Lisa Hoever Galerie Silvia Steiner Biel 2009

Die Lebendigkeit des stillen Lebens

 www.annelisezwez. ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 14. November 2009

Die Berner Malerin Lisa Hoever malt Stillleben. Seit dem 17. Jahrhundert ist das eine Gattung der Kunst. Dem Vergänglichen zugetan, ist sie gleichwohl lebendig. Die Ausstellung bei Silvia Steiner zeigt es.

Wer sich im Kunstbetrieb umschaut, stellt zur Zeit verwundert fest, dass die uralte Gattung des Stilllebens eine Art Revival erlebt, aktuell in so renommierten Galerien wie Caratsch und Bischofberger in Zürich, letztes Jahr in den Kunstmuseen Basel und – mit Bildern von Lisa Hoever – in Winterthur. Es sind allerdings weniger die Maler, welche die Gattung wieder-entdeckt haben, sondern die Kuratoren, welche Werke von Künstlern und Künstlerinnen ins Licht rücken, die sich diesem Genre schon seit langem widmen.

Generalisierend kann man sagen, Lisa Hoever habe nie etwas anderes gemalt als Stillleben. „Teller mit Pflaumen“ heisst eine Arbeit von 1984. Das war unüblich für eine Absolventin der Kunstakademie Düsseldorf (1972-1978). Was ist so faszinierend daran? Ulrich Loock, mit welchem die in Deutschland aufgewachsene Künstlerin vor 21 Jahren nach Bern kam, schreibt im Katalog zur Winterthurer Ausstellung von 2008, es gehe um „die Herstellung einer spezifischen Realität des Bildes, die an der Realität von sichtbaren Dingen bemessen ist“. Was heisst das? Wohl nichts anderes als dass die Realität der Dinge – in diesem Fall von getrockneten Blumenständen und buschigen Zweigen – durch die Malerei eine neue Realität als Bild erhalten soll, aber nicht abstrahierend, sondern das, was die abgebildete Natur zeigt und ausstrahlt, spiegelnd.

Das erklärt wie von selbst, warum Lisa Hoever betont, eine Foto könne ihr nicht Vorlage sein, sie müsse die Zweige – zuweilen auch Papierbänder, Gläser, Tabletts, Postkarten – unmittelbar vor sich haben, um sie in Bilder zu verwandeln. Nicht weil die Foto flach ist und ihr Räumlichkeit wichtig wäre, nein, um Illusionistisches geht es nicht. Aber: „Ich muss doch einfach von allen Seiten schauen können“, sagt sie. Vielleicht ist es wie der Unterschied zwischen einem Telefongespräch und einer physischen Zwiesprache mit einem anderen Menschen. Es geht darum, sich des Vis-à-Vis gleichsam körperlich zu vergewissern, um ihm gerecht zu werden. Respekt, Ehrfurcht, vielleicht sogar Liebe klingt an.

Andererseits ist Lisa Hoever eine durch und durch zeitgenössische Künstlerin – ihre Arbeit als Dozentin an der Hochschule der Künste in Bern fordert sie diesbezüglich heraus. Also huldigt auch ihre Malerei nicht einseitig einer romantischen Vorstellung von Stillleben als Memento mori, als Vergegenwärtigung der Vergänglichkeit der Dinge. Da schwingt auch sehr bewusst mit, was Malerei beinhalten muss, um jene magische Stellung „Zwischen den Dingen“  – so der Titel der letztjährigen Ausstellung in Winterthur – zu erreichen. Da ist  zum Beispiel das Phänomen der Spiegelung, das sowohl räumlich wie farblich ein Hier und ein Dort suggeriert respektive zum Audruck bringt. Oder die Künstlerin lässt – speziell im Aquarell – in einer Gitterstruktur eine hellere und eine dunklere Farbe ineinander fliessen, um dadurch eine Licht-Durchlässigkeit zu evozieren. Oder sie betont in den Ölbildern durch die Anordnung der Hortensien, Kosmeen, Hagebuttenzweige und mehr eine Bewegung, welche die Bildränder in Frage stellt. Unserer Links-Rechts-Lesegewohnheit setzt sie zum Beispiel gerne einen Rechts-Links-Verlauf entgegen.

Nicht die Üppigkeit inspiriert sie – Lisa Hoever ist keine Blumenmalerin; sie wählt viel mehr das Fingrige, das den Raum organisiert. Dass sich dies zunächst in hohem Mass in ihrer Vorstellung abspielt, zeigt sich daran, dass die „Mitspieler“, wie Hoever die Dinge nennt, vielfach über Jahre hinweg dieselben sind, einfach in immer wieder in neuen Konstellationen respektive Ausschnitten.

Die Ausstellung bei Silvia Steiner gibt einen gültigen Einblick in das aktuelle Schaffen von Lisa Hoever. „Ich liebe es mit Einzelausstellungen das Werk einer Künstlerin wirklich zeigen zu können“, sagt Silvia Steiner und spielt dabei unter anderem auf die in den Grossstädten immer kleiner werdenden Galerien an. Allerdings fehlt auch bei Lisa Hoever ein Aspekt, die neuen Porträts, die in Winterthur für Aufsehen sorgten. Doch die Künstlerin meint: „Ich habe diesen Strang zwar weiter verfolgt, bin aber noch nicht ganz glücklich damit, vielleicht weil ich da mit Fotos arbeiten muss und das, wie bereits erwähnt, nicht liebe.“ So zeigen die sehr schön präsentierten Werke zwar die vertraute „Lisa Hoever“, aber das schmälert die Qualität in keiner Weise.

Bis 19. Dezember 2009. Mi, Do, Fr 14 – 18, Sa 14 – 17 Uhr, So (nur 15. Nov.) 14 – 17 Uhr. Apéro: So 29. Nov. 11 – 13 Uhr.

Lisa Hoever

1952  29. März, Geburt in Münster (Westfalen)

1972-78 Studium Kunstakademie Düsseldorf, Meisterschülerin bei Alfonso Hüppi

Ab 1979 Zahlreiche Einzelausstellungen in Deutschland und der Schweiz (u.a. in der Galerie Friedrich in Bern/Basel und der Galerie Elisabeth Staffelbach in Aarau/Zürich)

1988 Umzug nach Bern, Geburt von Jakob

1991 Geburt von Johanna

Seit 2003 Dozentin an der Hochschule der Künste in Bern

2008 Museums-Ausstellung in Winterthur und Buchpublikation (Binding Séléction d’Artistes)