Bastian,Dickerhof, Pedretti, Aljoscha Ségard Gal René Steiner, Erlach 1999
Salzweisses Wasser auf Deinen Lippen
www.annelisezwez.ch Bis 29.08.1999
René Steiner in Erlach zeigt unter dem Titel „Zeichen am Horizont“ eine Ausstellung, die mehr bietet als ein Durchschnitts-Galeriebesuch.
Was M.S. Bastian, Urs Dickerhof, Erika Pedretti und Alexander Klee (alias Aljoscha Ségard) miteinander verbindet, ist ihre Beziehung zu bildnerischem und literarischem Schaffen zugleich. In unterschiedlicher Form allerdings: Während bei Erika Pedretti Wort und Bild respektive Skulptur je ein eigenes Leben führen, nutzt M.S.Bastian das Wort als erzählerisches Moment, das in gleichberechtigtem Dialog mit dem Bildgeschehen steht. Im Schaffen Urs Dickerhofs bestimmt das Bildnerische die Oberfläche; es sind jedoch die Worte, die in die Tiefe führen. Bei Aljoscha Ségard ist das Zeichnen ein Ausfliessen traumhafter Geschehnisse, die sich in kleinen, bildhaften Gedichten ballen.
Es ist eigenartig: Je weiter weg der Tod von Martin Disler, der mit der Galerie René Steiner eng verbunden war, desto mehr spürt man ihn in den alten Mauern. Was immer der Galerist ausstellt, es tritt in Bezug zu den Spuren Dislers. Das tragische Moment rückt mehr als anderswo ins Zentrum. Nirgendwo sonst fällt so stark auf, dass es markante Bezüge gibt zwischen Arbeiten von Disler und der Comic-Welt Bastians. Sind seine „Mickeys“ am Ende nur ein „Kleid“, um Narrenfreiheit zu erlangen? Der Comic nur eine Strategie, um der Realität zeitweise zu entfliehen? Weil früh genug der Moment kommt, da man „den Kopf wieder unter den Armen hervornehmen und aufsetzen muss“? Bastian war die Ausstellung in Erlach ganz offensichtlich wichtig, denn sowohl die Bilder wie die plastischen Arbeiten, die er zeigt, sind von hoher Qualität.
Auch bei Urs Dickerhof schwingt das Hintergründige in den Vordergrund. Der 58jährige trat in den 60er Jahren als Pop Art Künstler in Erscheinung. Heute gehört er zu den wenigen, die Elemente dieses Stils nach wie vor einsetzen, kongruent mit der in die Gegenwart übertragenen Erkenntnis der 68er Generation, dass der Kampf gegen Krieg, Hunger und Not von jedem Einzelnen gelebt werden muss, will er nicht als Marionette tanzen. Seine collageartig hintereinander geschichteten Gliederfiguren erzählen von Ohnmacht, von Zerfall, von erotischem Träumen ohne Erfüllung; „fort will ich … warum bist Du kein Bahnhof“, schreibt er in eine Zeichnung. Das ansehnliche Konvolut an Arbeiten zeigt Dickerhofs neueres Schaffen in gültiger Form.
Die schwarz-weissen Blätter von Aljoscha Ségard sind ein mit dem Pinsel geführtes, nächtliches Tagebuch. Dem Sinnen und dem Träumen, der Lust und der Tragik, der Bitterkeit und der Sehnsucht gewährt er emotionale Bildräume, angereichert mit Worten der selben Qualität: Das „Salz auf Deinen Lippen brennt das Gestern tief ins Herz“.
Nicht vergleichbar mit den Werken der drei Männer das Schaffen von Erika Pedretti. Im Gegensatz zum erzählerischen Duktus ihrer Bücher, war ihr bildnerisches Schaffen stets Reduktion, seien es die Flügel, an der Bieler Plastikausstellung von 1980, die im Nachgang bei so vielen Künstlerinnen auftauchen. Seien es die spiralförmigen Türme, die ihre jüngstes Schaffen prägen. Beide Epochen sind in Erlach vertreten, zumal in den letzten Jahren nur wenig Bildnerisches entstand; zu sehr beschäftigte sie die Literatur.
Zur Ausstellung ist, mit Unterstützung durch die Druckerei W. Gassmann AG, ein Katalog erschienen, der die Werke der vier vom Bildnerischen hin zur Sprache öffnet, aber auch Textannäherungen enthält; besonders erwähnt sei jene von Fred Zaugg an Aljoscha Ségard. Der Katalog erweitert das Spektrum aber auch zu weiteren Künstlern der Galerie im Umfeld von Wort und Bild, zu Martin Disler, zu Otto Tschumi, zu Laurence Weiner.
Katalog: Fr. 25.-