5 Jahre Lokal-int der Katalog 9_2011

Das Füllhorn ausschütten….

www.annelisezwez.ch              Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 17. September 2011

Unglaublich: Das Lokal-Int. feiert bereits Jubiläum. Vor fünf Jahren startete Chri Frautschi an der Untergasse. Jetzt ist der Katalog da: 255 Veranstaltungen in 13 Copy-Zines.

„Wenn einer so viel Engagement zeigt und fünf Jahre durchhält, dann ist das zu feiern“, sagt Monsignore Dies. Darum lud er den Initianten und Betreiber des „Lokal-int“, den Bieler Künstler Chri Frautschi, ein, im Espace libre aufzuzeigen, was in diesen fünf Jahren über die Bühne ging. Frautschi antwortete mit einem „Katalog“, mit 13 im Billig-Stil von Copy-Zines gedruckten Broschüren, in denen alle 255 – zweihundertfünfundfünfzig! – Veranstaltungen auf je einer Seite präsentiert sind. Mit vielen kleinen schwarz-weissen Bildern von Kunst und Menschen: Kleines an der Wand, Grosses im Raum, Besucher und Besucherinnen im Gespräch, Musiker am Schlagzeug oder am Keybord, Schriftsteller mit Büchern und andere Aktionisten mehr. An Text ist vorhanden was es minimal braucht, um die Zusammenhänge zu begreifen.

Besonders originell ist die ausstellungsmässige Aufbereitung des Kataloges im „Aufbahrungsraum-Espace libre“ nicht. Die sechs bis sieben A5-Doppelseiten pro Broschüre sind in Streifen auf den Boden geklebt. Wie eine Art Film läuft das Programm von links nach rechts und von hinten nach vorne. Erkennen kann man nichts (ausser man hat Sperberaugen),  sehr wohl realisieren kann man aber die Kadenz der Aktivitäten; gut 50 pro Jahr! Fürs Lesen und Betrachten muss man sich an den Tisch setzen und blättern.  Das lohnt sich.  Ergänzt wird die Ausstellung von einer animierten Schau der Katalogbilder sowie einem PR-Video mit ernsthaften und schrägen, minimalen und etwas ausführlicheren Clips von Bielerinnen und Bielern zum „Lokal-int“. Verkürzt heisst es da unisono: „Das Lokal? – Klar, der Ort wo man sich jeden Donnerstag trifft.“ Kritische Stimmen: Keine.  Vermutlich weil jene, die noch so gerne wettern würden, das Lokal gar nicht kennen.

Eigentlich bräuchte es den Katalog nicht, denn auf der Homepage des Off-Space ist dasselbe Material auch einsichtig. Aber es ist ein Phänomen, dass das niemandem auszureichen scheint. In den Händen halten ist mehr als am Bildschirm sehen, zumindest in den Augen der heute erwachsenen Generationen. Morgen wird es vielleicht anders sein.

Dennoch macht die Ausstellung Sinn: Sie zeigt auf, dass der von der Visarte Biel-Bienne betriebene Espace libre und das auf Privatinitiative, aber mit Unterstützung der Stadt, des Migros-Kulturprozentes, des Bundesamtes für Kultur etc. auf niedrigstem (und alle Jahre unsicheren) Budget-Niveau betriebene Lokal-int  auf dem Platz Biel nicht als Konkurrenten agieren, sondern immer wieder das Miteinander suchen. Beiden geht es um Biel als lebendige Kulturdrehscheibe, die sowohl den vor Ort tätigen Ton-, Bild-, Film-, Foto- und Objektkünstlern ein Fenster bietet wie Kunstschaffende von wo auch immer nach Biel holt. Die Liste der Künstler reicht  von An_Lili, Fredi Beckmans, Raffaella Chiara, Erik Dettwiler, Carla Etter, Sylvain Froidevaux, Claude Gigon… bis Gregor Wyder, René Zäch und Judita Zarzyoka. Jene der Literaten von  Reto Camenisch über Patrick Savoleinen bis Guy Zeltner. Und jene der Musiker von Alain Croubalian über Norbert Möslang bis  Margrit Rieben  und StrØhm (als Betreuer der „kopfhörer“-Reihe).

Was Chri Frautschi mit seinem Lokal-int. in den letzten fünf Jahren gelang, ist nicht selbstverständlich, denn Galerist ist Frautschi nicht, zu verdienen gibt es nichts; im Gegenteil, jeder und jede legt drauf. Das Rezept ist die nicht zu unterschätzende Fähigkeit Frautschis  weder Juror noch Kurator zu sein und doch einen Qualitätslevel zu halten, der zwar schwankt, aber nicht absackt. Und das wiederum erzeugt das richtige Schneeballprinzip, welches das Lokal-int. zum „Must“ in den Curriculum Vitae der jungen Schweizer Kunstschaffenden macht. Kompliment. Und Dank.

 

Info: Aufbahrungsraum – Espace libre, Centre Pasquart. Bis 30. Oktober. Mi – Fr 14 – 18 Uhr, Sa/So 11 – 18 Uhr.

 

Bildlegende:

 

Vier der dreizehn Broschüren, welche die Lokal-Zeit vom 1. April 2006 bis heute ausleuchten. Bild: azw