Erste „Cantonale Berne Jura“ – das Konzept 2011

Biel als Zentrum

 www.annelisezwez.ch       Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 7. Dezember 2011

In diesen Dezembertagen 2011 tritt erstmals eine Kantonale Kunstszene Bern/Jura in Erscheinung. Die Neukonzeption der „Weihnachtsausstellung“ in den Museen und Kunsthallen soll den Blick verändern.

Sie ist in allen Kantonen und Regionen in der Schweiz die bestbesuchte: Die „Weihnachtsausstellung“ mit Werken der lokalen Kunstszene. Allerdings hiess sie in den letzten Jahren nur noch in Biel so; andernorts wurde sie längst zur „Ernte“, zur „Auswahl“, zur „Jahresausstellung“.

Im Kanton Bern gab es bisher als schweizerische Exklusivität nicht nur eine, sondern alljährlich deren fünf; in den Museen von Biel, Thun, Moutier, Langenthal sowie der Kunsthalle Bern. Eine jüngere Direktorengeneration sorgte sich schon lange über diese museale Qualitätsansprüche bedrohende Struktur. Die inzwischen als Direktorin nach Luzern gewöhlte Fanni Fetzer trat letztes Jahr in Langenthal die Flucht nach vorne an und proklamierte: „Mitmachen kann wer will, wo immer er oder sie zuhause ist“. Auch in Biel haben schon Öffnungsversuche stattgefunden, allerdings nur um kurz darauf die Zulassungsbedingungen gleich wieder fest zu zurren. Museumspolitik und lokale Ansprüche sind bezüglich der Jahresendausstellungen ein heisses Eisen.

Entsprechend erhitzt liefen in den letzten anderthalb Jahren die insbesondere von Fanni Fetzer und ihrer Thuner Kollegin Helen Hirsch vorangetriebene Idee einer gesamtbernischen Jahresausstellung in Anlehnung an das Konzept der „Regionalen“ im Raum Basel/Mulhouse/Freiburg. Insbesondere in Biel war man von der Idee eines kantonalen, ja sogar den Kanton Jura miteinschliessenden Teilnehmerpotenzials keineswegs angetan. Und zwar nicht nur weil sich der hier als Veranstalterin auftretende Kunstverein dadurch vor logistische und finanzielle Probleme gestellt sieht, sondern weil die Kunstszene Biel sich als eigenständige Kraft versteht  und sich ungern konkurrenziert sieht. Lokale Künstler sprachen von der Gefahr einer „Entwurzelung“.

339 Bewerbungen

Allen  Disputen im Vorfeld zum Trotz: Die „Cantonale Berne Jura“ kam zustande und bricht für Biel gleich zwei Rekorde. Die grosse Frage, welche die je autonomen Juries der  acht veranstaltenden Institutionen im Vorfeld beschäftigte, war die zu erwartende Zahl an Bewerbungen aus dem ganzen Kanton Bern sowie dem Jura. Denn sie alle galt es zu prüfen, wobei den Kunstschaffenden die Möglichkeit gegeben war, sich für bestimmte Orte einzuschreiben oder mit „egal“ zu signalisieren, dass sie überall ausstellen möchten.  Und da gleich die erste Überraschung: Nicht wenige aus der Region Biel/Seeland notierten, dass sie nicht im Pasquart ausstellen wollten, was als Votum für die „Cantonale“ und gegen die Repetition der immer selben lokalen Einbindung gewertet werden darf. Die zweite Überraschung: Manchen gelang dieser Sprung in eine andere Region des Kantons, einigen sogar in zwei, was der gemäss Konzept maximalen Vertretung entspricht.

Insgesamt bewarben sich 339 Kunstschaffende um eine Teilnahme. Das ist deutlich weniger als erwartet (befürchtet). Zum Vergleich: In früheren Jahren präsentierten sich allein in Biel jeweils rund 120 Künstlerinnen und Künstler. Was für die Juries immer noch einen grossen Effort bedeutete, heisst aber auch klar: Die Skepsis blieb bestehen und viele bekannte Namen fehlen. Gepackt haben die Chance vor allem die Jungen. Aus der Region Biel/Seeland lagen rund 65 Dossiers vor. Dass 50% davon gewählt wurden, ist ein Rekord (gängig waren bisher 35 max. 45%). 

Die Jury des Kunstvereins Biel sah sich in einer ganz besonderen Situation. Es war immer schon bekannt, dass das Pasquart flächenmässig gross ist, doch nun wurde es zum „Gefäss“ für die weitaus meisten Kunstschaffenden. Konkret: Während in der Kunsthalle Bern 25 Künstlerinnen und Künstler mit dabei sind, kann man in Biel Werken von gut 60 begegnen. Das macht Biel als Standort attraktiv, für Hannah Külling als Bieler Kuratorin bedeutet es in diesen Tagen aber auch sehr viel Arbeit und für den Kunstverein finanziellen Aufwand; insbesondere weil durch das neue Konzept die Teilnahme nicht mehr an eine Mitgliedschaft im Verein geknüpft ist und ein Einheitseintritt von 15 Franken für alle sieben Institutionen zusammen deutlich weniger Einnahmen bringen wird.

Der Bieler Jury war es gemäss ihrem Bericht ein Anliegen, eine Wahl zu treffen, die eine stattliche Zahl von Kunstschaffenden mit Wohnsitz in der Region – möglichst solche mit überraschenden Vorschlägen – zeigt, wie auch Künstlerinnen und Künstler aus allen Zipfeln des Kantons und darüber hinaus die Brückenfunktion zum Jura wahr nimmt. Obwohl in der Dynamik eines Jurierungsprozesses oft nicht alles geplant werden kann, lässt sich die Bilanz sehen. Gut ein Drittel der Werke, die ab Samstag zu sehen sein werden, stammen aus der Region, zwei Drittel aus anderen Gegenden, wobei die Stadtregion Bern ein Schwergewicht bildet.

Die Vernissagen

Den Auftakt der Eröffnungen machen morgen Donnerstag (8. Dezember) die Kunsthalle Bern, die Stadtgalerie im Progr (beide ab 18 Uhr) und Marks Blond Project R.f.z.K. (23 Uhr in der „Cafete“ der Reitschule).

Das Kunsthaus Langenthal hat am Freitag, 9. Dezember 19 Uhr Vernissage.

Das Kunstmuseum Thun lädt auf Samstag, 10. Dezember, 17 Uhr zu Eröffnung und Fest, ebenso das Kunsthaus Interlaken. Auch das Centre Pasquart in Biel öffnet die Türen am Samstag um 17 Uhr, das Musée jurassien des Arts in Moutier um 18 Uhr.

 

Bildlegende:

In diesen Tagen werden im PasquArt Werke von 62 Kunstschaffenden in Szene gesetzt. Im Bild: Hannah Külling, Romana del Negro, Jerry Hänggli beim Hängen der Zeichnungen del Negros. Foto: azw