Lilly Keller in der Galerie Schürer in Biel 1999
Nichts, das sich nicht in Kunst verwandeln liesse
www.annelisezwez.ch Bieler Tagblatt 19. Februar 1999
Lilly Keller gehört zu den Pionierinnen der Kunst von Frauen in der Schweiz. Seit den 50er Jahren ist die Freundin Meret Oppenheims Teil der Berner Kunstszene. Die Galerie Schürer in Biel zeigt neue Werke.
Gleichzeitig mit Bernhard Luginbühl ist Lilly Keller dieser Tage 70 Jahre alt geworden. Wie er ist sie seit den 50er/60er Jahren eine markante Gestalt der Berner Kunstszene. Doch während er sich machtvoll in Szene zu setzen wusste, vergass man Lilly Keller (zu) oft. Dies obwohl ihr Werk immens ist, ihre Kreativität unerschöpflich und ihre immer neuen Impulse bewundernswert sind.
Die angedeutete Verkennung ihres Gesamtwerkes ist frauenspezifisch und gleichzeititig in ihrem Schaffen angelegt. Als sie in den 50er Jahren ihre „wilde“ Malerei aufgab, um über die Gesetzmässigkeiten von Material und Technik Grenzen zu spüren, setzte sie auf das „falsche“ Pferd, denn Kunst und textile Struktur schienen für die Kunstfachmänner nicht vereinbar zu sein. Die Vielschichtigkeit nahm niemand wahr; erst als sie in den 80er Jahren zum Glas wechselte und skulptural zu arbeiten begann, fand ihr Werk Eingang in die Diskussion und wurde hin und wieder in nationalem Kontext gezeigt. Seit einigen Jahren sind räumlich-installative Momente sehr wichtig und im Vordergrund steht das Material Polyester. Videobänder zeigen in der Ausstellung die Dimension ihres Schaffens.
Die aktuelle Präsentation gleicht einem Park. Vorherrschend sind modellierte und leuchtend bemalte Blattformen aus Polyester. Die Nähe zum fantastischen Naturpark ihrer Lebensumgebung in Monet-Cudrefin klingt an. Bezeichnend ist, dass die blumenartigen Blätter lange Stengel haben; denn eigentlich müsste man sie Palmwedeln gleich durch die Stadt tragen, um die Vorstellung von Lebendigkeit und Kreativität, welche die Künstlerin antreibt, wirklich zu zeigen. Im Kunstraum eingeschlossen, sind sie nur Zeichen – getupfte, geäderte, gefleckte oder auch monochrome Symbole für die Einheit von Kunst, Natur und Leben. So wie es die Zustandsdrucke der ausgestellten Lithografien zeigen; kein Blatt, das so bleiben darf, wie es ist, jeder Druckvorgang ist Wandlung, Erneuerung, Temperament. Oft wünschte man sich, die Künstlerin hielte inne und verdichtete, was sie unablässig umtreibt.