Monika Loeffel, Espace libre

Neugierde ist etwas Wunderbares

Annelise Zwez, Bieler Tagblatt, 15. Februar 2008

Monika Loeffel zeigt im Espace libre des CentrePasquart die Foto- und Video-Installation «Kreisläufe». Sie ist dem BT Anlass, das Werk der Künstlerin vertieft zu betrachten.

«Kreisläufe»: Monika Loeffel beschäftigt sich in ihrer Installation imEspace libremit der Wahrnehmung des Sehens. / Bild: Adrian Streun«Unsere Augen schauen nach vorne, aber unser Körper nimmt 360°wahr», sagt die in Kallnach lebende Künstlerin Monika Loeffel. Wenn ein derartiges, oft alltägliches Phänomen sie packt, beginnen die Rädchen zu drehen: Wie und in welchem künstlerischem Mediumkann ich das zeigen? Im aktuellen Fall ist das Resultat die Foto- und Video-Installation «Kreisläufe», die bis zum30.März im Espace libre zu sehen ist. Von der Decke hängen drei kreisförmige, metallene Bänder, die im Innern eine Panorama-Fotografie mit unscharf verlaufenden, waagrechten Farbstreifen zeigen. Mit einer einfachen «Maschine» hat die Künstlerin eine Loch-Kamera in gegenläufige Kreis-Bewegung versetzt und damit an verschiedenen Orten – in der Natur, in der Stadt – fotografiert. Die Camera obscura (siehe Infobox) löscht bekanntlich alles Bewegte, das Fotopapier nimmt nur das Bleibende – in diesem Fall die Kreisbewegung – und die eindringenden Farbfrequenzen auf. Mit den ungegenständlichen Farbfotobändern kann Monika Loeffel somit das Sehen und das Nichtsehen thematisieren. Mit zweiVideos von einem (Stangen-)Waldrespektive einem digital bearbeiteten Flussufer, kombiniert mit dem «toc, toc» unablässiger Schritte, weitet Monika Loeffel das Thema des Sehens in die Dimension des Zeitlichen.

Engel am Treppengelände
Monika Loeffel ist in den letzten Jahren immer wieder mit ungewöhnlichen, meist installativen Arbeiten in Biel in Erscheinung getreten. Erinnert sei an die Abgüsse der kleinen Engel am Geländer der Treppe im Altbau des Museums Pasquart, die sie in Offset-Drucke umwandelte und als rosarote, quadratische Notizblöcke präsentierte. Oder an die Vielzahl von Schwarz-Weiss-Fotografien von Baumstämmen, die sie einer Ahnengaleriegleich in kleinen Fotorähmchen zum mehrgliedrigen Halbkreis formte. Ein Projekt von 2004 kennen in Kallnach alle, denn Monika Loeffel ging ein Jahr lang von Haus zu Haus, um die Hände aller Kallnacher und Kallnacherinnen, jeweils in ähnlicher Haltung, zu fotografieren, 1448 an der Zahl. Gezeigt wurde das Resultat im allerlei Historisches versammelnden «Kulturraum» des Dorfes. Oft, aber nicht immer, beruht die Essenz der Arbeiten auf der Multiplikation eines Motives, wobei die Künstlerin ganz offensichtlich nicht einfach die Potenzierung interessiert, sondern das Natur- Prinzip der Variation, das, was sich in der Zeit verändert. Radikal auf den Punktbrachte sie das, was sie fasziniert und immer neu vorantreibt, an der Weihnachtsausstellung von 2005. Sie legte einen mit tausend Perlen gesäumten, roten Teppichläufer vor die verschlossene Türe, die vom Museum zum Altersheim Pasquart führt und nannte die Arbeit «exit». Weil die Bedeutung von (Lebens)-Zeit im Kontext des Schaffens der Künstlerin nicht von allen verstanden wurde, musste der Teppich jedoch bald entfernt werden. Das bisher Geschilderte könnte problemlos auf eine junge Künstlerin weisen. Was ebenso falsch wie richtig ist.
Denn die als Monika Wittwer in Biel Geborene absolvierte ihre künstlerische Ausbildung 1999 bis 2002 an der Fachhochschule für Gestaltung in Basel, war aber mit Jahrgang 1952 die älteste Absolventin. Das heisst, da gab es schon ein halbes Leben davor und das spiegelt sich in ihrem Schaffen ebenso wie das bezüglich Medien und Arbeitsweise Junge in ihrer Kunst.
1973 war die Ingenieurs-Tochter mit ihrem Partner nach Berlin «geflohen»; vordergründig, weil es da die bessere Ergotherapie-Ausbildung gab, aber eigentlich ging es um Distanz. Ihr Zeichnungslehrer im «Affenkasten», dem Gymnasium Alpenquai, war Clemens Klopfenstein gewesen und er meinte, sie müsse in Richtung Kunst gehen, doch bis dahin brauchte es Zeit. Denn auch die Zweitausbildung zur Zahnärztin an der Universität Bern (Abschluss 1990) war noch nicht die Kunst. «Wahrscheinlich wollte ich damit dem der Ergotherapie anhaftenden Cliché des typischen Frauenberufes entkommen», sagt sie rückblickend. Sieben Jahre führte sie daraufhin eine Praxis in Kallnach, doch nach dem frühen Tod ihres Mannes (1990) und gesundheitlichen Problemen drängte sich eine Neu-Besinnung auf. «Ich gab alles auf und fand 1997 im Vorkurs an der ‹Farbmühle› in Luzern erstmals Menschen, die neugierig, erkenntnishungrig und offen waren wie ich sie schon immer gesucht hatte». Nun war der Weg gezeichnet und seit dem Jahr 2000 reiht sich Projekt an Projekt.

Roter Faden durchs Schaffen
Es ist spannend zu beobachten, dass Monika Loeffel sich der Offenheit heutiger Kunstpraxis bedient – kein Material, keine Technik, keine Präsentationsform, die «kunstunwürdig» wäre – gleichzeitig aber doch ihrer Generation angehört. Das heisst, sie schöpft nicht unwesentlich aus den 1970er/80er-Jahren, als konzeptuelles Forscherdenken ein wichtiges Kunst-Instrument war. Spürbar ist das am roten Faden, der ihr Schaffen durchzieht: Immer und immer wieder sucht sie sich Themen aus, die auf Phänomene der Natur-Wissenschaften weisen.
Dabei geht es nie um Behauptungen, sondern stets um Fragen, was sich aus selbst definierten Konzepten heraus durch Repetition wie von innen heraus manifestiert –man nennt das eine autopoïetische Vorgehensweise. Wenn es ihr – zum Beispiel mit einem Funken Ironie – gelingt, die Form zu finden, die auch dem Betrachter ermöglicht, die Steigerung vom Vorder- zum Hintergründigen zu erleben, sind Monika Loeffels Arbeiten ausserordentlich. In grösserem Rahmen als jetzt im Espace Libre wird das im Herbst zu erleben sein, wenn sie die Kulturmühle Lyss im Alleingang bespielen wird.

LINKS: www.aaarte.ch und www.espacelibre.info

Camera obscura
• Eine Camera obscura ist die ganz einfache Formvon einem Fotoapparat
• Man schafft einen dunklen Raum, der nur durch ein scharf definiertes, winziges Loch Aussenlicht einlässt
• In die Black Boxmontiert man einen Farbfilm
• Dieser nimmt die Lichtsignale auf, braucht dafür aber, je nach Grösse des Lochs, eine halbe bis mehrere Stunden
• Durch die notwendige Länge der Belichtung bleibt nur auf demFilm, was dauernd im Blickfeld der Kamera ist
• Alles Bewegte ist darum unsichtbar.

Loeffel Monika Portrat Espace libre 208 [0.14 MB]