Romana del Negro Kunst am Bau Uni Irchel 2008

Abenteuer Kunst am Bau

annelisezwez. ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt 24.11.2008

Einen wichtigen Kunst am Bau-Wettbewerb zu gewinnen, ist toll. Doch erst dann beginnt die Knochenarbeit. Ein Einblick am Beispiel des Projektes von Romana del Negro für die Universität Zürich.

„Der Künstlerin gelingt ein enger Bezug zu der im Labor ausgeübten Forschungstätigkeit im Spektrum Natur und Wissenschaft und setzt diese Verbindung konzeptuell wie formal vielschichtig um; die Jury spricht sich darum einstimmig für die Realisierung des Projektes von Romana Del  Negro aus.“ Das war vor 11 Monaten. Seither steht das Leben der 40-jährigen, in Winterthur aufgewachsenen Bieler Künstlerin fast ganz im Zeichen der Umsetzung ihres ersten grossen Kunst am Bau-Auftrages für das Institut für Virologie der Universität Zürich Irchel. Eine bewegte Zeit mit Schreck-Sekunden und einem inzwischen voraussehbaren Happy End.

Schon 2006 war Romana Del Negro zum Zürcher Kunst am Bau-Wettbewerb für das „Tierspital“ eingeladen gewesen; diesen gewann sie zwar nicht, aber für Tanja Scartazzini – Projektleiterin Kunst am Bau des Kantons Zürich – war klar: Bei passender Gelegenheit würde sie sich wieder dafür einsetzen,
dass die Künstlerin eingeladen wird. Die Kombination von organischen und künstlichen, gewachsenen und produzierten Materialien in komplexer, zeichnerisch wirkender Vernetzung faszinierte sie. Der Kanton Zürich  stellt nicht nur bei Neu-, sondern auch bei Umbauten 1% der Bausumme für Kunst am Bau frei. So wurde die Neukonzeption der „Virologie“ an der Uni Irchel die Chance für Romana Del Negro.

Schon bei der Begehung, zu der neben ihr auch Carmen Perrin, Bernhard Tag-werker, Andreas Horlitz u.a. geladen waren, zeigte sich, dass die gläserne Trennung von Labor und Korridor in den beiden Geschossen der Fokus der künstlerischen Intervention sein musste. Romana Del Negro entwarf für die 24 Doppelscheiben von je 180 x 270 Zentimeter – das sind zwei Mal 43 Meter Korridorlänge – ein mäandrie-rendes Band mit Wurzeln, Ranken, Ästen, Fruchtständen teils natürlichen, teils plastifizierten Ursprungs, die mit Stecknadeln in Form gehalten sind.

Nicht dreidimensional und materiell fassbar wie in ihren Installationen (zuletzt  im Frühjahr 2008 anlässlich des Aeschlimann-Corti-Stipendiums im Centre PasquArt), sondern Ausschnitt- Fotografien davon, die in rhythmischem Verlauf auf die Gläser gedruckt werden sollten. Kombiniert mit frei flottierenden, verhalten farbigen und vielfach vergrösserten Zellformationen in Form von Sandstrahl-Zeichnungen auf der Kehrseite des Glases. So, dass sich die beiden Seiten gegenseitig hinterfangen, je nachdem ob man im Labor in Richtung Korridor schaut oder vom Korridor her in den hermetisch abgeschlossenen Labortrakt.

Entwerfen reicht indes für einen Kunst am Bau-Wettbewerb nicht – zum Projekt muss auch ein Konzept für die technische Umsetzung, ein präzises Budget im vorgegebenen Finanzrahmen (hier: 150 000 Franken), meist ein Prototyp und ein Modell vorliegen. Del Negro hatte das Glück in dem auf Siebdruck und Sandstrahl-Anwendungen auf Glas und anderen Materialien spezialisierten Atelier Weidmann in Oberwil (BL) einen technischen Partner zu finden, der bereit war, mit ihr die Grenzen des technisch und künstlerisch Möglichen auszuloten. Eine Fotografie kann ja nicht einfach auf Glas gedruckt werden, das Glas muss zuerst aufgerauht, dann ausgehend von der digitalen Vorlage mit der Fotografie beschichtet und schliesslich lackiert werden, um die Transparenz wieder herzustellen. Nur so kann Haltbarkeit und Stabilität garantiert werden.

Die neuen Masstäbe, die Arbeit in und ausserhalb des Ateliers, die klare Haltung als Auftraggeberin waren für Romana Del Negro – wie für alle Kunstschaffenden in ähnlicher Situation – eine enorme Herausforderung. So hielt sie beinahe den Atem an als man ihr in Köln, wo die Dreifach-Verglasung mit einem Hochsicherheitsglas in der Mitte in die Bau-Rahmen eingepasst wurden, eröffnete, dass es zu viele Kratzer in der Vorlage habe, man die Verantwortung nicht übernehmen könne und sie einen Produktionsstopp anordnen musste. „Da war ich schon sehr froh, dass Marc Weidmann sowie ein Vertreter der Glasfirma respektive des Kantons Zürich nach Köln kamen, um mich zu unterstützen.“

Inzwischen sind die Gläser an Ort und Stelle und eine Begehung gibt eine Ahnung von der Wirkung, welche die „Zeichnungen“ an der Schnittstelle zwischen innen und aussen haben werden. Die eigentliche Bau-Übergabe wird jedoch erst im Frühjahr respektive im Herbst 2009 über die Bühne gehen, da die geplante Forschungstätig-keit des Instituts aufwändigste Elektro- und Elektronik-, sowie Sicherheits-Einrich-tungen voraussetzt.

Eine Zwischenbilanz zieht die Künstlerin bereits: „Die Professionalität, die ich auf allen Ebenen antraf, war grossartig“. Weniger gern spricht sie davon, dass die Fremdkosten für ihr Projekt einen so grossen Teil des Budgets beanspruchten, dass für sie selbst wohl nur wenig übrig bleiben wird; auch das ist keine Seltenheit bei Kunst am Bau-Aufträgen. Nur gewieften Künstlern gelingt es, dafür zu sorgen, dass sie selbst auch zu den Profiteuren zählen.

 

Romana Del Negro
1968 geboren in Oberstammheim (ZH)
1987 – 1991 Lehre als Goldschmiedin in Winterthur
1994  Kunstgewerbeschule Luzern
1997 erste Einzelausstellung.
Lebt seit 2001 in Biel. Teilnahme an den Jahresausstellungen im Centre PasquArt
2003 Einzelausstellung in der Galerie Kenworthy-Ball in Zürich; Anderfuhren-Förderpreis.
2006 Werkbeiträge Stadt Biel, Kanton Bern, Ankauf der Stadt Biel, Einzelausstellung im Musée Jurassien des Arts, Moutier.