Das Kiefer-Hablitzel-Stipendium der 80er und 90er Jahre

Erfolgsbilanz mit Abstürzen

www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 11. August 2005

Im Centre PasquArt in Biel stellen die Kiefer-Hablitzel-Preisträger 2005 aus. Was ist aus den Stipendiaten der 80er- und 90er-Jahre geworden?


Seit 50 Jahren vergibt die Kiefer-Hablitzel-Stiftung Stipendien an Kunstschaffende unter 30 Jahren. Das ist eine besondere Herausforderung für die Jury, denn kein anderes ausserschulisches Gremium in der Schweiz zeichnet ausschliesslich so junge Künstlerinnen und Künstler aus. Es ist darum spannend, Statistik zu betreiben, um die Weitsicht der Jury zu prüfen respektive die Bedeutung, die ein Stipendium für den Verlauf einer Karriere haben kann. Ausgangspunkt sind die Vergabe-Jahre 1982-1987 und 1992-1997. Wer in den 90er-Jahren gefördert wurde, sollte sich bis heute einen Namen gemacht haben. Wer in den 80er-Jahren im Aufwind war, sollte jetzt ein Werk aufzuweisen haben. Vorweg: Es ist gesamthaft gesehen eine Erfolgsbilanz. Allerdings steht das Individuelle in Wechselwirkung mit übergeordneten Faktoren. So profitierten die 90er-Jahr-Künstler vom internationalen Interesse, das in dieser Zeit der Kunst aus der Schweiz entgegengebracht wurde. Während sich von den erfolgreichen 80er-Jahr-Stipendiaten aufgrund gewandelter Stilvorlieben nur wenige bis heute international halten konnten.

Von Axpe bis Rondinone

1992-1997 erhalten auf der Basis jährlicher Wettbewerbe insgesamt 12 Künstlerinnen und 21 Künstler total 590 000 Franken. Jurypräsidenten sind in dieser Zeit Ludmila Vachtova, später Toni Stoos. Von 1982-1987 erhalten 8 Künstlerinnen und 23 Künstler ingesamt 339 000 Franken. Die Unterschiede ergeben sich aus differierenden Stiftungserträgen. Obmann ist in den 80er-Jahren Niklaus Morgenthaler. Von den 33 Preistragenden der 90er-Jahre sind heute rund 70 Prozent in der Kunstszene präsent. Davon sind 48 Prozent überregional und 36 Prozent national oder international bekannt. Das ist erstaunlich und erfreulich. Zu den Hablitzel-Stars gehören unter anderem Ana Axpe, Christoph Draeger, Claudia und Julia Müller, Ugo Rondinone, Hervé Graumann, Nathalie Novarina, Karim Noureldin und Urs Fischer. Anders präsentiert sich die Situation bezüglich der zehn Jahre Älteren. Waren im Sog der «Wilden» und der späteren «Neo-Geo»-Strömung der 80er-Jahre ebenfalls rund 70 Prozent in der Szene präsent, sind heute noch deren fünf international gefragt, zehn weitere tauchen da und dort auf.

Von Bächli bis Streuli

Die fünf Herausragenden sind Thomas Huber, der 2004 mit einer Retrospektive im Aargauer Kunsthaus geehrt wurde, Felix Stephan Huber, den kürzlich das Kunstmuseum Solothurn zeigte, Beat Streuli, der zurzeit mit einer grossen Installation in Venedig präsent ist und Silvia Bächli, deren Ausstellung im Museum in Schaffhausen eben zu Ende ging.

Hingegen sind einst Gefeierte wie Olivia Etter, Christian Floquet, Andreas Hofer, Clara Saner, Elisabeth Masé (lebt heute in Bielefeld) fast ganz aus dem öffentlichen Blickfeld verschwunden. Es lässt sich damit über alle Unwägbarkeiten hinweg feststellen, dass Stipendien nicht einfach «Glückssache» sind, sondern einen klaren Einfluss auf die Karriere von Kunstschaffenden haben. Aber längst nicht alle Kunstschaffende vermögen bemerkenswerte Frühwerke zu festigen und in sich wandelnder Zeit zu entwickeln.

Das dem Bund unterstehende Kiefer-Hablitzel-Stipendium ist seit langer Zeit eng mit den Eidgenössischen Preisen verbunden. Trotz unabhängiger Jurys und anderen Alterslimiten gibt es vor allem im Bereich des künstlerischen Main Stream immer wieder Doppelstipendien. Von den 33 Stipendiaten 1992-1997 haben deren zehn in derselben Zeit auch Eidgenössische Preise erhalten; zum Beispiel Urs Fischer, Christoph Draeger, Boris Rebetez, Alexandre Bianchini.

Keine Berner

Es gibt aber auch eigenwillige Entscheide. Legendär ist, dass Martin Disler nie ein Eidgenössisches Stipendium erhielt, wohl aber drei Mal ein Kiefer-Hablitzel. Und auch bei den Meistbegünstigsten der 90er-Jahre findet man durchaus Einzelgänger wie Philippe Fretz (zurzeit in der Abbatiale Bellelay, das BT berichtete). Hingegen ist die mit drei Stipendien (43 000 Franken) ausgezeichnete Top-Künstlerin unter den 90er-Jahr-Preistragenden – Geneviève Closuit – nie auf einer nationalen Bildfläche erschienen.

Bezüglich der Herkunft der Preistragenden innerhalb der Schweiz, ist eines eindeutig: Wo es keine renommierten Kunstschulen gibt, tauchen auch keine jungen Künstler auf. Weder unter den 1982-1987 noch den 1992-1997 Ausgezeichneten gibt es unseres Wissens Preisträger aus den Kantonen Bern oder Solothurn. Dominant sind Basel, Genf und Zürich. Dasselbe gilt für die Periode 82-87, wobei hier zusätzlich Luzern zu nennen ist. Immerhin könnte sich die Konzentration mit der stärkeren Verankerung der Kunstabteilung an der Hochschule der Künste in Bern künftig ändern.

 

Stiftung Kiefer-Hablitzel

Charles und Mathilde Kiefer-Hablitzel vermachten Ende der 1940er-Jahre ihr gesamtes Vermögen der Eidgenossenschaft zwecks Gründung einer Stiftung kultureller Ausrichtung. Durch ihre Handelstätigkeit in Brasilien waren sie reich geworden, ehe sie 1923 auf Schloss Dreilinden in Luzern Wohnsitz nahmen. Nach diversen rechtlichen Schwierigkeiten kann die Stiftung Anfang der 50er-Jahre ihre Tätigkeit aufnehmen. 1998 beträgt das Stiftungsvermögen 12,9 Mio Franken.

Die bildende Kunst ist nicht die einzige Nutzniesserin. Charles und Mathilde Kiefer legten testamentarisch exakt fest, wofür wie viel einzusetzen ist, und zwar in Sechzehnteln. So sind zwei Sechzehntel für die Gottfried-Keller-Stiftung bestimmt, drei Sechzehntel für die Ausrichtung von «Stipenden an junge Schweizer Künstler und Musiker beiderlei Geschlechts». Vier Sechzehntel sind für die Förderung der wissenschaftlichen Tätigkeit von ETH-Professoren einzusetzen. Ein Sechzehntel geht an den Schweizerischen Heimatschutz, je zwei Anteile an den Nationalpark und den Basler Zoo. Zwei Sechzehntel schliesslich sind für die Unterstützung von Übersee-Kaufleuten zu verwenden, die unverschuldet ihr Hab und Gut verlieren und deshalb in die Schweiz zurückkehren müssen.

Obwohl die Förderung junger bildender Künstler somit nur einen Bruchteil der Tätigkeit der Stifung ausmacht, ist er der medienwirksamste und bekannteste. Das teils in Wertschriften, teils in Immobilien angelegte Stiftungs-Vermögen wirft nach fetten Erträgen in den 1990er-Jahren aufgrund der Situation am Zinsmarkt zurzeit deutlich weniger ab. So konnten 2005 nurmehr zehn Kunst-Stipendien à 6000 Franken vergeben werden.