Eva Borner „Bilder im Kopf“ Galerie Karin Sutter Basel 2008

Intermediale Installation Galerie-Begleittext

www.annelisezwez        Annelise Zwez für Eva Borner/Galerie Karin Sutter

Eva Borner  –  „Bilder im Kopf“, eine intermediale Installation
25. Oktober bis 8. November 2008
Vernissage: Freitag, 24. Oktober 17 bis 19.30 Uhr

2007 erhielt Eva Borner (* 1967) den Valiart-Preis für Medienkunst und konnte damit die interaktive Klang-Installation „www.saitensprung-online.ch“ (in Zusammenarbeit mit Martin Bircher) realisieren. Im Sommer 2007 sprach ihr das Medien-Förderungs-programm des Bundesamtes für Kultur („site mapping“) einen Beitrag zu, um in der Basler Galerie Karin Sutter die intermediale Installation „Bilder im Kopf“ zu verwirklichen.

Das Ausserordentliche an den Medienkunst-Arbeiten der Absolventin der Fachhoch-schule Nordwestschweiz in Aarau ist die zwingende Verquickung technischer Medien und inhaltlicher Vision. Im Projekt „Bilder im Kopf“ (eine Weiterentwicklung ihrer mit der Höchstnote  prämierten Diplomarbeit) geht es um die Evokation einer „realen“ Welt im virtuellen Raum der Imagination. Die künstlerischen Mittel – ein Kontrabass mit Computer-Anschluss, eine Videoprojektion sowie Sound-Boxen – sind nicht Medien-Ästhetik per se, sondern darauf angelegt, Zugang zu virtueller Realität zu ermöglichen.

Konkret: Das Zupfen an einer der vier Saiten des im Zentrum stehenden, beleuchteten Kontrabasses öffnet akustisch einen Raum der Wohnung der Protagonistin. Die grossformatige, sich nur minimal ändernde Videoprojektion im Galerie-Raum lässt erahnen, dass es sich um ein höchst durchschnittliches Logis in einem Mehrfamilienhaus handelt. Je nach Saite, gelangt man in die Küche, ins Bad, ins Wohnzimmer. Einmal ist die Frau zuhause, nimmt ein Bad und singt nach, was sie im Radio hört oder sie klappert mit Geräten in der Küche. Häufig spricht sie gleichzeitig zu sich selbst oder man hört quasi aus dem Off, was sie gerade denkt und bewegt. Vielleicht ist sie aber auch gar nicht zuhause und die Saite ist lediglich mit dem Anruf-Beantworter verbunden.

Die Arbeit beschränkt sich nicht auf die Audio-Struktur; diese ist lediglich das Gerüst, um Inhalte hörbar und imaginativ sichtbar werden zu lassen. Bedingung hiefür ist allerdings aktives Kommunizieren von mindestens einer Person, denn ohne das Zupfen der Saiten in selbst gewähltem Wechsel ist nur das „murmelnde“ Grundgeräusch der Installation zu hören. 

Ist die Frau zuhause und spricht zu sich selbst, ist das häufig Alltägliches – „Mehr lachen sollte ich“, fordert sie sich auf oder „ich könnte mich nun hinsetzen und tiefe, ernste Bücher lesen“ oder sie ereifert sich: „Die Schlüssel, wo sind die Schlüssel…“. Manchmal ist sie aber auch anwesend und abwesend zugleich, dann werden nur Gedanken „sichtbar“: „Ich möchte der Wirklichkeit nicht glauben müssen“, hört man sie flüstern oder sie fragt sich leise: „Was hätte passieren müssen, dass wir füreinander interessanter geworden wären? Später wird sie sich bewusst: „Ich hatte panische Angst“.

Die Sätze folgen keiner Chronologie, ein Zufallsgenerator sorgt dafür, dass die rund 80 Zitate immer neue Konstellationen ergeben.
Die Medienkunst steht häufig in Wechselwirkung mit Film, Fotografie und/oder Musik. Musik spielt auch bei Eva Borner eine Rolle – über den Kontrabass, aber auch wenn die Protagonistin den tragisch-schönen Song „Slip away“ von Laurie Anderson mitsingt.

Seltener, hier aber wichtiger – und darum so eigenständig – ist der Bezug zum Theater, auch zur Philosophie und zur Literatur. Weder die Wahl des Anderson-Songs, noch Sätze aus „Warten auf Godot“ sind Zufall. Die Zitate spiegeln auch die Künstlerin selbst, die über viele Monate hinweg Sätze gesammelt hat, die sie emotional berührten – sei es bei Fischli/Weiss, bei Menschen im Zug, bei Arthur Schnitzler oder Peter Stamm, bei Conny Palmen; viele schrieb sie auch ganz einfach selbst.

Das räumlich-auditive Stück, das in „Bilder im Kopf“ gegeben wird, hat voyeuristische Züge – je neugieriger man verweilt, desto mehr Einblick hat man in das Leben der virtuellen Figur. Man erfährt, dass sie von einem Mann am Beantworter belästigt wird, hört, dass englisch-sprachige Personen anrufen, fragt sich, warum sie der Tod so beschäftigt. Das nur im Kopf sichtbare Stück hat aber auch mit Einsamkeit zu tun, mit der Absurdität eines Beckett eben. Und es ist last but not least ein Spiegel unserer Zeit, in der wir stundenlang auf virtuellen Homepages verweilen und uns der romantischen Illusion hingeben, „real“ am Leben teil zu haben.

„Bilder im Kopf“ ist nicht zuletzt eine multimediale Meisterleistung mit zahlreichen Beteiligten. Eva Borner sieht sich im Realisationsprozess als Produzentin und Regisseurin. Sie sei nicht Informatikerin, sie nutze die Neuen Medien, weil sie ihre künstlerischen Vorstellungen nur damit verwirklichen könne, sagt sie. Dass ihr dabei in Klanggestalter Hans Peter Gutjahr ein idealer Partner zur Seite steht, ist ihre Chance.