Jürg Häusler Art Etage Biel 2010

Das Atelier als Labor

 www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 8. November 2010

Die Art-Etage im Pasquart-Annex zeigt Werke von Jürg Häusler. Der Maler und Plastiker ist seit 28 Jahren Lehrer an der Schule für Gestaltung in Biel. Wichtig ist ihm die Sprache der Materialien.

Es gibt Ausstellungen, die rundum stimmen. Weil die Qualität der Werke überzeugt, der Bezug zu Galerie und Ort stimmig und der Zeitpunkt gut gewählt ist. All das trifft auf die aktuelle Ausstellung von Jürg Häusler in der Art Etage zu. Die sich zwischen Malerei und Collage bewegenden Bilder, die mit Eisen, Kunststoff, Blei, Messing und mehr konstruierten Plastiken bilden ein anregendes, niemals schwergewichtiges Ganzes an der Aussengrenze zur Ungegenständlichkeit.

Hiezu gesellt sich der Bezug der Galeristin Noémi Sandmeier als einstiger Schülerin von Jürg Häusler an der Schule für Gestaltung in Biel und jener des Galeristen Alfred Maurer und dem Künstler im Lehrkörper der Schule.

Damit nicht genug: Der als „Basler“ geltende Häusler ist durch und durch ein Bieler; hier aufgewachsen, Absolvent der Kunstgewerbeschule Biel, einst Bühnenmaler am Theater und seit 28 Jahren hier in Teilzeit dreidimensionales Gestalten unterrichtend.

Last but not least ist die Ausstellung auch Zäsur, denn 2011 wird der 1946 Geborene Abschied von der Schule nehmen.

Als das Theater in Biel 1971 in der Krise steckte, wechselte Häusler an die Komödie Basel und beschloss daselbst 1974, ganz auf die Karte Kunst zu setzen. Die 70er waren fruchtbare Jahre für die Kunst in der Schweiz. Was der zuvor in Berlin und Hamburg zum Bildhauer Ausgebildete von der Bühne mitnahm, war der Sinn für Interaktionen verschiedener Elemente. Wenn er heute eine von hinten mit farbigen „Klecksen“ bemalte Folie auf einen Karton klebt und eine mit dem „Oberfräser“ reliefierte und bemalte Plexiplatte darüber legt, so ist das bis in die Gegenwart spürbar. Überregional bekannt wurde Häusler jedoch primär als Eisenplastiker, insbesondere durch die Teilnahme an zahlreichen Freilichtausstellungen, zum Beispiel in Bex (VD). Das sei immer eine Verkürzung gewesen, sagt er, zwei- und dreidimensionales Gestalten inklusive Druckgrafik hätten sich immer verschränkt. So wie in der aktuellen Ausstellung in der Art-Etage.

Was als roter Faden alles durchzieht, ist unter anderem Häuslers Liebe zum Material. Das kann eine Metallstab sein, den er mit Kunststoff überzieht, modelliert und mit muschelweisser Farbe in ein fahles Licht taucht. Es kann aber auch eine mit einem Hartgummi-Stempel gesetzte  Schraffur in Ölfarbe sein, die von einer trockenen Wandtafel-Lack-Schicht förmlich aufgesaugt wird und so ein feinstes Relief bewirkt. Der Tüftler, der von sich sagt, er sei ein „Chrampfer“ und manchmal „en verbissene Siech“, hat sich eine persönliche Material-Sprache angeeignet, die fasziniert.

Führt eine Diskussion über technische Aspekte zuweilen ins Offside im Vergleich zum künstlerischen Inhalt, so weist sie bei Häusler direkt ins Zentrum, denn dem unergründlichen Prozess der Entstehung entspricht das nie ganz Ausformulierte auf der Ebene des Visuellen. Bilden diese zwei geschwungenen Linien wirklich ein Frauenbein und die Säule in der Mitte das Rückgrat? (Bild) Was soll die schwarze Spinne? Ist die „Seerose“ nicht eher ein Vogel-Vieh, das durch die Nacht fliegt? Der Künstler setzt Titel, aber definieren mag er nicht. Kunst, die alles sage, sei langweilig, meint er.

Dieses zugleich experimentelle wie empirische Vorgehen schlägt auch den Bogen zum Charakter seines Unterrichts am Vorkurs der Schule. So wie Noémi Sandmeier erinnern sich Hunderte an die Aufforderung des Lehrers, die Materialien, die zur Verfügung stünden, auszuloten. Da sei eine Maschine, die schneide, eine die fräse und eine dritte, die schleife, und nun los, hat die Galeristin ihn im Ohr. Häusler lacht und sagt, die Maschinen seien nie wichtig gewesen, aber für viele Mädchen sei das offenbar neu und darum faszinierend gewesen.

Zu den Ausstellungen in der Art-Etage gehört stets dazu, dass die eingeladenen Künstler ihrerseits einen Gast mitbringen. Im Fall von Jürg Häusler ist das Rolf Brunner, ein Maler, der seit den 1950er-Jahren zur Basler Kunstszene gehört. Sein wichtigstes Thema war stets der Kopf und auch die drei Bilder in Biel tragen den Titel „Portrait anonyme“. Auch bei Häusler gibt es angedeutete Kopf-Silhouetten und eine gewisse Verwandtschaft ist ersichtlich. Dennoch wird schnell klar: Brunner ist Maler, sein Expressionismus knüpft bei der Kunstgeschichte an, während Häuslers Wurzeln den Aufbruch zu neuen, vielfach ungeschönten Kunstmaterialien in den 1960er/70er-Jahren und zur Figuration der 1980er-Jahre mit einschliessen.

Info: Bis 20. November 2010. Mi-Fr 14-18 Uhr, Sa 11 – 18 Uhr.

 

 

Jürg Häusler

1946 in Olten geboren. Schulen in Biel.

1962-66 Ausbildung zum Werbegrafiker an der Kunstgewerbeschule Biel

1966-68 Ausbildung zum Bildhauer an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Berlin und Hamburg

1969-71 Theaterarbeit, Bühnenbild, am Städtebundtheater Biel, 1971-75 an der Komödie Basel.

Seit 1983 Dozent an der Schule für Gestaltung in Biel

Erste Ausstellung: 1967 in der Galerie Socrate in Biel

Wird lange von der Galerie Carzaniga+Ueker in Basel vertreten, heute von der Galerie Mäder. Letzte grosse Ausstellung: „Lege Artis“, Kunst im Amtsgericht, Freiburg i. Br.

Zahlreiche Projekte im öffentlichen Raum                                                (azw)

 

Bilder: azw