Gottier_Hinderling_Kiener_Noser_Queloz_Stauch_Klassen im Kloster St Ursanne

Bieler Künstler proben den Dialog mit dem Jura

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 2. Juli 2009

Im mittelalterlichen Kloster St. Ursanne treffen sich Kunst und Geschichte. Zur Zeit sind es Installationen von Bieler und Berner Kunstschaffenden, die den Dialog suchen.

Was auf politischer Ebene zur Zeit wieder mit viel Rethorik beschworen wird, haben Bieler und Berner Kunstschaffende ohne Federlesen umgesetzt. Ihre Installationen im einstigen Kloster von St. Ursanne sind Ausdruck eines lebendigen bern-jurassischen Dialogs. Mit dabei: Mirjam Gottier, Philippe Hinderling, Barni Kiener, Pat Noser, Philippe Queloz, Dominik Stauch und Norbert Klassen (Performance).

Dass alte Klöster für Kunstausstellungen genutzt werden, ist nichts Neues. Einfacher ist es deswegen nicht, in St. Ursanne schon gar nicht. Denn hier erzählen die Steine bis zurück zum Eremiten Ursicinus (um 600) noch immer so viel, dass formale oder geschichtliche Annäherungen respektive Kontraste sehr anspruchsvoll sind. Überzeugend gelungen ist das denn auch nur vereinzelt. Dennoch gibt es sehenswerte Ansätze.

Am Anfang stand eine Einladung von „Arcos“, dem lokalen Kunstverein, an den in Leubringen wohnhaften Philippe Hinderling,  seine oft interaktiven „Erfindungen“ in St. Ursanne zu zeigen. Ein Alleingang war ihm indes zu aufwändig und so lud er befreundete Kunstschaffende ein, mit ihm ins jurassische Hinterland am Doubs zu reisen. Es handelt sich also nicht um eine kuratierte Themen-Ausstellung, sondern um eine Versammlung von Positionen.

Hinderling geht in seiner zentralen Arbeit von einem phonetischen Wortspiel um Sain und Saint (gesund und heilig) aus. Der Besucher ist eingeladen,  im Innenhof auf einer Bank  Platz zu nehmen und zu rudern und dies direkt vor einem grossen, steineren Kreuz. Mit dem Rudern treibt man einen Drehmechanismus an, der hinter einem Wasser in einem Bassin in Bewegung versetzt. Stichworte wie Energie-gewinnung, Wasserknappheit, Ehrfurcht, Kraft, Körper und vieles mehr tauchen auf. Es ist eine gute, mehrschichtige Arbeit – mit dem Makel, dass sie formal, farblich, materiell zu wenig mit der Umgebung spielt.

Mit „heiligem“ Wasser hat auch der übereinander angelegte, dreiteilige „Altar“ von Pat Noser zu tun. Er zeigt in einer „Symphonie in Blau“  zuunterst unsere Konsumebene, darüber – dem holbeinschen “Christus“ nachempfunden –  eine ältere, nackte Frau in liegender Pose, dem sich von oben in „chinesischen“ Wirbeln weiss-blaue Wasser- Schaumkronen nähern.  Obwohl auch hier reiche Assoziationen möglich sind, wird man den Eindruck nicht ganz los, das monumentale Bild würde losgelöst von der musealen Umgebung eindrücklicher wirken.

Sich des Dilemmas bewusst, suchte der Thuner Dominik Stauch formal grösst-mögliche Distanz und zugleich über die angewandte Technik der Hinterglasmalerei die kunstgeschichtliche Nähe zu alten Kirchen.  Er zeigt drei grossformatige Gläser mit  rot-grünen, architekturnahen Pigment-Flächen, die sich zunächst gegen alles zu wehren scheinen, schliesslich aber in ihrer „Neutralität“ überzeugen.

Auf der anderen Seite des künstlerischen Spektrums spielt die Bielerin Mirjam Gottier. Dem Körper nachgeformte Gips-Tücher ohne Inhalt suggerieren eine einstige Anwesenheit von Nonnen. Ihrem Nichtdasein widerspricht indes der Werkstatt-Charakter der Installation, denn ganz offensichtlich ist man in einer Souvenir-Produktionsstätte und man fragt sich mit bangem Gefühl, was sich denn hier von was entleert hat. Ihre Arbeit integriert die Geschichte des Ortes vielleicht am träfsten, auch wenn es einst Männer waren, die hier beteten.

Barni Kiener hat im Kreuzgang „Falttische“ aufgestellt, welche die verwinkelte Architektur aufnehmen und eine Reihe seiner typischen „Steinflieger“ tragen. Seine „Propeller-Köpfe“ verkörpern die Thematik eines Ortes zwischen Geist und Materie schon immer. Philippe Queloz schliesslich zeigt über vier Video-Stationen einen rollenden Golf-Ball; als würde die Zeit in einem Kontinuum auf- und wegtauchen.

Bereits Vergangenheit ist die Performance von Norbert Klassen, der einem faszinierenden Exercitium gleich eine Vielzahl von Gegenständen je 15 Sekunden auf seinem kahlen Haupt balancierte.

Info:  Bis 26. Juli. St. Ursanne erreicht man mit dem Zug via Delémont. Offen: täglich von 10 – 12 und 14 – 18 Uhr.

Bildlegenden:
 „SainT 2009“ von Philippe Hinderling. 
Ohne Titel, 180 x 360 cm von Pat Noser
Bilder: azw