Daniel&Geo Fuchs im Photoforum PasquArt 2004

Im Alkohol die Zeit überdauert

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 23. Juni 2004

Bis ins 17. Jahrhundert zurück gehen die in Alkohol eingelegten Präparate, die Daniel & Geo Fuchs in Naturhistorischen Museen fotografiert haben. Und jetzt im Photoforum PasquArt in Biel zeigen.

Der Gedanke schaudert – da stirbt um 1700 ein Kleinkind von Adelsblut und sein Kopf wird mitsamt «Krone» und Halskrause in Alkohol eingelegt. Durch Kriegswirren gelangt das Präparat aus der Sammlung «Peters des Grossen» nach Holland und bleibt da. 2003 wird das Glas vom deutschen Künstlerpaar Geo&Daniel Fuchs ins Licht gestellt und fotografiert. Vergrössert und hinter Acrylglas geklebt, kommt der Kopf des Kleinkindes 2004 als Fotografie nach Biel ins Photoforum und von da – heute – als Foto der Foto ins BT.

Ein Zarenkind?

Die Geschichte legt noch einen Zacken zu, wenn man in die Biographie Peters des Grossen schaut, obwohl das Folgende eine reine Spekulation ist. Von den 14 Kindern des russischen Zaren – geboren zwischen 1690 und 1719 – starben acht bei der Geburt oder bald danach, und dies just in der Zeit, als das Präparat entstand …

In der Ausstellung findet man solche Spekulationen nicht. Im Gegenteil, man findet keinerlei Beschriftung, keinen Verweis. Es geht dem Fotografenpaar um Bilder konservierten Lebens – Fische, Schlangen, Säugetiere, seltener Menschen. Mehr als vier Jahre tourten die beiden zurzeit in Berlin lebenden Künstler durch Europas und New Yorks Naturhistorische Museen und erbaten sich Einlass in die Keller.

Bis ins 19., vereinzelt bis ins 20. Jahrhundert wurden Tausende von Föten, seltener ausgewachsene Kleintiere und noch seltener Fragmente von Menschen in Alkohol respektive Formalin eingelegt; als Anschauungsmaterial für Medizinstudenten. Und obwohl heute funktionslos, mag sie offenbar niemand wegkippen. Aus Ehrfurcht? Aus Abscheu?

Geo (eigentlich Georgine) & Daniel Fuchs (geb. 1969 resp. 1966) gingen nach keinerlei konzeptuellem Ansatz vor; sie nahmen sich vor, was sie packte. Durch raffiniertes Ausleuchten gelang es ihnen, das die Präparate einschliessende Glas «wegzuzaubern» oder nur am Rand sichtbar zu belassen. Das ist von einem technischen Standpunkt aus bewundernswert, ästhetisiert die Präparate aber derart, dass sie in der Fotografie selbst ihre Herkunft fast verleugnen. Es kommt hinzu, dass der Alkohol die Pigmente löste, sodass viele Aufnahmen einen starken Rot-Gelb-Stich haben.

Skeptisch, wie wir gegenüber jeglichem geschönten Bildmaterial geworden sind, will sich darum beim Betrachten die Dimension, das «Memento mori», das dahinter steckt, nicht eigentlich zeigen. Man muss es wissen, um es zu sehen. Von Schaudern oder Ähnlichem kann demzufolge nicht die Rede sein.

Auch die Gleichförmigkeit, in welcher sich die Bilder präsentieren, trägt nicht dazu bei, das Geheimnisvolle, das Tote und zugleich Lebendige spürbar zu machen. Es bleibt bei den Abbildern, ohne den «Modergeruch» der Gruften, in welchen die Präparate seit Jahrzehnten, gar Jahrhunderten lagern. Eigentlich schade.

Konserviertes Leben hat Künstler immer wieder fasziniert. Der Schweizer Maler Jürg Kreienbühl (geb. 1932) zum Beispiel hat in den 80er-Jahren die Atmosphäre eines langjährig geschlossenen Zoologie-Museums in Paris mit Akribie porträtiert und Faszination, Forschung und Dekadenz zugleich ins Bild gemalt.

Auf «Sensation» legte es der Engländer Damian Hirst an, als er vor ein paar Jahren ein Kalb in der Mitte entzwei schneiden liess und lebensgross in Kuben mit Formalin einlegte, und zwar so, dass die Besucher zwischendurch gehen mussten. Auf der Ebene der Fotografie ist insbesondere an den Schweizer Hans Danuser zu erinnern, der – ungleich konzeptueller und radikaler – in Leichenhallen fotografiert hat oder auf Eis gelegte Embryonen belichtete. Die Liste liesse sich verlängern.

Auf dieser Kunst-Ebene können die Aufnahmen von Geo&Daniel Fuchs letztlich nicht mithalten. Es fehlt ihren Arbeiten über die dokumentarische und fototechnische Bedeutung hinaus das Sprengen der eigenen Bildlichkeit. Die anvisierte Gleichzeitigkeit von Tod und Leben setzt sich nicht «im Bauch» fest.

Eigentlich wundert es nicht, dass unlängst eine Rockband auf die Idee kommt, das «Prinzip Formalin» zu Werbezwecken zu nutzen. Die deutsche Band «Ramstein» liess sich von Geo&Daniel Fuchs unter Wasser fotografieren, als wären sie die Leichen ihrer selbst, was, wie die Serie in Biel zeigt, im Bild ganz nett, aber ohne Leichengeschmack daher kommt.