiller interpretiert nicht, sie breitet aus, verweist aber über die Gegensätzlichkeit von klinischer Kälte und menschlichen Erzählungen am Rande des Jenseits auf eine gespaltene Situation. Mit dieser gesellschaftsverweisender Spannung fängt sie auf, dass die Thematik eigentlich vor 20 Jahren unter den Nägeln brannte, damals als Heerscharen die Bücher von Elisabeth Kübler-Ross und lasen. Ähnliche Inhalte umkreisen die Filmdokumente ausbreitende Arbeit „Psi Girls“ und die Audio-Arbeit „Witness“, die in babylonischer Sprachvielfalt Berichte von übersinnlichen Erlebnissen bündelt.
In ganz anderer Form erscheint das Abwesende in der jüngsten Arbeit der Künstlerin, entstanden während eines längeren Aufenthaltes in Berlin (DAAD-Stipendium). Es zeigt in vorläufig fotografischer Form Strassen- und Flurnamen, die heute noch den Begriff „Jude“ in sich tragen und zum Teil darauf verweisen, welche Umwege Juden zu nehmen hatten, um irgendwohin zu gelangen. Allerdings verlässt sich Susan Hiller auch hier ganz auf die Suggestionskraft des „neutral“ ausgebreiteten Materials. Und diese Kraft wirkt, obgleich auch diese Arbeit das Moment des „déjà-vu“ respektive „déjà-entendu“ nicht ganz entkräften kann.

Im hervorragenden Katalogbuch – eine Koproduktion mit Gateshead und Porto – fällt einmal der Begriff der „Romantikerin“. Am naheliegendsten ist dies in Bezug auf die eine frühe Arbeit in Basel, eine Kollektion von Postkarten der Jahrhundertwende, die alle aufschäumende Meereswellen zeigen und die sie „Decicated to Unknown Artists“ (1972-76) nennt. Stilistisch gehört die Arbeit in den Kontext der „Spurensuche“ der 70er-Jahre, doch sucht Hiller nicht Lebens-Spuren, sondern emotionale Spuren, die des „romantischen“ Ergriffenseins ob der Natur. Und dieses Moment ist eigentlich auch in allen anderen Arbeiten, trotz ihrer „wissenschaftlicher“ Form, letztlich wohl die entscheidende künstlerische Triebfeder.

Kunsthalle Basel: Susan Hiller „Recall“, Arbeiten 1969-2004, kuratiert von James Lingwood. Bis 27. März 2005. Di/Mi/Fr 11-18, Do 11-20.30, Sa/So 11-17 Uhr.