Vernissage-Ansprache für die „RETROPRESENTATIVE“ in der Kultur-Tankstelle in Döttingen am Freitag, 1. September 2017

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde

RETROPRESENTATIVE, die – wir haben es gehört ­– bildnerische und plastische Arbeiten von elf verstorbenen Kunstschaffenden, von denen in den letzten 10 Jahren Werke in der Kulturtankstelle Döttingen zu sehen waren, ist eine ausserordentliche Ausstellung. Ich meine dies weniger in Bezug auf die einzelnen ausgestellten Werke, obwohl es hier und dort kleine Chef d’oeuvres wieder zu entdecken gibt. Das „ausserordentlich“ gilt viel mehr dem Konzept der Ausstellung, dem ich in dieser Form nie zuvor begegnet bin.

Einerseits klingt darin die in den letzten Jahren deutlich intensivierte Auseinandersetzung mit Nachlässen von Kunstschaffenden an. Ruedi Neff und sein Team haben in den letzten Wochen hautnah erlebt wie verschieden Nachlass-Verwaltende mit ihnen anvertrautem oder, häufig, geerbtem Kunstgut umgehen. Den einen ist es Freude, Füllhorn stetiger Erinnerung, auch Motivation das geschaffene Werk lebendig zu erhalten. Man denke als berühmtes Beispiel an Felix Klee, der die Promotion des Werkes seines Vaters zum Inhalt seines Lebens machte. Oft ist die Verwaltung eines Nachlasses aber auch mit Belastung verbunden, denn die Beschäftigung damit erfordert Raum, Zeit und Geld und Galerien zeigen nur selten Interesse. Auch der Kunstmarkt ist gegenüber Nachlässen unbarmherzig; nicht immer sind verstorbene Kunstschaffende Picassos! Immerhin ist in den letzten Jahren Bewegung in die Problematik gekommen – wobei die erste, die das Thema, vor rund 20 Jahren, aktiv anging, die Berner Künstlerin Inga Vatter war. Sie gab ihrem Engagement mit der von ihr gegründeten Galerie Archivarte auch gleich eine Plattform. Ihr folgten wenige andere und dieser Tage erschien beim Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft ein Ratgeber zum Umgang mit Nachlässen.

Das ist aber nur ein kleiner, gleichsam übergeordneter Aspekt der Ausstellung hier in Döttingen. Ganz primär ist die Idee einer Hommage an die Kunstschaffenden, die – mit Ausnahme von Albert Siegenthaler und Enrico Mattioli – ihr Lebenswerk in den letzten 10 Jahren abgeschlossen haben, von dannen gingen und mir jetzt – wer weiss – aus einer anderen Dimension gespannt zuhören.

Als mich Gillian White im Frühjahr 2017 anrief und mir von der Idee zu dieser Ausstellung erzählte, haben wir miteinander gelacht. Denn tatsächlich habe ich die meisten – nicht ganz alle – der hier retrospektiv präsentierten Kunstschaffenden persönlich gekannt, seinerzeit über ihr Schaffen in den Aargauer Medien berichtet oder – im Fall von Maia Aeschbach und Gertrud Guyer, am Rand auch Martin Ruf – gar Texte zu den kürzlich erschienenen Büchern geschrieben.

Ganz so sehr Zufall ist das natürlich nicht, denn ich habe ab 1972 im Aargau über bildende Kunst geschrieben. Diese erlebte ja damals in der Folge der 1968er-Jahre eine unglaubliche Erweiterung. Anfänglich schrieb ich insbesondere für die damalige Wochenzeitung „Aargauer Kurier“, in welcher ich wöchentlich zwei Kulturseiten gestalten durfte und die mich, die ich erst durch Heirat Aargauerin geworden war, in den ganzen Kanton führte. Später schrieb ich dann vor allem für die vier Aargauer Tageszeitungen, die es damals gab: Das Aargauer Tagblatt, das Badener Tagblatt, das Aargauer Volksblatt und das Zofinger Tagblatt. Und so begegnete ich vielen der hier vertretenen Künstlerinnen und Künstlern hier und dort. Ebenso gut wie ich könnte hier an dieser Stelle Uli Däster stehen, der sich zeitlebens für die Kunst im Aargau eingesetzt hat. Leider gehört indes auch er zu jenen, die in den letzten Jahren gestorben sind. Das irdische Leben kennt ja bekanntlich einen klaren Anfang, aber kein uns im voraus bekanntes Ende.

Meine am weitesten zurückreichende Erinnerung ist vermutlich der Besuch im Atelier von Paul Agustoni anno 1974. Der Steinbildhauer mit Jahrgang 1934 war damals schon auf dem Höhepunkt seiner Karriere, gewann einen Wettbewerb für Kunst am Bau oder im öffentlichen Raum nach dem anderen. Meinen Text begann ich mit einigen Werktiteln: „Zueinander – füreinander – miteinander“, „Sich Einfügen“, „Teil eines Ganzen“. Damit konnte ich andeuten, was der Künstler in seinem Schaffen umsetzen wollte und ebenso warum so viele Menschen damals so positiv auf sein Schaffen reagierten. Auch ich habe insbesondere das warme Klima meines damaligen Besuches in Möhlin in Erinnerung und ich kann mich entsinnen, dass es in jede weitere Begegnung mit seinem Schaffen einfloss, auch wenn ich 1977 in einem Text den kritischen Einwand vorbrachte, die Plastiken mit Stein und Sisal – wie wir hier eine sehen – seien für mich nicht einfach Material-Kombinationen – das stellte er selbst als Motivation in den Vordergrund – sondern würden bei mir auch das Gefühl von „Eingeschnürt-Sein“ auslösen. Erst diese Woche wurde mir bewusst, dass ich damit recht hatte und er damit seine eigene Krise der 1980er-Jahre bereits unbewusst thematisierte. Er musste Freiraum gewinnen! Darum zerlegte er das Kompakte, das Gefügte der 1970er/80er-Jahre in Einzelteile, verfeinerte sie und kombinierte den Stein nun vor allem auch mit Eisenstäben, um eine leichtere, vermehrt zeichnerische Ausdrucksform entstehen zu lassen. Regional blieb Paul Agustoni damit bis zu seinem Tod 2012 ein wichtiger und ein beliebter Bildhauer. Dem steht aber die Tatsache gegenüber, dass er im Schweizerischen Künstlerlexikon trotz seiner bis heute grossen Präsenz im öffentlichen Raum nicht einmal mit einem eigenen Text vertreten ist. Offensichtlich gilt es da noch kunsthistorische Arbeit zu leisten.

Einen Hype erfuhr in den 1970er-Jahren auch das Werk von Martin Ruf. Seine mit der Könnerschaft eines gelernten Goldschmiedes gefertigten Zeichnungen mit poetischen, mit feinem Humor ins Surreale gleitenden Motiven waren bei Aargauer Kunstfreunden äusserst beliebt und die meisten Ausstellungen praktisch ausverkauft. Martin Ruf selbst hatte ein ambivalentes Verhältnis zu seinem eigenen Erfolg. Natürlich schmeichelte er, aber Profit-Denken war ihm fremd. Er hatte sein Auskommen als Zeichenlehrer an der Neuen Kantonsschule. Und so – ich erinnere mich gut – schenkte er sich zum 50sten Geburtstag, das war 1985, quasi das Ende der Zeichnungen und begann zu malen. Das war allerdings nicht so einfach – es gab viele gute Landschaftsmaler vor ihm – und ich weiss noch gut wie ich mich quälte beim Text zu seiner ersten grossen Präsentation von Bildern in der Galerie del Mese in Meisterschwanden.

Es war die Rückkehr zum Plastischen, das er bereits in den frühen 70ern aufgeben musste wegen einer Polyester-Vergiftung, die ihm ein wunderbares Spätwerk erlaubte, mit dem er wieder zu einem der Lieblinge der Aargauer Kunst wurde. Der offizielle Kunstbetrieb hat das allerdings nicht honoriert – es gab kaum Ausstellungen von Martin Ruf über die Kantonsgrenzen hinweg. Ihm war das egal – für ihn war die Kunst im wahrsten Sinne des Wortes Lebenselixier, denn grosse gesundheitliche Probleme warfen ihn immer wieder zurück, aber noch während wir um ihn bangten, war er schon wieder an der Arbeit und Neues entstand. Warnungen schlug er in den Wind; es war die Kunst, die ihn trug. 2011 starb Martin Ruf mit 76 Jahren. Die Auswahl, die wir hier sehen, rundet sein Schaffen sehr schön und das vor einigen Jahren erschienene Buch weitet es zum Ganzen, doch auch er ist – analog Paul Agustoni – im Schweizer Künstlerlexikon nicht mit einem Text vertreten.

Kennen gelernt habe ich Martin Ruf vermutlich 1976, als er – schöner Zufall für den heutigen Abend – zusammen mit Heinrich Gisler im Gluri-Suter-Huus in Wettingen ausstellte und ich für den bereits erwähnten Aargauer Kurier einen kleinen Text verfasste. Uli Däster hielt die Vernissage-Ansprache. Heinrich Gisler gehörte zu jener Gruppe von Aargauer Kunstschaffenden, die dank der Druck-und Verlagsanstalt Ringier nach Zofingen kam. Gisler arbeitete von 1945 bis zu seiner Pensionierung 1983 als Retoucheur bei Ringier. Seine Verwirklichung fand er aber stets in der freien Kunst, die er aus der Kombination von Konstruktion und Geste – einer Leitlinie der Kunst der 1950er-Jahre – entwickelte und die schon in den späteren 1950er-Jahren in eine dynamisch-konstruktive Form mündete wie sie sein ganzes Werk in immer neuen Kapiteln durchzieht. Es ist eigenartig – oder vielleicht auch gerade nicht – dass ich Heinrich Gisler als Figur mit den zwei lichter und langsam weiss werdendem, aber dennoch charakteristischen Haarbüscheln links und rechts in bleibender Erinnerung habe, aber gesprochen haben wir kaum miteinander. Er war nicht der laute Kommunikator, er war einfach da – eine Weihnachtsausstellung im Aargauer Kunsthaus ohne Werke von Heinrich Gisler…undenkbar.

Wichtig ist indes zu wissen – Uli Däster hat das mehrfach herausgeschält – dass für Gisler nicht primär das Formenspiel – wie etwa bei Kollege Willy Müller-Brittnau – zentral war, sondern die Parameter, die Zahlenrhythmen, die zu einer Komposition führten. Das hatte für ihn eine spirituelle Komponente und die war ihm wichtig. Gerade das war zweifellos auch der Grund, warum Beat Wismer 1988 die kleine Kabinett-Ausstellung im Rahmen der Jahresausstellung der Aargauer Künstlerinnen und Künstler zum Anlass nahm, einen kleinen Katalog herauszugeben, quasi eine kleine Kunsthaus-Ausstellung für ihn einzurichten, um seine Bedeutung endlich in einem grösseren Kontext aufzuzeigen. Die kleine Auswahl hier führt uns die Bandbreite seines Schaffens von 1963 bis zu den letzten Arbeiten von 2006 vor Augen – klein, aber fein. Berührt hat mich bei den späten Zeichnungen, dass der Hochbetagte im Bildgeviert noch immer die Gültigkeit findet, aber in der zittrigen Unterschrift quasi von der Zeit und dem Leben und dem baldigen Gehen berichtet.

Wann ich Albert Siegenthaler kennen gelernt habe, weiss ich nicht mehr, wohl nicht sehr früh, denn in meiner Erinnerung stehen Gillian White und Albert immer nebeneinander, wobei er steht, mit seiner ganzen Körperlichkeit da ist, Anteil nimmt, aber die Sprache dazu kommt in meiner Erinnerung von Gillian. Man darf das nicht falsch interpretieren; es hängt ganz wesentlich damit zusammen, dass der 1938 geborene Albert Siegenthaler bereits in den späten 1970er-Jahren gesundheitlich geschwächt war, was als emotional berührende Kehrseite zum Opus Magnum der beiden Kunstschaffenden, der grossen skulpturalen Installation „Paradise lost“, führte. Wir alle waren damals an der Schweizerischen Plastikausstellung in Biel, wo die Arbeit gezeigt wurde, sprachlos von der Intensität der Vereinigung von Form, Farbe und den inhaltlichen Schubkräften, die treppauf und treppab Himmel und Erde miteinander verbanden. Ich habe Albert Siegenthaler daraufhin noch mehrfach erlebt – so zum Beispiel in Lenzburg, wo die Galeristin Elisabeth Staffelbach 1982 die legendäre Freilichtausstellung „Natur und Kunst“ – an der ich mitbeteiligt war – durchführte und Albert Siegenthaler zwei sich gegenüberliegende durch einen Weg miteinander verbundene Tore aus Holz platzierte. Das ein- und ausgehen, hindurchgehen, das Erdhafte und das Luftige – das stand, insbesondere im Spätwerk im Zentrum. Die drei Arbeiten, die hier sind, weisen zum einen weit zurück in Alberts Pop Art-Zeit, in welcher er, zum Teil in Zusammenarbeit mit Willy Müller-Brittnau, Farbe und Form in Rundungen zum Schwingen brachte, zeigen ferner ein in Rot gehaltenes, vielteiliges Modell von 1971 – also auch noch im Bann der Pop Art und – berührend – ein „Himmelstor“ in Bronze von 1984, dem Jahr seines allzu frühen Todes.

Henri Ott und Magdalena Meister sind in der Ausstellung die Lokalen, an die sich die Menschen hier im Tal noch sehr gut erinnern können. Henri Ott habe ich einmal getroffen – in der vielleicht einzigen Ausstellung, die er zusammen mit seiner Frau Marlis realisierte, in der Galerie zum Elephanten in Zurzach, 1979. Im Mittelpunkt standen damals die Wandteppiche, welche Marlis Ott nach Entwürfen von Henri Ott realisierte. Gendermässig somit die erwartete Form von Zusammenarbeit in der damaligen Zeit. Man spürt in meinem Text, dass die Frauenfrage für mich immer wichtiger wird und ich entsprechend das gleichberechtigte Miteinander von Skizze und Materialumsetzung betone. Die hier gezeigten Werke heben die Malerei des in vielen Sparten tätig gewesenen Künstlers hervor, der zeitlebens der gegenständlich-traditionellen Malerei verbunden blieb. Noch heute relevant finde ich insbesondere das die Liebe zu Henri Matisse spiegelnde, malerisch dichte, hochformatige Stilleben, aber auch das Selbstporträt, das Ott, den Maler zeigt.

Magdalena Meister bin ich nie begegnet. Ihre Biographie scheint mir eine für das 20te Jahrhundert typische zu sein. Eine begabte Frau, die ihre Talente nur im Kleinen leben konnte und nie als Künstlerin wahrgenommen wird; auch weil sie das nicht forcierte. An ihrem Beispiel lässt sich auch die Schonungslosigkeit des Kunstmarktes ablesen, gibt es doch aktuell bei „tutti.ch“ ein Aquarell von Meister zu kaufen, für 20 Franken, mitsamt Rahmen wohlverstanden, und Versandkosten von 7 Franken.

An Stefan Link können sich wahrscheinlich nicht allzu viele erinnern. Zu früh ist er verstorben. Dass ich ihn in den 1990ern traf und 1999 für ihn und Nesa Gschwend eine Vernissageansprache im Müllerhaus in Lenzburg hielt, hängt mit der geographischen Nähe zusammen; wir wohnten am selben Ort. Im vorbereitenden Gespräch spürte ich, dass es Stefan Link letztlich immer darum ging, Bilder zu finden, die über sich selbst hinausweisen, d.h. es musste durch Reduktion ein Kipp-Moment stattfinden vom äusseren Bild in ein emotional erspürtes Bild, das ihn ausserhalb von Zeit und Ort an einen unbekannten Ort führte. Sehr wichtig war ihm dabei die Umsetzung mit Mal-Mitteln, die sich nicht darin erschöpften Farbe zu sein, sondern ihre ganze Kraft als Pigmente einbrachten. Er hatte noch viel im Sinn, doch das Schicksal wollte es anders. Eine Anmerkung muss hier noch der Website „kunstbreite.ch“ gelten. Hans Muggli hat mit viel Fleiss und Recherchierfreude ein kleines Lexikon der Aargauer Kunst zusammengestellt, das oft auch Kunstschaffende integriert, zu denen man im Netz sonst kaum etwas findet, zum Beispiel Stefan Link.

Silvio Mattioli respektive Enrico Mattioli habe ich nicht persönlich gekannt. Silvio Mattioli, geboren 1929, habe ich als einen der erstaunlich zahlreichen, wichtigen Eisenplastiker der Schweiz

wahrgenommen, zum Beispiel im Rahmen der legendären Ausstellung „Eisen 89“ in Dietikon. Dass er hier 2008 mit 80 Jahren ausstellte ist wohl der Möglichkeit geschuldet, zusammen mit seinem 1991 verstorbenen Sohn Enrico Mattioli Werke zeigen zu können. Der damals 36-jährige war in Paris unter zwielichtigen Umständen ums Leben gekommen, was den Vater – wie könnte es anders sein – in hohem Masse schmerzte, sicher auch weil er das künstlerische Potenzial seines Sohnes sah und wir hier nur bestätigen können. Der geschnitzte Holz-Kopf und das gemalte Porträt – wohl beides schonungslose Selbstbildnisse – sind für mich die Überraschung dieser Ausstellung, weil ich sie zuvor nicht kannte. Sie atmen den Zeitgeist des Expressionismus der 1980er-Jahre, sind aber nicht einfach „wild“, sondern gefasst und verdichtet und so näher am Expressionismus des frühen 20. Jahrhunderts.

Maja Aeschbach und Gertrud Guyer gehören zu jenen Künstlerinnen des 20. Jh. die im Alter immer jünger wurden. Es gibt ihrer zahlreiche und es ist spannend zu sehen, mit welchen Methoden, diese Frauen ihre eigenen Generationensperren sprengten und mit der Frauenbewegung im Rücken zu neuen Horizonten aufbrachen. Die Malerin Gertrud Guyer erwarb 1970 eine Stichsäge – die Anekdote sagt, dass sich der Verkäufer lange überlegt habe, ob er dies verantworten könne. Es entstanden in der Folge einige, oft in ein Rund gefügte Reliefs; so richtig relevant wurde die Stichsäge aber erst 1992 – Gertrud Guyer war da schon 72 Jahre alt – als sie erneut Holz in kleine Teile zersägte und damit zu bauen begann, Stockwerk um Stockwerk. Die „Türme“ fanden in der Kunstszene, die sie bisher kaum als wichtige Berner respektive Innerschweizer Künstlerin beachtet hatte, unglaublichen Nachhall. Es waren insbesondere die Kritikerinnen, die darin nicht ein männliches – wie in so vielen anderen Türmen der Kunstgeschichte – Symbol erblickten, sondern ein weibliches. Eine Frau, die ihrem Freiheitsdrang nicht mit Flügeln – wie Erica Pedretti und andere – Ausdruck gab, sondern mit sich keineswegs perfekt nach oben windenden Türmen. Selbstverständlich gehörte ich zu diesen Kritikerinnen und ich bin der bereits erwähnten Inga Vatter heute noch dankbar, dass wir 2009 bei einem Tee im Wintergarten ihres Hauses zur Meinung kamen, man müsse JETZT einen Text zu Gertrud Guyer schreiben….und so hatte ich das Privileg, dass mir die alte Dame ihr ganzes Leben erzählte. Man kann es im hier aufliegenden Buch nachlesen.

Maja Aeschbach lernte ich 1982 kennen, als die einstige Textilkünstlerin im „Schlapphuet“ in Aarau auf einmal Karikaturen zeigte, einige köstlich – Maia hatte immer viel Humor – im Gesamten ab

er noch nicht das, was danach kam. Nach turbulenten Veränderungen in ihrem Privatleben, wohnte sie in einem alten Bauernhaus in Hirschtal und begann damit, Papiere vollflächig mit Grafit einzureiben und diese Papiere wie Puzzleteile zu gegenständlichen Objekten zu fügen. Ich kann mich gut an mein Staunen erinnern als vor der Visarte-Galerie im Goldenen Kalb in Aarau ein Kleiderständer stand, mit lauter minimal zu Kleidform geschnittenen, schwarz-fettigen Papieren. So was von frech, toll, dachte ich.

Die Aargauer Kunstkritik war damals stark in Frauenhand – in fraubewusster Frauenhand. Nachdem das Badener und das Aargauer Tagblatt fusioniert hatten, besprachen Sabine Altorfer und ich jeweils gemeinsam, wer wann worüber schreibt. Sabine Altorfer war es denn auch die später als Leiterin der Galerie im Amtshimmel in Baden die wohl wichtigste Ausstellung mit Werken von Maia Aeschbach veranstaltete. Hier und heute sehen wir u.a. eine kleine Anzahl der späten Bergbild-Collagen, welche zeigen, welchen ausgesprochen haptischen Bezug Maia Aeschbach zu Grafit und Papier hatte.

 

Nun ist es aber wahrhaft genug – ich erlöse Sie vom Zuhören und danke für ihre Aufmerksamkeit.