Anfänge der Videokunst Kunstmuseum Luzern

Marie José Burki Eric Lanz

Annelise Zwez, Bieler Tagblatt, 2. April 2008

Das Kunstmuseum Luzern zeigt zurzeit Pioniere der Videokunst. Dass  auch die heute international tätigen Bieler Eric Lanz und Marie José Burki dazu gehören, hat seinen Grund.

Als Marie José Burki (geb. 1961) und Eric Lanz (geb. 1962) in den späten 1970er-Jahren das französische Gymnasium in Biel besuchten, setzt der Lateinlehrer Jacques Dutoit seinen Schülern nicht nur Texte aus dem alten Rom vor, er entführt sie in ausserschulischen Kursen auch in die Kunst des Super-8-Filmes. So nachhaltig, dass sich daraufhin sowohl Burki wie Lanz dafür entscheiden, in die 1974 von Chérif und Silvie Défraoui gegründete Mixed Media-Klasse an der Kunstakademie Genf einzutreten. Eric Lanz tut dies 1981 gleich nach der Matura, Marie José Burki studiert zunächst Phil. I an der Universität bevor sie ab 1982 zusätzlich die Klasse der Défraouis besucht.

Wie die Ausstellung „Videokunst“ im Kunstmuseum Luzern zeigt, ist die Wiege des des Videos in der Schweiz eindeutig Genf. Der Genfer Gérald Minkoff (geb. 1938) erzählte in Luzern wie ihn um 1970 ein Fernseh-Händler jeweils einlud, zur Ansicht bestellte Video-Abspielgeräte zu testen, und er so zu Möglichkeiten gelangt sei, Video experimentell zu nutzen. Bald bildete sich eine Gruppe, die sich konzeptionell mit der neuen Kunst auseinandersetzte und die erste Ausbildungsstätte für Neue Medien lancierte.

Weil viele dieser ersten Fernseh-Video-Installationen nur für kurze Momente existierten, ist es höchste Zeit, sie zu rekonstruieren, denn bald wird es kaum mehr Geräte geben, um sie zu zeigen. Und auch die frühen Bänder sind vielfach bereits verklebt. So geht es bei der vom Projekt „Aktive Archive“ in Zusammenarbeit mit der  Hochschule der Künste in Bern realisierten Luzerner Ausstellung ebenso um Kunst wie um Restauration, Repräsentation und Fragen der Zukunft.

Der Zeitrahmen beschränkt sich nicht auf die 1970er-Jahre, denn so richtig in Fahrt kamen die Video-Installationen, um die es primär geht, erst in den 1980er-Jahren. Lanz und Burki waren somit zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und entgegen vielen anderen Absolventen der Mixed Media-Klasse, blieben sowohl die in Brüssel lebende wie der in Karlsruhe lehrende Lanz dem Video bis heute treu und gehören beide zur internationalen Elite des Mediums.

Eric Lanz,Videoalphabeth, G wie Gorgones, 1985Eric Lanz widmete sich ab 1985 einem „Video-ABC“, das heisst er schuf für 16 Buchstaben eine Installation, meist auf der Basis der griechischen Mythologie. Für Luzern wurden die Buchstaben D wie „Diane“ sowie G wie „Gorgones“ rekonstruiert. Dass beide Möglichkeiten und Gefahren der sich Bahn brechenden Neuen Medien thematisieren, ist typisch für die Zeit.

„Gorgones“ formt das G aus Lüftungsschächten. Ins eine Ende ist ein Monitor eingelassen, auf dem das Video einer von den Umrissen einer TV-Moderatorin überlagerten Lampion-Fratze zu sehen ist.

Damit die Betrachter nicht  von den von Musik untermalten Verführungskünsten der Gorgone (Medusa) „versteinert“ werden, baute Lanz ins andere Ende der G-Skulptur einen Spiegel ein, der das TV-Bild seitenverkehrt abbildet. Die Metallskulptur und das U-matic-Lowband existierten noch, doch alle Geräte mussten typgleich neu-alt gefunden werden.

Marie-José Burki machte sich früh Gedanken über die Zeitverschiebungen. In Luzern ist unter anderem das an der Documenta 1992 in Kassel gezeigte 1-Kanal-Video „Celui qui a vu passer les éléphants blancs“ wieder einmal zu sehen. Darin wird die Zeitdifferenz errechnet und gezeigt, die eine Schnecke respektive ein Flugzeug brauchen, um ein weisses Blatt Papier zu durchqueren.

Marie José Burki, Paysage, 1989An der Schnittstelle zur raumfüllenden Mehrkanal-Installation und zum narrativen Video steht Burkis Arbeit „Paysage“ von 1989, die in einer Doppelprojektion einen auf einem weissen Pferd durch die Landschaft Reitenden zeigt. Laufen die Filme zunächst synchron, verschieben sie sich danach leicht und werden so zum dynamisch-irritierenden Seh-Erlebnis. Für Luzern wurde das ursprüngliche U-matic-Band digitalisiert und auf Hard-Disc-Player übertragen. Erforderlich waren ferner neu-alte Dreiröhrenprojek-toren sowie weiteres Zubehör.

Für die Ausstellung wurden auch Arbeiten von Gérald Minkoff und Muriel Olesen, Chérif und Silvie Défraoui, Alexander Hahn, Guido Nussbaum, Hannes Vogel, Anna Winteler und anderen rekonstruiert. In einem Kabinett sind ferner Bänder von Urs Lüthi bis Pipilotti Rist zu sehen.

Info: Die Ausstellung in Luzern dauert bis 4. Mai 2008

Link: www.kunstmuseumluzern.ch