Schifferle Klaudia: Mit den Sinnen durch den Körper

Centre PasquArt Biel: Bilder und Zeichnungen von Klaudia Schifferle. Bis 09.05.2004

Nach verhaltenen Jahren meldet sich Klaudia Schifferle (49) im CentrePasquArt in Biel mit sinnenhafter, sublimer Malerei und Zeichnung kraftvoll zurück.

Sie hat die Kunstszene Schweiz der 80er-Jahre mitgeprägt. Klaudia Schifferle (geb. 1955) war Mitbegründerin der Frauenband «Kleenex» (später «Liliput»), erhielt 1983 sowohl den Preis des Jazz-Festivals in Montreux wie der Vordemberge-Gildewart-Stiftung. Ihre grotesken Figurationen zwischen Autoerotik, wildem Tanz und düsterem Ambiente fehlten in keiner Übersicht zur Schweizer Kunst der Zeit. Die Museumsausstellungen reihten sich. Die letzten, 1993 im Museum Allerheiligen in Schaffhausen und im Museum in Ulm, waren ein Aufbäumen und eine Ankündigung.

Dann wurde es still. Klaudia Schifferle, die 1988 von Zürich nach Mailand gewechselt hatte, zog sich 1991 aus dem Lärm der Stadt zurück in ein Tessiner Bergdorf, das ihr seit ihr Kindheit vertraut war. Anfänglich hallte das Dröhnen der Stadt in den Bildern noch nach, doch dann verflüchtigten sich die Figuren im Netzwerk naturnaher Bewegungen und Farben.

Die umfangreiche Ausstellung im Centre PasquArt in Biel spannt einen Bogen vom «Abschied» (1996) über die sphärischen «Landschaften» der Jahrtausendwende bis zu den langsam wieder an haptischer Qualität gewinnenden Bildern der letzten zwei Jahre, der Zeit seit der Rückkehr der Künstlerin nach Zürich.

Doch die Malerei erzählt nur die halbe Geschichte. Ebenso wichtig – wenn nicht sogar eindrücklicher – zeigen die Arbeiten auf Papier die Entwicklung der Künstlerin. Von einem «Bruch», wie er oft zitiert wurde, kann nicht die Rede sein. Das Groteske der sich zwischen Musik und Liebsakt verschlingenden Körper klingt weiterhin an, wenn auch weicher als früher. Die Tendenz zur Auflösung ist nicht bis an den Rand getrieben. Und in den oft in ausgefallenen Techniken gefertigten, farbigen Blättern entspricht das Fliessende dem Relativen von Raum und Zeit. Einige Skulpturen ergänzen die inhaltliche und mediale Spannweite zwischen Erde, Wasser, Feuer und Luft.

Obwohl Klaudia Schifferle kontinuierlich arbeitete und auch in Galerien ausstellte, kursierten in der Szene vielfältige Gerüchte und der Markt liess die Künstlerin in gewisser Weise fallen. Zu Unrecht, wie sich jetzt zeigt.
Doch um dies zu sehen, musste erst das «Aus» der flimmernden Lifestyle-Kunst der 1990er-Jahre abgewartet werden. Jetzt da die Whitney Biennale in New York die Wiederkehr der Zeichnung feiert und ganz allgemein eine Rückbesinnung stattfindet, hat ein aus der individuellen Körperlichkeit schöpfendes Werk wie dasjenige von Klaudia Schifferle durchaus wieder Platz.

Umsomehr als die Künstlerin das aus «Welten» des Unbewussten, des Traumes, des Surrealismus wachsende Werk in überzeugender Fülle vorangetrieben hat. Obwohl die Ausstellung um die 160 Arbeiten zeigt, kommt nie der Eindruck des nurmehr Variierten auf. Dazu trägt unter anderem Schifferles Liebe zu «alchemistischen» Prozessen bei. Da gibt es zum Beispiel eine Serie von Blättern, die sie über eine Kerze hielt und mit dem Russ «zeichnete». Um dann mit Aquarellfarbe das Feuer und das Wasser zu Figurationen des Wachstums zu verbinden.

Auch in den Leinwandbildern überlagern sich Schichten des Auf- und Abtragens, tauchen Gesichter und Körper auf und ab. Sind die Arbeiten auf Papier «Bilder» im Sinne des Schauens, sind die Leinwände fast schon Raumgebilde, in denen die Künstlerin (und wir als Betrachtende) selbst zu «schwimmen» scheinen.

Die Ausstellung heisst «Weltenbummlerin». Doch ist der Titel nicht geographisch gemeint, nennt vielmehr die Gleichzeitigkeit verschiedener Zustände zwischen Wachen und Träumen. Die Künstlerin, die mit den Händen und verschiedensten Utensilien malt und zugleich den fühlenden Blick nach Innen, das Auftauchen von Phantasien und Bildern aus Zwischenwelten zu fassen sucht.

Dieses Wandeln ist nicht ungefährlich,es trägt die Gefahr des psychedelischen Nomansland in sich. Und nicht in allen Bildern ist die kritische Grenze gewahrt, doch zusammen mit den jüngsten Werken, die wieder etwas mehr Erde (Stadt) spüren lassen und die Wiederkehr der Figuration in der Malerei anzukündigen scheinen, ist das Werk als Ganzes doch kohärent.

Es ist nicht so radikal wie dasjenige von Martin Disler, dem es (wahl)verwandt ist. Es ist weiblicher, aber nicht so lautstark und präsent wie dasjenige von Miriam Cahn, dem es ebenfalls (wahl)verwandt ist. Vielleicht hätte man es doch wagen sollen, den jüngeren Werken einige aus der Mitte der 80er-Jahre gegenüberzustellen. Denn die Vergangenheit hätte die Gegenwart nicht in Verlegenheit gebracht.

Zur Ausstellung ist ein Katalog mit Arbeiten auf Papier erschienen (Text: Dolores Denaro). Sein Preis: 20 Franken.