Urs Stooss Galerie Silvia Steiner Biel 2006

Im Fluss der Zeit angehalten und in Gold getaucht

Annelise Zwez

Seit 30 Jahren ist der Berner Maler Urs Stooss im Programm der Bieler Galerie Silvia Steiner. Und noch immer ist es nicht langweilig, sich seine Bilder anzuschauen.

Urs Stoss öffnet das Fenster und schaut hinunter auf den grossen Platz vor der Kirche. Menschen eilen vorbei. Manche sitzen auch und plaudern. Die Sonne scheint und wirft Schatten. Der Künstler drückt auf den Auslöser seiner Digitalkamera. Unzählige Male. Am Computer wählt er später Figuren, Figurenpaare, kleine Gruppen aus. Mittels Photoshop nimmt er ihnen ihre Individualität, reduziert die Schärfe bis an die Grenze, da wir gerade noch erkennen, ob es sich um einen Frau, einen Mann, ein Kind handelt, ob es Sommer oder Winter ist, ob Freizeit oder Businesstime angesagt ist. Oft sind es die langen Schatten, die sie charakterisieren.

Urs Stooss ist Maler, war immer schon Maler oder ist er doch eher ein Fotograf? In Zeiten, da der Mausclick-Pinsel fast so viel kann wie der aus Marderhaaren, wird eine solche Fragestellung immer obsoleter. Gewiss, früher hat Stooss die Figuren auf seinen goldenen und perlmutt-farbigen – neuerdings auch mal hellgrünen – Bildern stets gemalt. Aufgrund von Fotografien. Die Fotografie war stets da, schon in den übermalten Collagen der 1970er-Jahre. Jetzt unterscheidet er nicht mehr.

Die Fotos – pardon, die Bilder – druckt er als kleine Inkjetprints aus und appliziert sie so auf die Leinwand, dass sich daraus ein rhythmisches Figuren-Bild ergibt, das suggeriert, dass die Menschen alle in dieselbe Richtung gehen, dass sie irgendwie in Beziehung stehen zueinander, man weiss nur nicht in welcher. Dazu trägt wesentlich bei, dass Stooss die figurenbestückten Leinwände in einem zweiten Arbeitsgang mit Gold- oder Perlmutt-Pigmenten in monochrome Farbe taucht. Mit dem Pinsel deckt er alles zu ausser den Konturen der Figuren und der Schatten, selten auch gewisser Accessoires wie Velos, Bänkchen oder auch eines kleinen Verkaufsstandes, der en passant verrät, dass der Markusplatz in Venedig häufig als Bildbasis dient.

Gold und Silber – warum? „Keine anderen Farben geben so viel Tiefe, Raum“, sagt der Künstler. Das mag sein, aber die Konnotation „kostbar“ ist uns wohl so sehr eingeschrieben, dass wir es über die Raumwirkung hinaus mit anderen Gold-Bildern – aus dem Mittelalter zum Beispiel, mit Ikonen auch – in Verbindung bringen und diesen Menschen, die da auf ihrem Weg angehalten wurden, gehend und stehend zugleich sind, auch in einem übertragenen Sinn verstehen. Urs Stooss zögert – existentielle Dimensionen seien eigentlich nicht sein Thema, er nutze nur die Wirkung der Farbe. Kann er das? Ja und nein, denn es ist zu anzunehmen, dass die positive Rezeption seines Werkes bei vielen Kunstsammlern auch unausgesprochen mit dieser allegorischen Ebene zu tun hat.

Überraschenderweise zeigt Urs Stooss in der aktuellen Ausstellung bei Silvia Steiner auch eine Reihe von Blumenbildern, die nach derselben Methode, jedoch sehr viel raumfüllender inszeniert sind. Vielleicht öffnet sich da ein neues Kapitel.