Katrin Freisager in der Galerie Art-Magazin, Zürich, 1999
„Color of Skin“ – Dialog von Körper, Wand und Boden
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Kunstbulletin 1/1999
Ein biederes Hotelzimmer in New York. Ein rothaariges Model in billiger Unterwäsche spielt „sich selbst“, allein in einer fremden Grosstadt. Katrin Freisager fotografiert, wenn sehen und spüren eins wird; die Frau, den Raum, den Dialog von Körper, Wand und Boden. Es entsteht der Zyklus „Color of skin“, der nun in der Galerie Art-Magazin erstmals gezeigt wird.
Die grossformatigen Fotografien, die Katrin Freisager (*1960) vor drei Jahren im „Art-Magazin“ von Rolf Müller zeigte, gehörten auf dem Platz Zürich zu den meistreproduzierten Bildwerken von 1995. Das „keusche Verlangen“ (Tages Anzeiger Magazin 41/95) von „Bettina“, „Anna“, „Pipilotti“, die, nur mit Unterwäsche bekleidet, selbstvergessen auf ihren Matratzen lagen und in die Kamera schauten, faszinierten. Erfolg erzeugt Druck; wie weiter? Katrin Freisager konzentriert sich zunächst auf ihre dokumentarische Leidenschaft. Für ihre anteilnehmende Sicht auf „The seventh generation“ im Gebiet der Lakota-Indianer erhält die Fotografin mehrere Auszeichnungen.
Dann zieht sie nach New York (Atelier der Stadt Zürich). Das Lebenstempo, die Härte der Realität, aber auch die Qualität der New Yorker Foto- und Video-Szene fordern sie heraus. „Es sind die Widersprüche, die mich packen“, sagt Katrin Freisager. In einem ersten, bisher nie gezeigten, grossformatig konzipierten Zyklus behält sie ihren Blickwinkel von oben nach unten bei, drängt aber die Intimität der „Frauenbilder“ von 1995 zurück. Sie arbeitet nicht mehr mit Freundinnen, sondern – der Situation in der Grossstadt Rechnung tragend mit Models; Männer und Frauen weisser und schwarzer Hautfarbe. Sie lässt sie in weiss-beiger Unterwäsche zugleich puppenhaft wie rhythmisch-aesthetisch posieren. Was ist „Bild“, was ist Körperausdruck?
Analog Tendenzen in der aktuellen Fotografie nimmt Katrin Freisager immer stärker die Position der Regisseurin ein. Für „Color of skin“ sucht sie wochenlang nach einer Darstellerin, die jene Mischung von Erotik und Gewöhnlichkeit verkörpert, die ihr vorschwebt, jene „porzellanige, dünne Haut hat, die Erleben sichtbar machen kann“. Inhaltlich spannt der Zyklus einen Bogen zum „Daumenkino“, das sie vor fünf Jahren zusammen mit Pipilotti Rist machte (Parkett 37/93).
Auch damals waren Raum, Körper und Bewegung in direkte Interferenz gestellt. Doch was dort szenische Dynamik war, ist hier auf stille Teilhabe am Alleinsein einer jungen Frau im Dialog mit sich selbst ausgerichtet. Das voyeuristische Moment ist in der Montage verschiedener Blickwinkel, Schärfen und Proportionen in mehrteilige Wandinstallationen aufgefangen. Der Ausdruck des Körpers ist im Ausdruck des Raumes – im rot gemusterten Teppich, dem voluminösen Radiator, den Wänden aus Holzimitat gespiegelt.
Das Pathos individueller Erfahrung löst sich in der Schmuddeligkeit des Alltags auf. Das Schöne und das Hässliche werden eins, analog der geschmacklosen Kombination von BH und Slip. Die Realität findet nicht im Glamour der Werbewelt statt und ist doch voll von ihren Träumen. Katrin Freisager gibt ihnen Antwort, indem sie nachts Fragmente des Zyklus auf die grossen Fensterscheiben projiziert; Einblicke, die keine sind.
„The seventh generation“ erscheint im Frühling 1999 in Buchform, als Koproduktion von „Power House“, New York und Benteli Verlag, Bern.