Erster Manor-Preis Kanton Bern in Biel 2009

Seit 27 Jahren auf Erfolgskurs

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 3. April 2009

Seit Jüngstem gehört Biel zu den Städten, in denen alle zwei Jahre der Manor-Kunstpreis verliehen wird. Den ersten erhielt Andreas Gehr 1982 in Luzern.

Landauf, landab werden Kunst-, Literatur- und Musikpreise verliehen. Um Kultur zu unterstützen und gleichzeitig als Unternehmen, als Stiftung, als Gemeinde vom Glanz des uneigennützig geltenden Engagements zu profitieren. Nicht allen gelingt es indes, sich in den Köpfen des Kulturpublikums festzukrallen. Denn dazu braucht es eine Win-Win-Situation. Eindrücklich gelungen ist das der Genfer Maus Frères-Gruppe mit dem Manor-Preis. Dieser wird zurzeit in 11 Schweizer Städten respektive Kantonen und ab 2008/09 auch in Biel (für den Kanton Bern) im 2-Jahres-Turnus an Kunstschaffende aus dem jeweiligen Kantonen verliehen. Bedingung dafür ist, dass Manor in der entsprechenden Stadt ein grösseres Verkaufsgeschäft betreibt.

Der Grund für den hohen Bekanntheitsgrad der grosszügigen, aber  längst nicht zu den höchstdotieren Preisen zählenden Auszeichnung, ist ihre 27-jährige Geschichte, aber vor allem auch die Zusammenarbeit von Manor mit den lokalen Museen. Das heisst konkret: Der Museumsdirektor respektive die Museumsdirektorin bestimmen die drei bis fünf Nominationen, aus welchen eine fünfköpfige Jury den Preisträger oder die Preisträgerin erkürt. In Winterthur ist das somit Dieter Schwarz, in Aarau (neu) Madeleine Schuppli, in Lausanne (neu) Bernhard Fibicher, in Biel Dolores Denaro. Klar, dass es angesichts dieser „Macht“ zuweilen zur Opposition kommt; im Aargau sprach man früher vom „VW-Preis“, dem Vilan-Wismer-Preis (Manor hiess in Aarau früher Vilan und Beat Wismer war 1985-2007 Direktor des Aargauer Kunsthauses).

Der Hintergrund für dieses Konzept ist nicht nur Fachkompetenz. Mit dem Einbinden der Museumsleitung ist sichergestellt, dass das Museum die mit dem Preis verbundene Ausstellung zu seiner Sache macht respektive das von Maus Frères gewährte Budget für die Präsentation und den Katalog aus eigenen Mitteln aufstockt.

In Zahlen heisst der Manor-Preis: 15 000 Franken in Form eines Cheques,  um die 25 000 Franken für Ausstellung und Katalog (der Betrag ist variabel) sowie ein unterschiedlich hoher Betrag für den Ankauf eines repräsentativen Werkes durch Manor für seine Sammlung. Summa summarum also ein Engagement in der Grössenordnung von 50 000 Franken; im Detail bewahrt Manor Stillschweigen.

Lange Jahre war der Basler Arnold Kuster, den man in Kunstkreisen „Mister Manor“ nannte, Präsident der Jury; seit anfangs des Jahrhunderts ist Chantal Prod’hom, die Leiterin des Museums für angewandte Kunst (Mudac) in Lausanne, Vorsitzende. Seither ist bezüglich der aus den Nominationen ausgewählten Kunstschaffenden ein verstärktes Risiko-Profil spürbar, aber vielleicht ist das auch nur eine Zeit-Optik. Denn wer wusste 1990, dass Silvia Bächli

(damals 34-jährig) dereinst zu den bekanntesten Schweizer Künstlerinnen zählen würde? Wer wusste 1994, dass Pipilotti Rist (damals 32-jährig) einmal im Museum of Modern Art in New York ausstellen würde,  dass Olaf Breuning, im Manor-Preis-Jahr 2000 gerade mal 28-jährig, bald schon ein Schweizer Shooting-Star sein würde.


Nach Manor-Preisen an über 100 Schweizer Kunstschaffende darf man von einer erstaunlichen Bilanz sprechen. Im Gegensatz zu den Eidgenössischen Preisen für Freie Kunst, die ebenfalls an unter 40-Jährige verliehen werden, ist die Zahl der nie zumindest in der erweiterten Region bekannt Gewordenen oder bereits wieder aus dem Kunstbetrieb Verschwundenen relativ klein.       Preisträger Luzern 2008/09: Giacomo Santiago Rogado

Klar gibt es Unterschiede, so wird in Biel kaum jemand Carlo Domeniconi (Manor-Preis Schaffhausen 1988), Thomas Zindel (Manor-Preis Chur 1994) oder Elisabeth Masé (Manor-Preis Basel 1992) kennen, aber auch sie sind nach wie vor und durchaus erfolgreich künstlerisch tätig. Andererseits gehören Manor-Preistragende wie  Claude Sandoz (1983), Carmen Perrin (1988), Stefan Gritsch (1989), Christoph Rüttimann (1990), Marie-José Burki (1993), Ariane Epars (1996), Yves Netzhammer (1998), Christoph Büchel (2000) heute alle zu den wichtigen Schweizer Kunstschaffenden.

Ob das auch für die kommenden Jahre gelten wird, ist noch nicht abzuschätzen, im Moment zumindest sind viele Preistragende der letzten zwei Jahre erst Geheimtipps, wie etwa David Chieppo (Winterthur), Martina Gmür (Sion), Davide Cascio (Lugano) oder Emil Klein (Basel).
In einem Punkt hat sich die Bedeutung des Manor-Preises indes gewandelt. Wuchs das Konzept 1982 aus dem damals hohen Selbstbewusstsein der regionalen Kunstszenen, ist der Manor-Preis heute Bannerträger dafür, dass die Museumsleiter die lokalen Szenen im Auge behalten und auch in ihren Programmen nicht „vergessen“ und das ist gut so.

Manorpreis für San Keller
Der erste Berner Manorpreis geht an den Aktions- und Installationskünstler San Keller (geb. 1971).
Der in Zürich lebende Berner trat mehrfach in Biel in Aktion, zuletzt in der Ausstellung „I need you“ (2004).
Die Stadt Biel kaufte 2003 die Installation „San Keller hausiert mit San Keller“ für seine Kunstsammlung an.
Wen Dolores Denaro ausser San Keller nominierte, bleibt geheim.
Die Jury setzte sich aus Chantal Prod’hom (Kunsthistorikerin), Sybille Omlin (Kunsthistorikerin), Heinrich Gartentor (Künstler), Kathleen Bühler (Kuratorin), Pierre-André Maus (Vertreter von Maus Frères) zusammen.
Die Ausstellung San Keller im Museum Pasquart wird am 19. April eröffnet. (azw)

Bildlegende:
Giacomo Santiago Rogado: Der Luzerner Manor-Preisträger 2008/2009 hat für seine erste Museumsausstellung eindrückliche, grossformatigen Bilder geschaffen (Ausstellung bis 14. Juni).   Bild: zvg