Urs Cavelti, Espace libre, Biel

Nach dem Regen am Ende der Welt

Annelise Zwez, Bieler Tagblatt, 20. Dezember 2007

Wer die Ausstellung von Urs Cavelti im Espace libre des CentrePasquArt besucht, staunt: So professionell ausgeführt sind Installationen nur selten. Und auch die Kunst stimmt.

Blick in die Installation von Urs Cavelti im Espace libre des Centre PasquArt. Bild: Peter Samuel JaggiMit der Einladung des in Basel lebenden Bündner Künstlers Urs Cavelti (geb. 1969) geht die den Espace libre betreibende Bieler Künstlergesellschaft «visarte» konzeptuell zu den Wurzeln zurück. Bei der Eröffnung im Jahr 2000 hiess es sinngemäss: Es sollen (noch) wenig bekannte Schweizer Positionen in Biel eine Plattformhaben und sichmit der lokalen Szene austauschen. In letzter Zeit sah man im Felsen-Raum unter dem Filmpodium vielfach Bieler Inszenierungen, was nicht negativ ist, aber dieGefahr einer Verdoppelung, zum Beispiel mit dem «Joli mois de mai» und/oder dem «lokal.int»., in sich trägt.

Von unten nach oben
Urs Cavelti absolvierte in den 1990er-Jahren eine klassische Schweizer Künstlerausbildung mit Vorkurs und Fachklasse; in diesemFall an der Schule für Gestaltung in Basel mit Schwerpunkt «räumliches Gestalten», will heissen, er ist ein Schüler von Jürg Stäuble, der diese Klasse seit langen, langen Jahren leitet. Vielleicht sieht man das an der Solidität seiner Installation, die in gewissem Sinn in Kontrast steht mit der Leichtigkeit der gezeigten Bildwelt. Cavelti baute aus stabilen Spanplatten eine eigentliche Wand-Konstruktion für das der Längsmauer auf Augenhöhe vorangestellte, panoramaartige Bild-Band. Dieses trägt nicht etwa schwere Ölfarbe, sondern eine Bleistift-Zeichnung vergrösserter, sich scheinbar im Wind drehender und letztlich fallender Ahorn-Samen. Punktuell über die Zeichnung respektive in die Zwischenräume ausgegossene, stark verdünnte und den Felstönen folgende Farbe – man sieht es also bald – fliesst nicht von oben nach unten, sondern von unten nachoben. Am Boden breitet sich ein aus verschieden grossen Kegeln gebildetes, massives Sand-Gebirge aus, das durch Wasser leicht verformt ist.

Kinderbücher als Inspiration
Die Logik in Bezug auf die Physik stimmt: Ahorn-Samen fliegen im Wind – sie müssen sich ja einen Standort möglichst weit weg vom Mutter-Baum suchen, um Platz zu haben, selbst ein Baum zu werden. Verdünnte Farbe fliesst. Sand bildet Kegel, wennman ihn durch einen Trichter schüttet. Cavelti liebt, wie er sagt, das Beobachten der Natur-Gesetzmässigkeiten. Aber in der Übersetzung hebelt er die Parameter aus indem er die Massstäbe ausser Acht lässt und/oder die Bilder im Schaffensprozess zuweilen um 180Grad dreht. In seinem Projektbeschrieb sagt Cavelti, dass er seine Inspirationen oft aus Kinderbüchern ableite. Und genau das ist es, was sich auch in seiner Raum-Installation im Espace libre verbreitet: Etwas Märchenhaftes, etwas ausserhalb der Norm – zwar nicht surreal –, aber irgendwie der Realität enthoben, umganz einfache Dinge anders zusehen. Farbe,die nach oben fliesst und somit vielleicht auch die an Propeller erinnernden Ahornsamen nicht auf den Boden zwirbeln, sondern in den Himmel fliegen lässt, um in einer noch unbewachsenen, kleinen Berg-Landschaft am Ende der Welt zu landen und «nach dem Regen» – so der Titel der Installation – einen neuen Wald zu bilden. Wertschätzung in Fachwelt Urs Cavelti ist nach seiner Ausbildung in Basel geblieben, abgesehen von Atelier-Aufenthalten in Paris, Kairo und London. Vor allem im Rahmen von «Regionalen» – so heissen die Weihnachtsausstellungen im Raum Basel und der Jahresausstellungen der Bündner Künstler in Chur hatte er regelmässig Gelegenheit, seine Werke zu zeigen. Der eigentliche Durchbruch ist ihm aber noch nicht gelungen – fürplastischund raumbezogen arbeitende Künstler ist der Marktzugang schwierig. Dass indes sowohl der Kanton Basel-Stadt wie Basel-Land die Realisierung der Bieler Ausstellung mit einem Beitrag unterstützten, spricht indes für die Wertschätzung von Caveltis künstlerischem Schaffen in den lokalen Fachgremien. Gleichzeitig zeigt sichdarin aber auch die Bedeutung, die der Künstler selbst seinem Auftritt in Biel beimisst und das ist im Resultat sicht- und spürbar. Darum: Nicht verpassen beim Besuch der parallelen Ausstellungen im Museumund ihm Photoforum.

INFO: Der Espace libre hat dieselben Öffnungszeiten wie das PasquArt-Hauptgebäude, d.h. Mi–Fr 14-18, Sa/So 11-18 Uhr. Bis 13. Januar.

Espace libre
2007 fanden imEspace libre folgende Ausstellungen statt:
• FranziskaWagner, Biel
• Katrin Hotz (Journées photographiques/Fototage)
• BettinaWachter, Zizers/Frinvilliers
• Catherine Aeschlimann, Bernard Cattin,Marcus Egli, Maryse Guye, Veluzat, Marie-Claire Meier, Joël Racine, Jean-Claude Schweizer (Visarte Neuchâtel)
• Sabina Baumann/KarinMichalski, Corina Steiner (Transformer2)
• Suzanne Castelberg, Biel

Cavelti Urs Espace libre Biel 1207 [0.14 MB]