Fotografiert Räume und meint ihre Geschichten

Christian Vogt im Photoforum PasquArt in Biel. Bis 04.03.2007

Der Basler Fotograf Christian Vogt (geb. 1946) gehört zu den bedeutenden, klassischen Fotografen der Schweiz. Seine „Essays on space“ sind im Bieler Photoforum zu sehen.

Ein Markstein auf dem Weg der Fotografie von den Printmedien in die Museen war 1990 die von Urs Stahel und Martin Heller kuratierte Ausstellung „Wichtige Bilder“ im Museum für Gestaltung in Zürich. Eine der damals herausgehobenen Schweizer Positionen war Christian Vogt. Inzwischen ist der Basler Fotograf zum Klassiker geworden.

Fotografie kann heutzutage (fast) alles. Abbildende, manipulierte und am PC generierte Bilder erscheinen gleichermassen als „Fotografie“ in Ausstellungen landauf, landab. Da ist eine Haltung wie jene von Christian Vogt, der nach wie vor den richtigen Moment am richtigen Ort mit dem richtigen Blickwinkel sucht schon fast wieder berührend. Auch er liest die analoge Fotografie wenn nötig in den PC ein; seine Haltung ist nicht eine verweigernde, aber seine Liebe gilt – das macht die Ausstellung im Photoforum deutlich – der Kamera als wahrnehmendem, zweitem Auge.

Schon die Aktfotografien der 1970er-Jahre, die Christian Vogt in der Fotoszene erstmals bekannt machten, befassten sich explizit mit der Wechselwirkung von Figur und Raum. Räume, die mehr zeigen als Volumen, Räume, die ebenso Architektur wie Landschaft sind, Räume die Orte zeigen und ihre Geschichten meinen, durchziehen das Werk Christian Vogts wie ein roter Faden. So ist es nahe liegend, dass Vogt aus seinem umfangreichen Oeuvre eine Ausstellung konzipierte, die sich „Essays on space“ nennt. Umsomehr als er sie für das Basler Architekturmuseum zusammenstellte.

Daniel Mueller, Direktor des Photoforums PasquArt, hat die 2006 in Basel gezeigte Ausstellung für Biel übernommen. Eine zweite Lesung quasi. Hinter verhaltener Hand sagt Mueller, sie sei eindrücklicher in Biel als zuvor im White Cube des der Kunsthalle Basel angegliederten Architekturmuseums, da die fünf Kapitel in fünf Räumen gezeigt werden könnten, welche die Bild-Räume deutlicher in Wechselwirkung zum umbauten Raum stellten.

Ein solcher Raum ist zum Beispiel der Korridor, in welchem 25 Bilder der Serie „Bahnlinien“ dicht nebeneinander hängen. Die Bahnborde, die Hinterhöfe, die Industriequartiere, die Steinbrüche, die kleinen Bahnhöfe – die Bilder sind einem vertraut. Sie flitzen vorbei, wenn man im Zug sitzt. Nein, sie stehen still, man selbst ist in Bewegung. Der Fotograf hält sie an – nicht als Schnappschüsse aus dem fahrenden Zug. Vogt erwanderte die Strecken und suchte die typischen Un-Orte, die wir alle kennen, obwohl wir sie nicht geographisch orten können. Oder zumindest nur selten – etwa, wenn hinter einer faszinierend präzise in den Bild-Raum gestellten Bahnhof-Treppe ein Wander-Wegweiser den Weg zur Mumpfer (Rhein)-Fähre anzeigt (Mumpf liegt im Fricktal). Die Hängung im Korridor ist spannend, denn man kann den Bildern entlang gehen als wäre man im Zug, aber die Zeit tickt anders, langsamer und macht damit die Bilder bewusst und die Erinnerungen lebendig.

In anderen Serien befasst sich Vogt zum Beispiel mit Frontalsichten auf offene Auto-Garagen – jede (fast) gleich, mit grauen Wänden und Ölflecken. So geometrisch, dass Zwei- und Dreidimensionalität sich praktisch aufheben. Oder er fotografiert Räume, wo einst berühmte Zeitgenossen lebten oder eine Rede hielten (Lenin etwa). Ausblicke sind ein weiteres Thema und als Kontrast eine Reihe von Pflanzendickichten, die Gegebenheiten von Raum und Licht mit ganz anderen Parametern aufzeigen. Dennoch sind es nicht die Themen, welche Vogts Fotografie auszeichnen – alle sind vielfach bearbeitet worden. Es ist vielmehr die unglaubliche Präzision der Bildausschnitte, welche die Betrachtenden packt und sie von einer realen auf eine dahinterliegende Bedeutungsebene verweist. Die Fähigkeit des Fotografen somit, das Abbild so mit Energie aufzuladen, sodass das Reale den Menschen miteinschliesst, obwohl er bildlich nirgendwo in der Ausstellung auftaucht.

Wenn die Ausstellung der objektiven Qualität der Fotografien zum Trotz dennoch etwas steril wirkt, so weil sich das Photoforum selbst nicht einbringt, die Ausstellung mit nichts zu einer Bieler Ausstellung macht, nicht einmal mit einem persönlichen Saal-Text.