Stefan Banz im Centre PasquArt in Biel 2006

Wer brachte die Illusion um?

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 26. Januar 2006

„Laugh, I nearly died“ im Centre PasquArt ist die zweite Museumsausstellung von Stefan Banz. Dass er schon bei „Helden heute“ dabei war und auch in der Edition5 vertreten ist, passt in die Allgegenwärtigkeit des Luzerners.

Stefan Banz (44) ist eine schillernde Figur. 2005 kuratierte er den Schweizer Pavillon an der Biennale Venedig; jetzt präsentiert er sich im Centre PasquArt als visueller Künstler. Dass ein Kunstschaffender auch als Kurator amtet, ist freilich nicht neu. Auch dass Künstler in der Eidgenössischen Kunstkommission einsitzen, hat Tradition. Banz ist aber auch Kunsthistoriker, Germanist und Autor. Mit 24 gründete er die erste Galerie, mit 27 die Kunsthalle Luzern, dann schrieb er Texte über den Philosophen Derrida … bevor er in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre, (scheinbar) plötzlich, als bildender Künstler ins Rampenlicht trat. Mit Fotografien, Videos und Installationen keineswegs harmlosen Inhalts.

Diese Rollen-Vielfalt hat die Rezeption seiner Kunst von Anfang an unsicher gemacht, umsomehr als er in den Fotos seiner Kinder, im Prügel-Video mit seinem Nachbarn und anderen Arbeiten oft zwischen Poesie und potentieller, zuweilen gar realer Gewalt (oder Gefahr) hin und her pendelte. War das nun konzeptionell, strategisch oder existentiell zu betrachten?

In Biel kommt seine Position nun klarer (auch eindrücklicher) zum Ausdruck. Es ist ein Doppel-Standort, der Erlebtes und Erfahrenes in zwei- und dreidimensionale Bilder umsetzt, die ebenso biographisch lesbar wie für intellektuelle Turnübungen geeignet sind und stets eine gute Portion (Selbst)-Ironie in sich tragen. Hauptakteure von „Laugh, I nearly died“ (Titel eines Songs der Rolling Stones) sind Boxer, Rockstars, Schauspieler und andere „Gaukler“ zwischen Auftritt und Befindlichkeit oder auch nur Angeberei und Angst.

Den Auftakt machen drei von Banz mit seiner Lebenspartnerin Caroline Bachmann gemalte Bilder; darunter eines von Dennis Hopper, der sich als Republikaner outet und eines von Kurt Cobain („Nirvana“), den seine Todesgesänge in den Selbstmord führten. Banz, der Rockmusik und die Filme Hoppers als die Lebenswelt seiner Jugend bezeichnet, sieht die Motive als Beispiele schmerzvoller Entlarvung medial erzeugter Ideale. Das ist nachvollziehbar. Nur: Einzig das Bild von Hopper ist so gut ist, dass es den „Mord an der Illusion“ auch wirklich sicht- und fühlbar macht.
Dennoch legen die drei Bilder einen roten Faden. In den sparsam inszenierten Galerie-Räumen sind zunächst drei „Puppets“ – teils weiss bemalte, nackte Kinder-Schaufenster-Puppen – einem antiken Fries gleich an der Wand befestigt. Sie scheinen intensiv zu horchen.

Zu hören ist eine seltsam verschwommene Stimme aus dem nächsten, mit zwei Gläsern versperrten Raum. Es ist Banz, der „Who by fire“ von Leonard Cohen singt. Dominant ist jedoch ein roter Mazda 121 mit der Kontroll-Nummer BE 612527. Er liegt, seitlich eingeklemmt, im Durchgang zum dritten Raum. Der Titel: „Les sirénes de l’abîme“. Das noch eingelöste Auto, der Unfall hinter Glas, die Sirenen – die in der griechischen Sagenwelt Männer durch Gesang anlockten und töteten und bei uns die Feuerwehr meinen – sind Metaphern für eine Welt der Verführungen, der Begierden, der Ideal-Vorstellungen und deren potentieller und schliesslich realer Gewalt, Gefahr und Tod. Banz gelingt da ein Bild, das unter die Haut geht. Dass für ihn der Unfall-Tod seines von Autos faszinierten Bruders mitschwingt, ist für das Verständnis des Werkes nicht direkt relevant, zeigt aber den antreibenden Urgrund nachhaltig.

Das stets ambivalente Material Glas erscheint auch im Vorraum der Salle Poma. Da blüht eine Rose unter einem grossen Glas; das lässt an das Anagramm zu Eros und an Duchamps „Grosses Glas“ denken, doch ebenso geht es darum aufzuzeigen, dass die dunkelrote Rose zu Grunde gehen wird, wenn der Stickstoff aufgebraucht ist. Im Saal dann ein Auto-Anhänger (BE 581447) – in der Mitte mit einer Trennscheibe gewaltsam zersägt ,mitsamt auf Aluminium aufgezogener Fotos und Leinwandrollen des Künstlers. Ein Teil seines Werkes hat Banz damit in Biel zerstört. An der Wand leuchtet in roten Lettern ein Prahlhans- Zitat der Box-Legende Muhammad Ali. Kraft-Worte wider die Angst vor dem Gegner. Wieder ist Banz selbst mittendrin – als Künstler wie als Indiviuum – in der Jetztzeit, denn der Anhänger ist nicht alt, sondern neu und die Nummer gültig. Auch dieses Bild überzeugt, ist es doch ebenso psychologisch wie intellektuell interpretierbar.

Freilich bleibt Stefan Banz auch hier ein Denk-Bilder Schaffender und nicht ein Künstler, der aus seinem Innern Bilder gebiert, die mit Worten nicht zu fangen sind. Das wird man ihm weiterhin vorwerfen. Doch warum soll nicht auch der Intellekt Bilder gebären dürfen, die faszinieren?

Info: Zur Ausstellung erscheint anfangs Februar 2006 eine Publikation mit sämtlichen Installationen des Künstlers (Verlag moderne Kunst, Nürnberg).