Keine Scheu „Gott und die Welt“ zu befragen

Ruedi Schwyn im Centre PasquArt in Biel. Bis 07.01.2007

Vier den Menschen und den Planeten Erde befragende Installationen hat der Bieler Künstler Ruedy Schwyn für seine erste Einzelausstellung im Museum CentrePasquArt konzipiert.

Es wäre deutlich übertrieben zu behaupten, „tout Bienne“ ströme jeweils an die Vernissagen im Centre PasquArt. Oft ist die nationale Kunstszene besser vertreten als die lokale. Ganz anders am letzten Samstag anlässlich der Eröffnung der ersten Museumsausstellung von Ruedy Schwyn. Da drängten sich die Scharen und freuten sich. Denn dem in Nidau wohnhaften Künstler ist – gesamthaft gesehen – eine Inszenierung geglückt, die einen Höhepunkt in seinem bisherigen Schaffen markiert.

Dolores Denaro hat den Künstler ganz klar unter der Prämisse eingeladen, die Galerien und die Salle Poma mit Installationen zu bespielen. Anlässlich einer Performance des Künstlers im Rahmen des „Joli mois de mai“ in der Alten Krone war ihr bewusst geworden, dass Ruedy Schwyn sein künstlerisches Credo dort am eindrücklichsten zu verwirklichen vermag, wo er den Raum als Bühne begreift, mit Objekten bestückt und sich und andere als walsersche „Spaziergänger“ darin auf Denk-Reise schickt.

Ruedy Schwyn hat die ihm gebotene Chance gepackt und mehrere raumgreifende Installationen realisiert, welche die Besucher auffordern, über die Existenz des Menschen in unserer Zeit heute zu reflektieren. Er fragt nach dem Unterschied von Heiligen-Reliquien und medizinaltechnischen Ersatzteilen. Er lässt Wasser explodieren, „zeichnet“ die Silhouette des Himalaya-Gebirges mit Rasierklingen nach und lässt hochtrabende Sätze von Wirtschaftsvertretern auf biedere Häuslichkeit treffen.

Installationen, die Aussenraum ins Museum transferieren oder Intérieurs als Orte des Lebens inszenieren, mit Möbeln, Objekten, Videos, Vitrinen arbeiten, sind in der internationalen Kunstszene gang und gäbe. Ruedy Schwyns Ausstellung ist diesbezüglich nicht aussergewöhnlich. Was den 56-Jährigen jedoch vom Gros der vielfach eine Generation jüngeren Mitkünstler und –künstlerinnen unterscheidet, ist der thematische Fokus. Künstler, die in einer philosophisch-poetischen Sprache nach den Grundbedingungen des Lebens fragen, die den Menschen in Bezug zu „Gott und die Welt“ stellen, sind im Vergleich mit popigen, urbanen oder gesellschaftlich-sozialen Themen eher rar.

Ruedy Schwyn hat da keine Berührungsängste. Die Sorge um die unaufhaltsame Zerstörung des Planeten Erde und die Sorge um den Menschen als fühlendes Wesen in einer zunehmend technikbestimmten Welt, treibt den Künstler seit langen Jahren um. Die Gefahr, die darin für die Kunst lauert, ist die des Moralisierens. Die besten Einzelarbeiten respektive Installationen in der aktuellen Ausstellung sind darum jene, die sich sowohl mitteilen wie ihren Status als „Bild“ bewahren, nicht eine Aussage postulieren, sondern eine Plattform bieten, in der sich jedermann und jederfrau mit welchem „Rucksack“ auch immer fühlend und denkend einbringen kann.

Die filigrane „Zeichnung“ der höchsten Berge der Welt mit 1600 in die Wand gesteckten Rasierklingen ist ein solches Werk. Verletzen und verletzt werden verschränken sich hier ohne Worte und verweisen auf die Natur wie den Menschen in einem. Hingegen bedürfte es des verspiegelten „Podestes“ im Vorraum mit den Schriftzügen „this is a loveplace“ und „this is a marketplace“ nicht, denn kein Besucher braucht einen Spiegel, der ihm sagt, dass auch er oder sie betroffen ist.

Ausgesprochen geglückt ist der Saal mit der kapellenartigen Vitrine, in der in jedem Spital verwendete „Ersatzteile“ ausgebreitet sind – von Kanülen über Herzschrittmacher bis zu Silikon-Brustkissen und Hüftprothesen. Ihren Denkanstoss erhält die Arbeit nicht nur durch den Vergleich mit Reliquienschreinen, sondern vor allem auch durch die Wechselwirkung mit dem Paulus-Satz „Der Körper ist der Tempel des Geistes“, der in Loch-Schrift, das heisst mit Luftpunkten, in die Wand (den Wandkörper) eingestanzt ist. Künstlerisch geglückt ist die Arbeit, weil die Antwort auf die latenten Fragen nicht eindeutig ist. Es wird nichts postuliert und dennoch vieles gesagt.

Auch das Video zum Thema Wasser überzeugt, mit dem Abstrich allerdings, dass das Wasser- und das TV-Rauschen, die sich darin begegnen und nicht unterscheidbar sind, im digitalen Zeitalter technisch bereits überholt sind.

Den Installationen in den Galerien steht die raumfüllende, die grosse Salle Poma mühelos ausspannende „Lebenswelt“ gegenüber, in welcher sich Tannenbäume und Wohnhäuser begegnen, quasi Weihnachten im Wald und die traute Stube zuhause. Doch anstelle von Bibelsprüchen an der Wand findet man in den 12 Kuben gerahmte Mahnworte von Managern, die mehr Leistung, Kreativität, Risiko und Mut für die globale Wirtschaft fordern. Die biederen Lampenschirme und die bei Seite gestellten Schuhe deuten auf die Diskrepanz. Die Frage stellt sich: Sind die Holzleitern an der Wand, die das Raumvolumen gut aufnehmen, nun Jakobsleitern oder Messlatten für die Karriereschritte?