Dein Preis ist Mein Preis

Monographie Relax (Chiarenza & Hauser & Co.). Edition Fink. 2006

Von 1985 bis 2003 war Biel Aktionszentrum des Künstlerduos Relax (Chiarenza & Hauser & Co). Jetzt ist in der Edition Fink (Zürich) ein zweibändiges Werkbuch erschienen.

Es war 1990: In Biel wurde engagiert für die Gründung des Centre PasquArt geworben. In einer „Dein Preis ist Mein Preis“ überschriebenen Performance im Volkshaus verlesen Antoinette Chiarenza und Daniel Hauser in rasantem Tempo eine Liste der Stadtverwaltung mit den Kosten der Stadt für Bänke, Strassenlampen, Abfallkübel, Blumentröge usw. Ihre Gesichter sind auf zwei Monitoren an der Rückwand des Saales zu sehen, ihre Schuhe und Beine hingegen hinter dem Vorhang, wo sie sitzen. Eine Foto der beiden in Aktion findet man nun im neu in der Edition Fink respektive dem Verlag für moderne Kunst, Nürnberg, erschienenen Doppelband „we save what you give“. Der Kunsthistoriker Philipp Ursprung meint in seinem träf auf die Ziele des Künstlerduos eingehenden Buchtext, typisch sei, dass Chiarenza & Hauser nicht einfach für das neue Museum werben würden, sondern Geld- und Wertvorstellungen in den Raum und damit öffentlich zur Diskussion stellten.

1983 lernten sich die in Tunis geborene Antoinette Chiarenza und der Berner Daniel Hauser in Paris kennen. 1985 nehmen sie Wohnsitz in Biel und entwickeln hier ihr konzeptuelles, politisch-gesellschaftliches, aber immer auch humorvolles Schaffen, das sie bald national und später international bekannt macht. Mitte der 1990er-Jahre trennen sich die beiden, treten aber bald schon wieder als Trio „Relax“ (zusammen mit Daniel Croptier) auf und firmieren seit dem Rückzug Croptiers als Chiarenza & Hauser & Co. Seit 2003 leben die beiden in Zürich, wo Hauser seit 2000 den Fachbereich Kunst der F+F (Schule für Kunst und Mediendesign) leitet und Chiarenza unterrichtet.

Die wohl bekannteste Aktion der drei ist 1998 „the big sellout“ als sie auf dem Paradeplatz in Zürich, direkt vor der Credit Suisse, Zehnfrankenscheine für neun Franken verkaufen. Daniel Croptier übergibt die Noten, Daniel Hauser den Gewinn und Marie-Antoinette Chiarenza schreibt die Belege. Hintergrund ist nicht primär (aber auch) der Finanzplatz Schweiz, sondern vor allem der deflationäre Wert der Kultur und die sinkenden Kredite dafür.

Die Aktionen der zwei respektive drei sind sehr oft öffentlichkeitsorientiert, entstehen im Austausch mit der Bevölkerung, sei das in Biel, in Zürich, in Basel, in Hanover (USA) oder in Berlin. Zwar gibt es zahlreiche Videos, seien es dokumentarische oder als Teil von Installationen konzipierte, gibt es Fotozyklen oder die als Begleitobjekt geschaffenen „useme*s“ (eine Art Ärmelkissen). Doch für Aussenstehende war das Werk Chiarenza-Hausers immer schwierig zu fassen.

So ist es ein grosser Gewinn, dass das seit Jahren geplante Buchwerk nun – entgegen dem anfänglichen Konzept – ganz primär ein Werkverzeichnis wurde, das von 83.01 über 98.11 bis 05.16 alle den Künstlern wichtig erscheinenden Konzepte, Auftritte, Werke mit kleineren und grösseren Informationen versehen auflistet. Dies im Band 1 als Schriftdokument, in Band 2 – dem Herzstück – als rund 200 A4 grosse Seiten starker Bildband. Hier findet man „alles“ – vom „Haar in der Suppe“ über die Pappbecher-Aufschrift „you pay but you don’t agree with the price“ bis zum „Canard à l’orange“, der Maschine, die anlässlich von „Transfert“ (2000) in der Schüss die Enten fütterte. Zusätzlich ist dem Band eine DVD beigelegt, die alle Videos der Künstlergruppe enthält – auch jenes köstliche, das sie 2005 für ihre Einzelausstellung im Centre PasquArt schufen und das von Genderclichés in Restaurants erzählt (das Bier und die Rechnung stets dem Mann).

Auf der Textebene – sie erscheint gleichwertig in deutsch, französisch und englisch – gibt es neben dem Werkverzeichnis (Susanne Wintsch) vier Haupttexte, die sich den für Chiarenza & Hauser wichtigen Aspekten wie Werte, Video, Öffentlichkeit und Sprache widmen (Irene Müller, Ilka/Andreas Ruby, Philip Ursprung, Katharina Schlieben/Sonke Gau). Was sie positiv auszeichnet, ist, dass sie alle nahe am Werk bleiben und somit direkt vermittelnden Charakter haben. Fraglich ist, ob es richtig ist, das Medium Video so stark zu betonen, sind doch Chiarenza & Hauser keine Videokünstler, sondern mit persönlichen Statements Agierende, die für ihr performatives Auftreten Video, aber auch viele andere Medien, Objekte, Maschinen und vor allem sich selbst, und dies zumeist alles gleichzeitig, einsetzen. Lieber hätte man etwas mehr über die Rezeption des Werkes, über kulturpolitische Engagements, über die ihnen gewährten respektive nicht gewährten Kunst-Kredite gelesen. Wer ein Werk „Einem gesponserten Gaul schaut man aufs Maul“ nennt (90.01/Video) nennt, sollte dies eigentlich auch bezüglich der eigenen Situation tun.

Relax (chiarenza & hauser & co) – we save what you give. Edition Fink/Verlag für moderne Kunst Nürnberg. ISBN-10:3-938821-56-6 und ISBN-13:978-3-938821-56-5. Preis: Fr. 89.-