Hélène Joye-Cagnard_Catherine Kohler zeichnen neu als Co-Kuratorinnen

Ausstellungen in Pruntrut, Biel und Solothurn

:!!FILE] www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 13. Februar 2010


Die Bieler Kunsthistorikerinnen Hélène Joye-Cagnard und Catherine Kohler, Co-Direktorinnen der Bieler Fototage, realisieren 2010 als Vollamt-Kuratorinnen zahlreichen Ausstellungen in der weiteren Region.

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Das „Comitée“ der Bieler Fototage hatte eine glückliche Hand als es 2007 die sich erstmals als Team präsentierenden Bieler Kunsthistorikerinnen Hélène Joye-Cagnard und Catherine Kohler zum Leitungs-Duo der Bieler Fototage wählte. Denn die in Neuchâtel respektive Genf ausgebildeten Kunstwissenschafterinnen haben nicht nur die Fototage erfolgreich weitergeführt; die beiden verstehen und ergänzen sich so gut, dass sie es 2009 wagten, ihre zusätzlichen Brotjobs als Mitarbeiterin im Centre Pasquart respektive als Buchhändlerin im Antiquariat Thierstein aufzugeben, um sich fortan als freie Co-Kuratorinnen vollamtlich der Konzeption und Realisation von Kunstausstellungen zu widmen.

Nicht weniger als sechs kleinere und grössere  Ausstellungen stehen bis Herbst 2010 an. Die Fototage mit ihren zweimal 40%-Pensen bilden das Rückgrat, doch Joye/Kohler zeichnen heuer auch, stellvertretend für Philippe Queloz, für das Halbjahres-Programm der „Halles“ in Pruntrut. Seit mehr als 10 Jahren ist die „Kunsthalle“ Pruntrut die wohl wichtigste Plattform für zeitgenössische Kunst im Kanton Jura.

Bis 14. März läuft hier bereits die erste von Joye/Kohler kuratierte Ausstellung. Sie trägt den Titel „L’accumulation primitive“ und umfasst digitale, plastische, performative sowie akustische  Arbeiten, die sich auf das Kompilieren von Informationen konzentrieren. Technologie und Anhäufung von Inhalten jeglicher Art bestimme unser Leben massgeblich und finde dementsprechendes Echo in der Kunst, begründen Joye/Kohler die Thematik. Spiritus rector der Gruppenausstellung ist dabei der in urbanen respektive architektonischen Feldern agierende Genfer Künstler/Architekt Michael Hofer, der Bilder historischer Stätten mit zeitgenössischem Empfinden kombiniert. Hofer ist in Biel kein Unbekannter, lud ihn doch Hélène Cagnard, damals Assistentin von Andreas Meier, 2001 zu ihrer ersten im Centre Pasquart  in Eigenregie realisierten Ausstellung. So schliesst sich der Kreis.

In weiteren Ausstellungen in Pruntrut zeigt das Duo raumbezogene Werke des in Bern lebenden Genfers Vincent Chablais (geb. 1962) sowie des  Deutschschweizers Robert Estermann (geb. 1970).

Mit besonderer Lust haben Joye/Cagnard den Auftrag der Bieler „Association Présence“ angenommen, in der „Eglise Pasquart“ eine Ausstellung zum Themenzyklus „Traversées de déserts“ zu konzipieren. Nicht nur des vielseitig interpretierbaren Themas wegen, sondern auch weil sich  ihnen damit die Gelegenheit bietet, mit Kunstschaffenden aus dem Seeland zusammenzuarbeiten. Man darf gespannt sein, wie Jeanne Chevalier, Carla Etter, Christoph Frautschi, Jerry Haenggli, Verena Lafargue/Sandra D. Sutter, Daniel Zimmermann und andere das zwischen psychischer Befindlichkeit, Spiritualität und globaler Reisefreudigkeit oszillierende Thema interpretieren werden (ab 28. Februar).

Wenn auch das Wüsten-Thema vorgegeben war, so stellt sich doch die Frage, ob inhaltsbetonte Ausstellungen quasi das Label des Kuratorinnen-Duos sind, denn auch die neben den Fototagen wichtigste Ausstellung von 2010 im Kunstmuseum Solothurn umkreist unter dem Titel „Distant Memory“ klar ein thematisches Feld. „Wir möchten offen für alle Möglichkeiten sein“, sagen die beiden dazu, geben aber gerne zu, dass ein Thema zu finden, das gleichermassen der Gesellschaft wie auch den im Heute Kunst Schaffenden unter den Nägeln brenne, eine ganz besondere Herausforderung sei. Zu den Fototagen 2010 wollen sich die beiden noch nicht äussern, Möglichkeiten kreisten im Kopf, sagen sie, doch nun müssten sie zuerst ein Gesicht erhalten. Hiezu reisten die beiden just dieser Tage in die Bibliothek der Fotostiftung in Winterthur und arbeiteten sich durch die Dossiers der „ewz.séléction“ in Zürich – der jährlichen Plattform für aktuelle Fotografie.

„Distant Memory“, die Ausstellung, welche Joye/Kohler auf Einladung des Kunstvereins Solothurn erarbeitet, nimmt „Bezug auf die Erinnerung und die Distanz …zwischen Rohmaterial und fertigem Kunstwerk.“ Dabei geht es nicht nur um Persönliches, sondern sehr stark auch um die Anleihen, welche Kunstschaffende in der Kunstgeschichte, in den „Arts primitifs“, der Volkskunst und den Medien machen, um sie in heutigem Kleid neu in unsere Zeit einzubringen. Ab 5. Juni mit dabei sein werden sowohl Künstler und Künstlerinnen aus dem Kanton Solothurn wie darüber hinaus. Als eine Art „Bieler Brand“  wird sichtbar, wie selbstverständlich es für das (fast) bilingue Kuratorinnen-Duo ist, Kunst aus der Romandie und Projekte aus der Deutschschweiz miteinander zu verbinden. So findet man unter den Eingeladenen ebenso den Walliser Valentin Carron, den Genfer Didier Rittener wie die in Basel lebende Solothurnerin Lex Vögtli, den in Bern lebenden Oltner Omar Alessandro, das Ostschweizer Duo Germann/Lorenzini und andere mehr.

 

Bildlegende

Catherine Kohler und Hélène Joye-Cagnard:  Realisieren nicht mehr nur die Bieler Fototage als Co-Kuratorinnen gemeinsam, sondern zahlreiche weitere Ausstellungen.  Aufnahme: BT/Archiv

Catherine Kohler

Geboren 1976, aufgewachsen im Kanton Jura.

Studium der Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin (2000-2001) und der Universität Neuenburg (Lizentiat 2004).

2002-2009 Mitarbeiterin am Centre Pasquart.

Ab 2005 an mehreren Ausstellungsprojekten und -publikationen im Kunsthaus Pasquart beteiligt (u.a. „“Helden heute“ und „Gian Pedretti“). 

Seit 2007 Co-Direktorin der Bieler Fototage.

Mutter einer dreijährigen Tochter.

Hélène Joye-Cagnard

Geboren 1967, aufgewachsen im Kanton Wallis.

Studium der Kunstgeschichte in Genf (Lizentiat 1994).

1998-2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin respektive Vizedirektorin des Kunsthaus Pasquart.

Ausstellungsprojekte und –publikationen in Eigenregie oder im Team u.a. Genève Aller-Retour (Austausch Biel-Genf, 1997/98), Marie José Burki (Pasquart, 2001), Weibel/ Schropp/ Höppner (Pasquart, 2002) „Hier und Jetzt“ (Klingental Basel, 2005, „Pigeon vole“ (Stiftung Robert, 2006).

Seit 2007 Co-Direktorin der Bieler Fototage

Verheiratet mit dem Historiker Frédéric Joye.

                                                                                                                                    (azw)