„Helden heute“ im Centre PasquArt in Biel. 2. Rundgang.2005

Bluff ist alles: Be amazing!

www. annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 12. Oktober 2005

Einst rief uns Joseph Beuys zu: «Jeder ist ein Künstler!» In der Ausstellung «Helden heute» im Centre PasquArt meinen Com&Com jetzt: «Be amazing!». Doch: Ist man als Held a priori Kunst?

Der erste Rundgang durch die Ausstellung «Helden heute» ist überwältigend. Dabei rückt in der Fülle der Themenaspekt in den Vordergrund: Der Superheld, der Antiheld, der Künstler als Held usw. Ein zweiter Rundgang muss spezifischere Fragen stellen. Zum Beispiel: Warum nehmen Frauen das Thema ernster? Oder: Reicht ein mittelmässig gemaltes Bild, wenn das Thema stimmt?

Es ist auffallend: Die nicht ironisch, sondern ernsthaft mit dem Thema Umgehenden sind vielfach Frauen. Die einen rücken vergessene oder berühmte Frauen ins Licht; indem sie sich selbst mit ihnen in Verbindung bringen, feilen sie allerdings unauffällig auch am eigenen (Helden-)Ruhm. So steckt in den Kleidern der Fotoporträts der «Donne illustri» im alten Venedig immer die Künstlerin Irene Andessner (geb. 1954 in Salzburg) selbst. Und Tracey Moffats digitale Fotocollagen «Im Zeichen des Skorpions», inszenierte Porträts von Marie Curie bis Indira Ghandi, kokettieren mit dem Geburtsdatum der Künstlerin (12. November 1960 in Brisbane).

Anders – eindrücklicher und mehrschichtiger – die Arbeiten von Marina Abramovic (geb. 1946 in Belgrad) und Candida Höfer (geb. 1944 in Eberswalde/D), die durch die Präsentation im thematischen Kontext der Bieler Ausstellung eine überraschende Steigerung erfahren. So wird Abramovics minimal bewegtes Video «The heroe» von 2001, das die Künstlerin auf einem weissen Schimmel mit weisser, wehender Fahne in offener, bergiger Landschaft zeigt, intensiver als anderswo zum Mahnmal, dass auch «Helden einmal kapitulieren müssen.» Dabei gilt es zu wissen, dass das Video kurz nach dem Tod ihres Vaters, der einst ein «Held» an der Seite Titos war, entstanden ist.

Bei Candida Höfers grossen Fotografien der «Bürger von Calais» – eine berühmte Figurengruppe von Rodin – tritt (anders als an der Documenta 2003) der räumliche Aspekt der bronzenen Abgüsse in verschiedenen Museen der Welt zurück zugunsten der menschlichen Qualitäten der «Helden von Calais».

Die vier Beispiele zeigen, dass die Frauen ganz offensichtlich eine unverbrauchtere Beziehung zur Thematik des «Helden» haben, was sich aus der Geschichte der Frauen erklärt. Doch keine These ohne Antithese. So sind Ana Axpes Videos respektive Leuchtkästen mit einem «Pin-up-Girl», das an einem Motorsäge-Wettbewerb teilnimmt, ein gutes Beispiel für die Absurdität des Themas. Doch auch hier: Ana Axpe spielt das Girl selbst!

Gänzlich anders nimmt die Zürcher Künstlergruppe «Com & Com» (Marcus Gossoit und Johannes M. Hedinger, geb. 1969/ 71) das Thema auf die Schippe. Mit grossem medialem Aufwand killen sie den Starkult mit seinen eigenen Mitteln, mit dem Bluff. Sie zelebrieren sich als Stars der Filmindustrie, doch von den Filmen, in denen sie die Hauptrollen spielen, existieren nur die Clips, die Plakate, die Glamourfotos, die Statements. Allerdings, während die Filmstars entlarvt werden, treten an ihre Stelle die Künstlerstars. Harald Szeemann liebte die subversive Art der beiden und verhalf ihnen 2003 zu einem fulminanten Auftritt in Venedig.

Die Bieler Ausstellung zeigt vor allem Werke, die bereits bestanden und jetzt in einen thematischen Kontext gestellt werden. Das mag zuweilen einen etwas pädagogischen Aspekt haben, schärft aber andererseits die Konturen des Konzeptes. Com & Com haben sich dieses Vorgehen von Dolores Denaro angeeignet und mit seinen eigenen Mitteln durchkreuzt: Sie hiessen die junge Kunsthistorikerin Kathleen Bühler, ihre Präsentation als Ausstellung in der Ausstellung zu kuratieren.

Während bei Com&Com dementsprechend jedes Requisit zur Reliquie emporstilisiert wird, macht der Performance-Künstler Heinrich Lüber genau das Gegenteil. Er zeigt im Kapitel «Der Künstler als Held» die «Krücken», die er jeweils braucht, um als Artist in der Luft zu schweben. So nüchtern freilich, dass selbst der Spass nicht mehr so recht aufkommen will.

So wie Ausstellen eine Gratwanderung zwischen Steigern und Abfallen ist, so stehen auch Inhalt und Umsetzung im Einzelwerk in entscheidender Wechselwirkung. Wer hört, dass Stefan Banz und Caroline Bachmann George Bush und seine Entourage vor einem Bild von Anne Frank gemalt hätten und das Bild «As I Opened Fire» nennen würden, sucht das Bild mit Erwartung. Doch da macht sich dann schnell Enttäuschung breit. Denn wer malen will, muss malen können! Denkt man vor Banz/Bachmann an die brillanten Bush-Porträts der Bielerin Pat Noser, dann dankt das Polit-Bild bald einmal ab und es bleibt nur das Gerüst, das dann auch nicht mehr verführt.

Fazit: Ein Rundgang durch die Ausstellung «Helden heute» reicht nicht. Und: Der zweite Besuch ist spannender als der erste.