Marianne Eigenheer in der Galerie 25 Siselen. 2007

Auf der Suche nach singenden Formen

www.annelisezwez.ch       Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 28. Februar 2007

Im bernischen Siselen gibt die Künstlerin Marianne Eigenheer nach langen Jahren im Ausland ihr Schweizer Comeback. Sie zeigt bei Regina Larrson Fühl-Formen mit einem Hang zur Erotik.

Man schrieb hierzulande die späten 1970er-Jahre als die Künstlerinnen plötzlich Armbrüste und Revolver in ihr malerisches Repertoire aufnahmen. „Jetzt sagen wir, wer schiesst und was Erotik heisst“, sagten die Pionier-Frauen auf der Strasse des Aufbruchs. Eine von ihnen war die damals in Luzern lebende Marianne Eigenheer.  Ihre Arbeiten aus dieser Zeit  finden sich inzwischen im Angebot von Auktionen. Drei Miniaturen zwischen Revolver-Revolution und sanfter Verführung  kamen auf diesem Weg nach Siselen. Sie dokumentieren in der aktuellen Ausstellung, dass die erotischen Fühl-Formen vegetativ-körperlicher Ausstrahlung nicht von einer späteren Trittbrett-Fahrerin stammen, sondern von einer Künstlerin, die speziell in den 1980er-Jahren zu den bekanntesten in der Schweiz zählte.

Mehr noch, die Miniaturen im Besitz der Galerie schufen den Kontakt zur Künstlerin, just in dem Moment, da Marianne Eigenheer ihre langjährige Professur an der Kunstakademie in Stuttgart aufgibt, ihren Wohnort in Basel reaktivieren und endlich wieder mehr Zeit für ihre eigene Kunst schaffen will (nicht nur jene ihrer Studenten und Studentinnen). Zu dieser Neuorientierung soll, so sagt die Künstlerin,  auch eine reanimierte Präsenz in der Schweizer Kunstszene gehören, nachdem sie in den letzten zehn Jahren vor allem in Deutschland ausstellte, aber auch in Japan – ein Land, das sie besonders liebt – sowie in St. Petersburg, in Bukarest, in Tibilisi, in San Francisco und anderen Jet-Set-Orten der Welt.

 All dieser internationalen Aktivität zum Trotz ist das Kunstschaffen von Marianne Eigenheer ein keineswegs nach hier und dort Ausuferndes. Im Gegenteil, die Gouachen und Aquarelle auf handgeschöpftem indischem Papier wirken wie wiederkehrende Momente der Rückbesinnung auf  den eigenen Körper, wie Momente der Sehnsucht, die eigene Sinnlichkeit nicht zu verlieren, sondern wahrzunehmen, ihr Formen zu geben, um ihre erotische Kraft zu spüren.

Schon in den 1980er-Jahren hat Marianne Eigenheer sowohl in ihren Gouachen wie in ihren Relief-Arbeiten Mensch, Tier und Pflanze zu einem sinnlich-persönlichen Formenvokabular vereint. Waren die Motive damals noch benennbar, wurde später die Nichtbenennbarkeit zum Charakteristikum. Das heisst, die Gerundetes und Gespitztes (aber nie Eckiges) bündelnden Formen sind uns vertraut, wir meinen sie zu kennen, doch sobald wir Worte wählen wollen, entziehen sich die aus hell oder dunkel umrandeten Teilen gewachsenen „Körper“ der Benennbarkeit. Man kann sie fühlen, aber nicht rational greifen. „Man muss sie singen hören“, sagt die Künstlerin, die eben daran ist, ein Projekt mit Zeichnungen und Klängen voranzutreiben.

In den jüngsten Arbeiten hat sich Eigenheer von der kompakten Form gelöst – die früheren Umrisslinien sind quasi verselbständigt und erscheinen nun als flüchtige Notate, als eine Art Luftzeichnungen. Gleichzeitig drängt die frühere Gegenständlich-keit zurück, in Form von Gingko-Blättern zum Beispiel, aber auch anderer vegetabiler Zeichen. War das Weibliche in den kompakten Formen stets als Eigenausdruck fühlbar, löst sich dies in den neuen Arbeiten zugunsten einer luftigeren, melodiöseren Universalsprache auf. Ohne dass die Künstlerin dabei sich selbst untreu würde oder sich von der latenten Verwandtschaft mit Künstlerinnen wie Maria Lassnig oder Louise Bourgeois löste.

Die Ausstellung in Siselen ruft Marianne Eigenheers Schaffen in einer guten Werkauswahl in Erinnerung. Aber  um wirklich ausserordentlich zu sein, ist die Schau dennoch zu konventionell. Eigenheer hat sich in den 1990er-Jahren einen Namen mit Wandzeichnungen gemacht, welche die Flüchtigkeit erfühlter Momente in Form von Spuren und Zeichen festhielten; nichts davon in Siselen. Seit Jahren  fotografiert die Künstlerin: Was in den Zeichnungen aus innerer Vorstellung heraus Form annimmt, findet in den Fotos mögliche  Äquivalente in der Realwelt und wirkt gleichzeitig auf die „Handschrift“ zurück. Auch dieses Fenster ist in Siselen leider ausgeklammert. Wie spannend wäre doch eine Wand mit Wechselwirkungen gewesen. Dennoch ist die Begegnung respektive Widerbegegnung mit der Künstlerin ohne Zweifel gewinnbringend.

Bild: Olivier Gresset/BT