Wie lebendig ist Biels Kunstszene?

„joli mois de mai“ in der Alten Krone (bis 27. Mai 2007)


Klar hat Biel eine Kunstszene. Der „joli mois de mai“ in der Alten Krone wird’s vom 25. April bis 27. Mai  2007 erneut zeigen.  Die Frage ist nur: was meinen die Bieler und was antworten die Zürcher?

Zum sechsten Mal veranstaltet die Sektion Biel der Schweizer Künstlergesellschaft GSMBA heuer in den Parterre-Räumlichkeiten der Alten Krone den „joli mois de mai“ – eine Art Dauer-Vernissage mit 25 Ein-Abend-Ausstellungen (jeweils Mi-So 18 -20 Uhr) und rund 30 beteiligten Künstlerinnen und Künstlern. Zählt man die Kunstschaffenden der letzten fünf Jahre dazu und zieht die Mehrfachpräsentationen ab, kommt man auf rund 80 Bieler Künstlerinnen und Künstler, die sich seit 2002 in diesem spontanen Kontext mit Ausstellungen, Aktionen, Performances, vereinzelt auch Konzerten, präsentierten.

Bedenkt man, dass noch immer nicht alle in diesem Rahmen in Erscheinung getreten sind  und grenzt  das Zählen zur  Freizeit-Malerei und zu kurzzeitigen Strohfeuern hin ab, kommt man auf  eine Bieler Kunstszene von geschätzten 100  bis 110  professionellen bildenden Künstlerinnen und Künstlern.  Wobei „Bieler Kunstszene“  nicht  – wie zuweilen bei der Verteilung von Werkbeiträgen durch die Stadtbehörden – einengend in Biel wohnhaft meint, sondern an der Präsenz der Kunstschaffenden in der Stadt Mass nimmt.

Biel hat somit unzweifelhaft eine  lebendige Kunstszene, die sich überdies durch den „joli mois de mai“ und andere Veranstaltungen auch zur Region bekennt – mehr noch, diese liebt. Würde man allerdings nur jene zählen, die von ihrem Einsatz als denkend Gestaltende, als plastische Formende,  Bilder Schaffende, performativ Auftretende oder als Fotografen künstlerisch Dokumentierende finanziell leben können, so würde die Anzahl wie ein Kartenhaus in sich zusammen fallen.

Wer sein Erleben der Welt bildnerisch zeigen und mit der Öffentlichkeit teilen will, muss immer und immer wieder dafür kämpfen – Stipendien, Werkbeiträgen und Sponsoren zum Trotz. Immerhin hat, vor allem wer Bilder malt oder Objekte schafft , dann und wann die Chance etwas verkaufen zu können oder im Rahmen von Kunst und Bau ein Werk verwirklichen zu können. Die meisten – das muss einmal gesagt sein – finanzieren ihre Kunst selbst durch die Kombination mit mehr oder weniger idealen Jobs. Konkret: Jeder und jede, die sich heuer am „joli mois de mai“ beteiligen, nehmen einen grossen Aufwand auf sich ohne realisitische Chance, den Einsatz in welcher Form auch immer zurückzuerhalten. Das Feuer muss stark sein, dass man das durchhält, weiter macht und sich stetig erneuert.

Die Krux ist, dass Kunstschaffende, die teilzeitlich berufstätig sind, oft nicht die Flexibilität haben, die Region, in welcher sie leben und arbeiten, zu sprengen, um mit ihrer Kunst in den heute tonangebenden internationalen „Zirkus“ eingreifen zu können. Wer nicht die Möglichkeit hat, heute da und morgen dort zu sein, isoliert sich vom Geschehen, vermag sich nicht genügend zu vernetzen, um seine Kunst überregional, international zu zeigen, an Messen vertreten zu sein usw. Das bewirkt – nicht nur in Biel – enorme Diskrepanzen zwischen jener Kunstszene, in der Geld fliesst, in der Sammler kaufen und den lokalen Szenen, in deren Umfeld es oft  keine Galerien gibt, welche die Finanzkraft haben, an Messen teilzunehmen. Obwohl Messen heute der primäre Ort sind, wo Kunst gehandelt wird.

Bis in die 1960er-Jahre herrschte in der Schweiz in Sachen Kunst grosse Regionalität, dann – mit dem Geist der 1968er-Jahre – entstand die Kunst-Nation Schweiz, die sich mit dem Etikett „eigensinnig“  national und international zu positionieren vermochte. Nun droht – schon seit längerem – ein neuer Regionalismus. Das kann – wie in Biel  – lokal lebendig und anregend sein, aber es besteht auch die Gefahr der Selbstgenügsamkeit, die auch eine Art Resignation ist. Typisch ist  darum, dass einige Bieler Kunstschaffende mehrere Wohnorte haben – Nidau und Zürich zum Beispiel, Prêles und Berlin, Biel und Basel, Leubringen, München und Italien – um die Liebe zur Region und die Erfordernisse heutigen Künstlerlebens miteinander zu verbinden. Wichtiger noch, um die Massstäbe nicht zu verwechseln – um in Kontakt zu sein mit der Kunst, die weltweit den Ton angibt. In Biel anerkannt zu sein, mag zwar Spass machen, aber das reicht nicht, um im Konzert der Erfolgreichen mitzuspielen.

So ist Biels Kunstszene zwar lebendig, umfasst auch Kunstschaffende, die  in Zürich und/oder im Ausland so gerne gesehen sind wie hier, aber es gibt auch viele – zu viele – welche die Konkurrenz scheuen, den Sprung verpassen  und so trotz guter – vielleicht sogar sehr guter – Qualität im Lokalen stecken bleiben.

Der „joli mois de mai“ wird ab morgen Mittwoch, 25. April, erneut ein Prüfstein sein. Persönliche Entdeckungen, die vielleicht mehr Wert sind als das internationale Rating eines Kunstschaffenden, kann man da bestimmt auch heuer wieder machen.

Joli mois de mai

2007 beteiligen sich folgende Künstlerinnen und Künstler an der Parade der Bieler Kunst in der Alten Krone:

25.4. – 29.4. : PATRICK, Michael Medici, Zdevan Qumr, Monika Stalder, Tiziana de Silvestro

2.5. – 6.5.: Jean-Denis Zaech, Marie José Comte & Linda Pieri, Erica Pedretti, susanne muller, Sandra D. Sutter

9.5. – 13.5.:  Monika Loeffel, f&d cartier, Jocelyne Rickli, Philippe Hinderling, Ruedy Schwyn

16.5.-20.5.: Stefan Hugentobler, Luo Mingjun & René Zäch, Willi Müller, Jerry Haenggli, lokal-int.&24 Solo-MusikerInnen

23.5. – 27.5.: Carla Etter, Manette Fusenig & Sigrid von Gunten, silly Mano & Peter Lüthi, Eve Monnier, mouseum.ch: jardin des sculptures

Vernissagen jeweils 18 – 20 Uhr.  Susan & Uelis traditionelles Mai-Restaurant in der Alten Krone serviert parallel von Mittwoch bis Sonntag Mittag- und Abendessen.