Stéphane Zaech im Centre PasquArt in Biel 2009

Interview mit Kuratorin Caroline Nicod

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez im Bieler Tagblatt vom 26. Februar 2009

Malerei als Ort der Freiheit für Fantasmen

Die Ausstellung von Stéphane Zaech im Museum Pasquart gibt zu reden. Die einen sind fasziniert, die anderen entrüstet, aber (fast) alle loben die Malerei. Ein Gespräch mit Kuratorin Caroline Nicod.

Stéphane Zaechs wie ein Motor von Bild zu Bild wiederkehrende „recherche de la femme idéale“ sind „so provokativ wie seinerzeit die monochrom-grauen Leinwände von Fabrice Gygi an denselben Museumswänden“, sagt Jean-Pierre Bechtel. Für ihn hätten diese verdrehten Frauen überhaupt nichts Erotisches, meint Rudolf Steiner. Die Intensität mit der Zaech Malerei hinlege, sei doch faszinierend, meint hingegen Noémi Sandmeier. Die feministische Generation montiert: „Das mit den in jeder Pose zur Verfügung stehenden nackten Frauen und den angezogenen Männern, sei nun wirklich passé“. Wie könne man nur den Humor dieser Bilder übersehen, wird sie gekontert. Die seit langem erste Ausstellung mit figurativer Vollblut-Malerei eines jüngeren Schweizer Künstlers im Pasquart gibt zu reden. Caroline Nicod hat den 42-Jährigen aus Überzeugung nach Biel eingeladen:

Sie kuratieren als Wissenschaftliche Assistentin der Direktion eine Ausstellung pro Jahr im Museum Pasquart. 2008 zeigten Sie Video-Arbeiten von Emmanuelle Antille, jetzt das „barocke“ Malerei-Fest des ebenfalls aus Lausanne stammenden Stéphane Zaech. Was fasziniert Sie an ihm?

In den letzten Jahren mussten sich Künstler, die malten, vielfach verteidigen. Stéphane Zaechs Malerei jedoch zeigt diesbezüglich eine Freiheit, die keine Rücksicht nimmt und ein Werk präsentiert, das ungewöhnlich dicht ist, was in einer Zeit der schnellen Bilder geradezu eine Gegenposition bedeutet. Es fasziniert mich, dass man mehrfach hinschauen muss.

Im Gegensatz zu Antille ist Stéphane Zaech, zumindest in der Deutschschweiz, ein unbekannter Künstler. Ist er bedeutend genug, um von Biel auf den Schild gehoben zu werden?

So ganz unbekannt ist er in der Region nicht mehr; 2007 war er in „A Fantasy for the moment“ in der Kunsthalle Bern vertreten und 2008 gab es in der Galerie „bis heute“ eine Einzelausstellung. Es scheint mir typisch, dass ein Künstler, der mit stilistischen Appropriationen arbeitet, länger braucht, um sich zu entwickeln. Doch jetzt scheint mir der Zeitpunkt gekommen, um aufzuzeigen, dass es sich hier um einen zeitgenössischen Maler handelt.

Trotz der offensichtlichen Bezüge zu Picasso, zu Velasquez, zu Goya, zur klassischen japanischen Malerei usw. ein zeitgenössischer Künstler?

Seine Malerei hat etwas Klassisches, kann aber gleichzeitig nur heute so sein. Ich meine damit die Freiheit, alles mit allem zu verbinden, und zwar ohne dabei postmodernistisch zu zitieren. Er verleibt sich die Kunstgeschichte förmlich ein und schafft daraus seine Visionen.

Wie bewusst geht er dabei vor?

Ich glaube, dass er sehr intuitiv vorgeht. Der Pinsel reagiert quasi im Malprozess auf seine assoziativen, visuellen Erinnerungen. Dabei integriert er aber durchaus auch Alltägliches. Da gibt es zum Beispiel eine Mandarine auf dem Oberschenkel einer Figur oder die Landschaft im Bild, das an Manets „Déjeuner sur l’herbe“ erinnert, entpuppt sich als Blick auf den Lac Léman.

Es fällt auf, dass – auch im Katalog – viel von Malerei, von Kunstgeschichte die Rede ist, die offensichtliche Triebfeder, jene der männlichen Projektion sexueller Wünsche auf den Körper der Frau aber praktisch nicht. Warum das?

Sicher gibt es sexuelle Momente im Werk von Stéphane Zaech, vor allem in den 56 Werken aus der Serie „La vie de Van“, die das Thema „Der Maler und sein Modell“ behandeln und sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung ziehen. Doch während man Van (eine Kombination von Velasquez, Van Gogh und Nabokov) an seinen Attributen erkennt, scheint mir die Frau nicht eigentlich ein menschliches Wesen zu sein, sondern ein Bild, das für Malerei an sich steht; mit aller Freiheit der Verwandlung und natürlich auch der Fantasmen, die das mit beinhaltet.

Das schliesst aber nicht aus, dass mit der Identifikation der betrachtenden Frau mit der gemalten Frau, sich die Torturen, denen die weiblichen Modelle im Malprozess ausgesetzt sind, auf die  Wahrnehmung übertragen. Männer reagieren sicher anders als Frauen.

Es ist richtig, dass verschiedene Emotionen möglich sind, aber man darf den Aspekt des Humors nicht beiseite lassen. Da viele dieser Frauen sich auf bestehende Bilder beziehen, zum Teil Zitate sind – ich denke da an Deformationen wie man sie von Picasso, an „Verflüssigungen“ wie man sie von Dali kennt – so ist da sicher auch ein belustigendes Moment. Es gilt ja auch die Maskeraden von Van zu sehen.  Und einige Bilder lassen an die „Piéta“ mit umgekehrten Vorzeichen denken, also nicht Maria mit dem liegenden Jesus auf dem Schoss, sondern der Maler mit dem Bild der Frau.

Ihre Antworten zeigen, dass Sie sich intensiv mit dem Werk von Stéphane Zaech auseinandergesetzt haben. Warum profitieren wir nicht davon in Form eines Beitrages im Katalog?

Die Publikation war bereits kurz vor dem Abschluss als wir den Künstler nach Biel einluden, ist daher eher Begleitbuch als Katalog – die Abbildungen entsprechen auch nur teilweise der Ausstellung. Doch es war eine Chance für uns, sie in unser Projekt einzubeziehen. Ich hoffe aber natürlich, dass meine Erkenntnisse später einmal als Text veröffentlicht werden können.

Info: Bis 29. März. Gäste: Michael Ashcroft, Elisabeth Llach, Virginie Morillo. So, 1. März, 14 Uhr Führung mit Caroline Nicod u. Stéphane Zaech (fr). Kat. (fr/e): „Loyola“, Sammlung art&fiction, Niggli Verlag Zürich,  Autoren: Philippe Pirotte, Florence Grivel.  48 Franken.

Caroline Nicod
Geboren 1970 in Lausanne
1990-1996 Phil. I – Studium an der Universität Lausanne. Abschluss als Kunsthistorikerin.
1998-2003 Konservatorin am Kunstmuseum in Lausanne
Seit 2004 Wissenschaftliche Assistentin der Direktion am Museum Pasquart in Biel.
Texte: u.a. „Quand l’artiste dort“ im Kat. zur Ausstellung „Schlaf“, Lausanne, 1999; „Etats des Lieux“, zu „Leiko Ikemura“, Lausanne, 2001; „Rigeur et déviance“, zu Anne Blanchet, Langenthal, 2003.
Autorin resp. Co-Autorin in Katalogen des Museums Pasquart, u.a. Carola Bürgi, Emmanuelle Antille, „Helden“, „Branding“, „Surréalités“, „Aurum“. 
Seit 2004 Stiftungsrätin der Abbatiale de Bellelay; Kuratorin der Ausstellungen Philippe Fretz, Chantal Michel.
2008 Geburt der Tochter Alice.
Lebt in Partnerschaft in Biel.

Bildlegende:

Caroline Nicod vor Werken von Stéphane Zaech in der von ihr kuratierten Ausstellung im Museum Pasquart.                    Bild: azw