Zum Tod des Aargauer Malers Adolf Weber (27.12.25 – 23.8.96)
Die Kraft der Natur ist die Kraft des Lebens
Annelise Zwez
Die junge Generation mag erstaunt fragen, wer er denn gewesen sei, dieser „Aargauer Maler“ Adolf Weber. Lange ist es her, dass seine pastosen, Lebens- und Naturkraft ausstrahlenden Landschaften, seine von Nähe und Beziehung getragenen Familienporträts zum Inbegriff von Malerei im Aargau zählten. 22 Jahre sind es her seit seiner grossen Ausstellung im Aargauer Kunsthaus (zusammen mit Walter Kuhn). Sein Rückzug aus dem Licht der Oeffentlichkeit war indes nicht etwa mangelndes Echo, im Gegenteil. Er selbst mochte die pralle Sonne nicht mehr. Die Entwicklung der Zeit erlaubte das Bild einer Natur als unerschöpfliche Quelle von Kraft und Freude und Geborgenheit nicht mehr. Fragen bedrängten ihn. Er musste, er wollte zurück in sich und im Kleinen suchen und erkennen, was sie denn sei, die Natur. Anstelle grosser Oelbilder schuf er mehr und mehr Tagebuchblätter – intime Notizen dessen, was er täglich erkannte und erfuhr. Die Staffelei verschwand nicht aus seinem Atelier – in guten Tagen packte ihn die alte Lust, die Welt, die Landschaft seiner Nähe, mit Farben nachzubilden. Doch war es noch die Welt, war es nicht nur die Erinnerung an sie?
Maler und Forscher
Lust, das Entstehende öffentlich auszustellen hatte Adolf Weber nur noch selten – ein treuer Freundeskreis liess dann und wann nicht locker, so gibt es zum Beispiel ein ganzes Jahr an Tagebuchblättern als Bildband. Und wer sich die Zeit für einen Besuch nahm, fand das Gemalte im Alten Pfarrhaus. Lieber war ihm jedoch der Einsiedler. Der Basler Schriftsteller Martin R. Dean ( wie Adolf Weber ein Menziker) erzählte 1991 in einem kleinen Katalog davon: „Beim Gang durch die Atelierräume entdecke ich unversehens den Experimentator, den Neugierigen, den Forscher Adolf Weber. Auf einem Holztisch verstreut liegen Polaroidstudien, daneben Versuche mit Glas und Metallfundsachen, gar eine selbstgebastelte Maschine, die, guckt man in sie hinein, eine unendliche Spiegelflucht vortäuscht. Ist solches Forschen, solche „Sehschule“, solches Experimentieren mit anderen Materialien nicht der heimliche Antrieb künstlerischen Schaffens?“ Es ist die Frage des Jüngeren an den Aelteren. Er mag gelächelt haben, als er das las und gedacht haben: Ja schon, es ist das, was mich interessiert, aber wie soll ich daraus Kunst machen? Es mag Zufall sein, dass zur Zeit im Museum Allerheiligen in Schaffhausen gerade ein Rückblick auf das Werk von Albert Schachenmann gezeigt wird – lange Zeit, analog zu Weber, der Inbegriff einer beseelten Landschaftsmalerei der Region, bis er sich dann, 1980, zurückzog. Auf die ewige Frage, ob er noch male, pflegt er lächelnd zu antworten „dass dies täglich geschehe, nur blieben die Bilder jetzt in seinen Gedanken hängen“. Sicher spiegelt sich darin das Empfinden Adolf Webers und zeigt, dass der Konflikt dieser Malergeneration ein übergeordneter ist.
Schule und Wanderschaft
Die Welt hat sich verändert, seit der 1925 geborene Menziker Bauernsohn, der an der Landi 1939 erstmals Originalbilder im Kunsthaus Zürich sah, Schüler von Eugen Maurer – dem wichtigsten Lehrer vieler Aargauer Künstler der Generation Adolf Webers – in Beinwil am See wurde. Bald schon zog er an die Kunstgewerbeschule Zürich weiter, wo Ernst und Max Gubler sowie Heinrich Müller damals die prägendsten Lehrer waren. Es war immer noch Krieg – in der Schweizer Malerei ging es darum, den Glauben an die Natur, an die Menschen, an die Schweiz nicht zu verlieren. Dazu wollte Adolf Weber beitragen, von innen heraus. Schon mit 20 Jahren hat er seine erste Ausstellung in Menziken. Ein Ziel vor Augen geht er weiter, an die Ecole des Beaux Arts in Genf, nach Holland, dann zu Fuss nach Rom. Zurück in Menziken muss er kurzfristig den elterlichen Bauernbetrieb übernehmen. In einem gezeichneten Lebenslauf zeigt er sich entzweigeschnitten zwischen Werktag und Sonntag, zwischen Bauer und Maler, schwer auf der einen, leicht auf der anderen Seite.1953 löst er den Bauernbetrieb auf und geht erneut auf Wanderschaft, nach Frankreich, nach Portugal, nach Skandinavien, zunächst allein, später mit seiner Gattin Emmy Hintermann. Dazwischen erinnert ihn Eduard Spörri daran, dass man im Aargau noch einiges von ihm erwarte, darum habe man ihn in die GSMBA aufgenommen. Doch erst mit der Geburt der Kinder in den 60er Jahren (zwei von ihnen sind heute Kunstschaffende) wurden die Webers im umgebauten Elternhaus sesshaft. Es folgt die fruchtbarste Zeit in seinem Malerleben. Die Kraft, die er in sich fühlt, überträgt er auf seine Bilder, wilder in den Landschaften, gemässigter in den Familienbildern, den Porträts und den Intérieurs. Es sind die regelmässigen Selbstbildnisse, die darauf hinweisen, dass der Künstler seinen Standort immer wieder ausloten muss. Immer tragen sie eine Spur von Melancholie in sich. Wie Albert Schachenmann suchte er seinerzeit in Norwegen die Nähe Edvard Munchs und ein Stück jenes Wissens um Tiefe und Tragik ist, vor allem in seinen Landschaftsbildern bei allem Feuer, bei allem Glaubenwollen an die Kraft der Natur mit enthalten. Seine figürlichen Bilder spiegeln das traditionelle, ländliche Zeitempfinden stärker. Dass er sich später – quasi auf dem Zenith seines Erfolges als bedeutender Aargauer Maler – zurückzog, weil er spürte, dass er und seine Malerei inhaltlich und stilistisch nicht mehr in die Zeit passten, er aber auch keine Möglichkeit sah, etwas daran zu ändern, spricht für die Authentizität seines malerischen Werkes, das im Blick zurück wohl neue Sehweisen aufzeigen wird, nun, da die Zeit es geschlossen hat.