Schwartz Ise Galerie Silvia Steiner Biel

Die Herausforderung ist die Malerei

Annelise Zwez, Bieler Tagblatt, 19. Februar 2008

In der Galerie Silvia Steiner in Biel ist eine Einzelausstellung mit Werken der Bieler Malerin Ise Schwartz zu sehen. Sie gibt dem Ornament seine innere Komplexität zurück.

Sie hat gemalt als müsste sie ein ganzes Kunsthaus füllen: Die seit 20 Jahren in Biel lebende Ise Schwartz. Dementsprechend reich ist die zweite Einzelausstellung der seit 40 Jahren künstlerisch Tätigen bei Silvia Steiner in ihrer Galerie an der Seevorstadt 57. Unter dem Aspekt des Malerischen kann man vielleicht sogar von einem Höhepunkt im Schaffen der 66jährigen Künstlerin sprechen, denn damit werden ihre kunstgeschichtlich wichtigen Werke aus der Zeit des feministischen Aufbruchs im Deutschland der 1970er-Jahre nicht herabgemindert.

Ise Schwartz, stilerazionalismo, 2006, Oel auf LeinwandImmer wieder spricht Ise Schwartz davon, dass die Herausforderung für sie stets die Malerei selbst sei. Möglicherweise haben sich in ihrem Gesamtwerk darum gegenständliche und ungegenständliche Phasen immer wieder abgewechselt. Doch seit sie vor gut zehn Jahren das Ornament, das Muster, als Motiv für sich entdeckte, fand sie darin eine Welt, in der sich mit gegenständlichen Zeichen – seien es Blumen oder geometrische Ordnungen – in ungegenständlicher Art und Weise spielen lässt. Das heisst – auf die aktuelle Ausstellung bezogen – Vergrössertes und Verkleinertes, sich organisch Rankendes und mathematisch Strukturiertes geben sich in den Bildern ein komplexes Stelldichein.

Durch eine unglaublich reiche malerische Oberfläche hindurch verschmelzen die fragmentierten Zeichen zu luftigen Räumen. Räume, die  zugleich an Dekoratives erinnern wie auch Dimensionen von Erscheinung und Auflösung, auf- und abtauchen, sich wandeln und neu formieren, aufzeigen.
Geben sich die teils anspruchsvoll grossformatigen Bilder auf Distanz in gewissem Sinn majestätisch, offenbaren sie von nahe betrachtet einen malerischen Mikrokosmos, der staunen lässt.

Man erkennt da nämlich wie vielschichtig die Bilder sind, wie oft die Künstlerin mit Acryl- und Ölfarbe angesetzt hat, gemalt, gespritzt, geschabt, geschliffen, gewaschen hat bis oben und unten, hinten und vorne zu einzigen Bild gewachsen sind. Das macht ihr niemand so schnell nach!

Und doch fällt im Gespräch immer wieder derselbe Name: Christine Streuli – die Shooting-Star-Deko-Malerin, welche die Schweiz 2007 an der Biennale vertrat und zur Zeit gerade im Aargauer Kunsthaus eine Ausstellung hat. Denn auch die 33-Jährige „fusioniert“ dekorative Bildfelder aller Art zu Gemälden. Doch während Streuli die Bilderzeichenflut von Comic über Videoclip bis Lifestyle in verschiedensten Techniken kombiniert, wählt Ise Schwartz Ornamente mit Tradition und setzt sie durch und durch als Malerin in Szene.

Zwar benutzt auch Schwartz in der Vorbereitungsphase den Computer – um Ausschnitte und Grössendimensionen festzulegen und die Projektion auf die Leinwand sicher zu stellen – dann aber „malt“ sie „mit Hand und Fuss“, wie sie sagt. Das heisst sie zieht alle Register, welche der Mal-Haut im Sinne des Begriffs von Malerei dienen. Und sie findet dabei – die Ausstellung zeigt es deutlich – immer wieder neue Darstellungsformen. Mal ist Verdichtung das Ziel, mal Schichtung und Abgrenzung, mal Überlagerung mit zeichnerischen Elementen, mal Tanz, mal Rhythmus und Ordnung usw.

Da ist aber noch etwas anderes: Ise Schwartz geht es mit dem Phänomen des Musters nicht um eine unmittelbare Wechselwirkung mit Zeitströmungen. Zwar begegnen sich auch bei ihr unter anderem Art-Deco-Muster und Barcodes der Konsumindustrie in ein und demselben Bild, aber die Zuordnungen sind durch die intensive malerische Bearbeitung nurmehr als Erinnerung präsent, denn viel wichtiger sind die Strukturen: Das Sichtbarmachen des Ineinandergreifens einfachster Muster in immer neue Variationen, die zusammen ein Spiel ergeben. Ein Spiel, das sich ebenso auf der Oberfläche des Bildes zeigt wie uns beim Betrachten davon weg in unbekannte Räume zieht.

Spannend ist zu beobachten wie es Ise Schwartz gelingt sowohl auf Form- wie auf Farbebene zu agieren. Das heisst sie kann über die Durchlässigkeit der Schichten, über die Illusion von Räumlichkeit Farben miteinander kombinieren, die in flächiger Form geradezu Aggressionen auslösen würden, ein giftiges Pink und ein helles Orange zum Beispiel. Vielfach bleibt die Künstlerin aber im Klangfeld einer einzigen Grundfarbe, kombiniert mit dunklen und hellen Kontrastpartikeln. Der Begriff „Klang“ findet auch in den Titeln Gehör, fühlt man sich doch von Namen wie „stelle cadente“, „spirito del tempo“ oder „rimodernarsi“ an musikalische Bezeichnungen erinnert.

Info: Die Ausstellung dauert bis zum 15. März 2008. Sie ist Mi, Do und Fr  14 bis 18 Uhr und Sa 14 bis 17 Uhr geöffnet.

Link: www.silviasteinergalerie.ch  www.iseschwartz.com

Die Künstlerin
Ise Schwartz wächst im Raum Ulm, später Stuttgart auf
1962-1965 studiert sie Kunstgeschichte und Germanistik in Frankfurt und Berlin
1969 schliesst sie die Kunsthochschule Mainz ab
1974 wird sie Mitglied der Aktionsgesellschaft bildender Künstlerinnen, 1984 der Bonner Frauengruppe „zart und zackig“
1976-1983 lehrt sie an der Universität Bonn
1989 bezieht sie mit ihrem Lebenspartner Roland Bielmeyer das Atelier Robert in Biel und bleibt im Seeland
Neben Ausstellungen in der Schweiz, finden immer wieder Präsentationen in Deutschland statt, u.a. 2004 im Museum Siegburg in der Nähe von Bonn