Dominik Stauch im Kunsthaus Grenchen 2008

Den Fluss des Lebens hinterfragend

www.annelisezwez.ch  Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 25. September 2008

„Watching the River flow“ heisst die Ausstellung von Dominik Stauch im Kunsthaus Grenchen. Seine grafische Bildsprache ist erzählerischer als man meint.

Die Berner Kunsthistorikerin Eva Inversini, welche das im Frühsommer wieder-eröffnete Kunsthaus Grenchen leitet, hat die Chance, den als White Cube konzipierten Anbau für eine erste Gesamtinstallation zu nutzen, dem Berner Künstler Dominik Stauch (geb. 1962) anvertraut.  Er tut dies überzeugend, mit einer abgrenzenden Eintrittszone, die sich daraufhin in einen multimedialen Fluss von Werken öffnet, die von Insel zu Insel,  von Ufer zu Ufer miteinander kommunzieren, um schliesslich in eine Black Box zu münden, wo  ein Video  Stauch selbst zeigt wie er auf dem Dach seines Atelier-Hauses in Thun den Beatles-Song „Don’t let me down “ singt.

Dominik Stauch ist ursprünglich Grafiker. Weckte die Kombination von Grafik und Kunst bei Kritikern früher a priori Skepsis, ist das heute aufgrund der breiten Öffnung des Feldes kaum  nicht mehr gegeben. Dominik Stauch jedoch bleibt in gewissem Sinn der traditionellen Grafik treu, vermag aber als einer der Wenigen deren Sprache – Geometrie, Schrift, Farbe und mehr – so faszinierend zu nutzen und zu wandeln, dass sie zum Ausdrucksmedium wird. Eigentlich analog der Werbung, aber abstrakter, verschlüsselter und  vor allem komplexer.

Das Emotionale, das ihn antreibt, öffnet der Künstler gleich zu Beginn. Er tut dies nicht expressiv, sondern spannenderweise auf eindeutige Zeichen und Formen reduziert. So tritt man zunächst an eine weiss-grau-schwarze Mauer aus „Backsteinen“, gedruckt auf eine Tapete an einer mobilen Wand, heran. Sachlich ins geometrische Gefüge eingepasst (also kein Graffiti) erscheint darauf in weissen Buchstaben das Wort „Fear“ Dieser „Angst“ beigestellt ist ein Hinterglasbild mit einem explodierenden Stern sowie ein Monitor, auf dem – einem Filmabspann gleich – Namen von Berühmtheiten erscheinen, die einen tragischen Tod erlitten – James Dean, Kurt Cobain, Vincent van Gogh und mehr. Stauch arbeitet mit dem inhaltlichen Aufladen von Sachlichem durch kollektive Assoziationen, seien diese abstrakt wie bei „Fear“ oder personenbezogen wie bei Dean. 

Passiert man nun die Mauer seitlich und schaut sie von der hinteren Seite an, ist da eine ganz andere Evokation, nämlich das Wort „Courage“ (Mut), diesmal auf einer roten Backstein-Tapete. In freier Wahl durchläuft man nun die Geschichte der Ausstellung zwischen geometrischer Reduktion und Potenzierung derselben durch erzählerische Werke, wie zum Beispiel eine Reihe von Siebdrucken mit Kultur- „Cowboys“  der jüngeren Weltgeschichte von Johnny Cash über Picasso bis Robert Walser.

Oder, besonders gelungen, einer Umsetzung der drei Töchter der in der griechischen Orthodoxie verehrten „Sophia“, welche für „Hope“, „Faith“ und „Love“ stehen, hier aber die Gesichter von Liz, Jackie und Marylin tragen. Stauch wandelt die Zuordnungen in eine zu „Courage“ und „Fear“ Bezug nehmende Lochschrift im Stil des Coca-Cola-Schriftzuges und lässt  diese auf einem LCD-Monitor im Wechsel mit den drei Frauengesichter aufscheinen und wieder verschwinden. Dazu gesellt er vier alte Tische, in welche er dieselben Lochschriften in derselben Typographie gebohrt hat. Dieses Wandeln einer Idee von einem Medium in ein anderes, von einer Schrift, einer Sprache in eine andere ist typisch für Stauch und Teil der Komplexität des Werkes.

Je länger man verweilt, desto spannender wird die Ausstellung; die reichen formalen Bezüge zwischen den Werken, aber auch die Quellen des Künstlers aus Religion, Kunstgeschichte, Pop- und Rockkultur werden immer stärker sicht- und fassbar. Dass Löcher in einem weissen Teppich „Inseln“ sind, wirkt mit einem mal selbstverständlich und der konstruktive Kubus aus rötlich gebeizter Fichte wird zum Sinnbild der Vernetzung.  Und durch alles hindurch wird einem bewusst, dass da eigentlich ein Romantiker am Werk ist, ein spätgeborener Vertreter der Beat-Generation, die in den 1960er-Jahren von einer besseren Welt träumte und dann doch erkennen musste, dass diese nur in der Sehnsucht existiert; exemplarisch in dem Bob Dylan entlehnten Ausstellungstitel „Watching the river flow“ und in dem das „Rooftop-Concert“ der Beatles von 1969 adaptierenden Musik-Video mit dem Song „Don’t le me down“.

Info: Bis 9. November. Di-Sa 14-17, Do 14-20, So 11-17 Uhr. Link zu Rahmenprogramm und Kunstvermittlung: www.kunsthausgrenchen.ch

Dominik Stauch
Geboren am 16. April 1962 in London
Lebt und arbeitet in Thun
Ausbildung zum Grafiker
1984-87 Studium an der Hochschule der Künste Berlin
2001 Aeschlimann Corti Stipendium
2004 zeigt in der Themenausstellung „I need you“ im Centre PasquArt eine interaktiven Farb-Musik-Installation
2008 Atelierstipendium Berlin. Hier enstand ein Teil der Werke für Grenchen.
Wird auf dem Kunstmarkt von der Galerie Bernhard Bischoff Thun/Bern vertreten
Website des Künstlers: www.stau.ch