Anton Bruhin bei Silvia Steiner, H.R. Fitze in der Quellgasse in Biel 2006

Malerische Begegnung mit dem Realen

annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 25. Februar 2006

Zwei Ausstellungen in Biel zeigen zurzeit zwei dem Realen verpflichtete Maler. In der Galerie Silvia Steiner ist es Anton Bruhin in der Galerie Quellgasse Hansrudolf Fitze.

Schon seit einiger Zeit finden realistische Maler neue Beachtung auf dem Kunstmarkt. Die Malerei der ehemaligen DDR hat sie auf den Plan gebracht. Die Akademien von Leipzig und Dresden sind überschwemmt von westlichen Studenten, die endlich wieder malen lernen wollen. Das hat den Blick auch hierzulande geschärft und bringt jenen, die immer schon und gegen den Strom realistisch malten unerwarteten Auftrieb. Zwei von ihnen sind zurzeit erstmals mit Werken in Biel vertreten.

Die Galerie Silvia Steiner zeigt in einer retrospektiv angelegten Ausstellung Werke des Zürcher respektive Schwyzer Künstlers Anton Bruhin (geb. 1949). Der vom Aufbruch der späten 1960er-Jahre Geprägte ist im Raum Zürich seit den 1970er-Jahren eine bekannte Figur; als Maler, als Musiker, als Wortspieler, als Kalligraph und mehr. In der Musik ist es die Maultrommel, die er nicht nur meisterlich spielt, sondern auch in ihren weltweiten Erscheinungsformen erforscht hat, die im Zentrum steht. Auch in der Malerei gibt es einen roten Faden: In realistischer Malweise gehaltene und dem Blick auf das Naheliegende verpflichtete Motive. Sei das ein verwelkter Tulpenstrauss auf einem blauen Schemel in einem nicht weiter definierten Raum oder eine nackte Frau auf einem Sofa, sei das der Blick aus dem Atelier, in Zürich, in Paris in New York.

Bruhin malt, was er sieht, ohne Bedürfnis, dies zu überhöhen, in eine philosophische Dimension zu hieven. Ein Blumenstrauss ist ein Blumenstrauss, eine Häuserzeile an der Seine in Paris ist ein Stück Stadt und damit basta. Klar hat er dabei auch die Kunstgeschichte im Rucksack, kennt die traditionellen Entwürfe, weiss wie man mit Farben umgeht, wie ein leicht impressionistischer Duktus die Perspektive auflockert, wie ein Totenkopf ein Memento mori evoziert, aber im Kern malt er was ist und nicht mehr. Das ist gerade so weit widerborstig, dass es zur malerischen Haltung wird. Und diese zieht Bruhin nun schon fast 30 Jahre durch, wobei es allerdings in den 1990er-Jahren einen Unterbruch gibt; die experimentelle Musik, das Spiel mit Palindromen und grafischen Elementen hat in dieser Zeit Oberhand. Bruhin ist ein Nomade zwischen den Sparten, keine Karrieredenker. Doch jetzt ist er mit der vor rund fünf Jahren wieder aufgenommenen Malerei plötzlich im Blickfeld. Silvia Steiner zeigt in drei Kapiteln den Maler in Paris, den Maler zuhause in seinem Atelier in Schübelbach (SZ) und den Maler in New York. Die Ausstellung weist mit Einzelbeispielen aber auch auf alle anderen Sparten des Künstlers.

Hans Rudolf Fitze
Magritte hat es einst gesagt: „Ceci n’est pas une pipe“, ein gemalter Gegenstand ist nie der Gegenstand selbst. Somit ist auch realisitische Malerei eine Fiktion. Der Basler Hans Rudolf Fitze (geb. 1956) treibt seine Malerei an dieser Schnittstelle voran. Deutlicher als früher lässt er seine Motive als reale Fiktionen erscheinen. Indem er, zum Beispiel, die Aussicht aus einem Fenster durch die Mittelleiste mit Griff trennt. Rechts sieht man vom Malojapass aus ins Oberengadin, links in die Toskana. „Nord-Süd“ heisst das Bild dann.

Ein anderes Fensterbild – auch hier mit gemalten Holzrahmen dingfest gemacht – zeigt den Blick in eine weite, verlockende Landschaft, aber als Betrachterin ist man plötzlich nicht mehr sicher, ob es sich nicht nur um ein bemaltes Rouleau handelt, das städtische Enge verbirgt. Ähnlich hat auch die Renovation der „Villa R“ – ein Bild von Paul Klee – doppelten Charakter; das Bild zeigt in handfester Darstellung einen Bauarbeiter auf einem Gerüst, wobei aber Figur und Stangen von orangefarbig vibrierenden Streifen umgeben sind, was das Reale ins Enigmatische kippen lässt. Nicht weit davon sind auch die Tourismus-Postkarten, die bei Fitze plötzlich zum Grossformat oder zum Bild im Bild werden. Das Reale – in einem Stil gemalt, der zuweilen an die 1930er-Jahre erinnert – wird zur Realität einer Fiktion, das Bild wird zur Bühne. Hans Rudolf Fitze – im Raum Basel/Mittelland seit 20 Jahren ein klare Position – ist es gelungen, sein Werk aufzuladen und voranzutreiben.