Martina Gmür im Kunstmuseum Sion

Manor Kunstpreisträgerin 2007

Annelise Zwez, Kunstbulletin Januar/Februar 2008

Seit der umfassenden Modernisierung (2006/07) ist das aus dem Fels kragende Musée d’art in Sion ein Juwel. Mit einer exquisiten Sammlung aus der Zeit als die Ecole de Savièse Kunstgeschichte schrieb. Genau da setzt  die erste Walllser Manor Preisträgerin, die in Basel lebende Martina Gmür (geb. 1979) an.

In letzter Zeit setzte die Jury des Manor Preises oft auf sehr junge Künstlerinnen und Künstler, so auch im Wallis, wo die in Basel durch Präsentationen im Kunsthaus Baselland und in der Galerie Stampa bereits im Rampenlicht stehende Malerin und Objektkünstlerin Martina Gmür 2007 als Preisträgerin erkoren wurde. In der Ausstellung im vielfach verwinkelten Museum von Sion lässt die 28jährige Absolventin der Ecole cantonale d’art du Valais in Sierre und der Hochschule der Kunst in Basel ihre subtilen Annäherungen an den Menschen direkt mit den behäbigen und zugleich lichterfüllten Landschaften und Figurenkompositionen eines Ernest Bieler, eines Eduard Vallet, einer Marguerite Burnand kommunizieren.

Die vorsichtige, stets das Fliessende betonende Art von Martina Gmürs auf Folie gemalten Halbfiguren respektive Körper-Fragmente wie Köpfe, Hände oder Beine spannen das Jahrhundert zwischen den Bildern kontrastreich aus, zugleich aber mit so viel Respekt, dass die Inszenierung eine geradezu berührende Begegnung der Generationen vermittelt.

Im Katalog schreibt Koffi Yao von Gmürs Begegnung mit der Malerei von Kotscha Reist respektive Luc Tuymans. Gmürs behutsames Erspüren von Kleinem, das auf Grösseres verweist – insbesondere das Körperfragment, das den ganzen Menschen meint – gibt Antwort darauf. Ebenso wichtig ist jedoch die schulische Prägung durch die Basler Video- und Performance-Künstlerin Muda Mathis, welche ihr den Mut zum unmittelbar Körperlichen vermittelte.

Es sind zunächst die Bären, die Füchse, die Katzen, die einsehbar machen, wie sinnlich, wie körpernah die Malerei Gmürs zu verstehen ist. Hier arbeitet sie auch nicht mit dem Fragment. „Während wir eine Hand sofort mit unserem Körper verbinden, würden wir eine Katzenpfote wohl als etwas Fremdes, Abgetrenntes erleben“, sagt die Künstlerin dazu. So aber können wir den lustvoll ausgestreckten, kleinen, braunen Bären im schillernden Licht der transparenten Folie, auf die er gemalt ist, schmunzelnd auf eigene geheime Gefühle übertragen.

Gmür reiht sich da in die lange Liste von Künstlerinnen, welche das Tier als Metapher nutzen – von Annette Barcelo bis Kiki Smith. Doch in der bereits typischen Verschmelzung von malerischer Scheu, Formen und Inhalte zu behaupten und gleichwohl evozierter Körper-Nähe, stellen sich Mensch und Tier in Gmürs Malerei künstlerisch auf dieselbe Ebene.

Näher an den Real-Körper im Raum tritt Gmür in ihren Objekten und Sequenzen, sei es dass sie dem Bild  eines Blindenhundes leuchtende Schuhe zugesellt, Hände aus der Wand wachsen lässt und mit einem Holzstock zum Wanderer macht oder dass sie das Verhalten einer Katze im Fallen in vier Stationen festhält. In Sion präsentiert sie diese Arbeit in Form ausgeschnittener, ursprünglich auf Fotografie basierender Teile auf einer Glastüre. Die stärkere Abbildhaftigkeit, die evozierte Räumlichkeit und der Aspekt der Bewegung erinnern nicht zuletzt an Gmürs Mitwirken in der Performance-Gruppe „GABI“ (bis 2004).

Was als Gesamteindruck fasziniert, ist das Bewusstsein der jungen Künstlerin, dass Körperliches immer auch Zeitliches miteinschliesst, dass Emotionalität und Empfindsamkeit nichts Greifbares sind, dass die Malerei durch die Reduktion des Abbildhaften auf das Fühlbare – hier zeigt sich auch Maria Lassnigs Erbe – das Fluide aber dennoch erwecken kann.          

Bis 24. Februar