Dancing Flowers und Future Lights
Zu Gast im CentrePasquArt in Biel: Der Maler und Musiker Claude Sandoz. 2000
Claude Sandoz (1946) ist einer der bekanntesten Schweizer Künstler seiner Generation. Seine exotisch-expressive Malerei ist indes nicht unbestritten. Im CentrePasquArt gibt er Einblick.
A. Zwez: Sind Sie ein Pardiesvogel oder ein Paradiessucher?
Claude Sandoz: Für einen Paradiesvogel bin ich viel zu alt und im Übrigen viel zu sehr ein Realist. Meine Bilder spiegeln vielmehr meinen Willen, mit den Mitteln der Malerei eine Welt zu schaffen, in der Lebensfreude erlaubt ist. In gewissem Sinn bin ich den Konzeptkünstlern näher als den Träumern.
Ihre Installation «Dancing Flowers und Future Lights» in den «Galerien» des
Diener&Diener-Baus baut gleichzeitig auf Malerei wie auf Musik. In welchem Verhältnis stehen die beiden zueinander?
Ich versuche sowohl in der Malerei wie der Musik einer«Wellenlänge» Ausdruck zu geben, die mich und andere bewegt. Ich suche mit unterschiedlichen Mitteln den selben«Sound»zu erzeugen. Mit dem Ziel, durch Sehen und Hören sinnliches und intellektuelles Vergnügen auszulösen.
Die Mittel, die Sie im Bildnerischen einsetzen, sind figürlich, haben aber auch einen starken Hang zum Ornamentalen. Hat das einen Grund?
Das Ornament war eine der ersten Formen, mit welcher Künstler alter Kulturen einer universalen Bewegung Ausdruck verliehen haben. Das interessiert mich – Leben in Bewegung. Ich nutze Zeichen, Formen, Figuren als Elemente eines Vokabulars, das ich variieren und ausbauen und für meine Ziele gebrauchen kann.
Und den verschiedenen Kulturen, in denen Sie leben, anpassen?
Ja, ich habe im Laufe meines Lebens die halbe Welt bereist. Nicht als Tourist, sondern wo immer ich lebte – ob in Indien oder in Ägypten – habe ich gearbeitet, mich in die Kultur der Menschen vor Ort hineingedacht und ihre Formen, ihre Lebensweise, ihre Symbole in mich aufgenommen, um sie in meine Bildsprache einfliessen zu lassen.
Haben Sie denn den Eindruck, die Bildwelt, die Sie jetzt in Biel zeigen, sei ein Spiegel der karibischen Insel St.Lucia, wo Sie in den letzten drei Jahren viele Monate gelebt haben?
Nein, es ist vielmehr ein Spiegel meiner Entscheidungen, was mir dort wichtig und wertvoll erscheint und mich anregt ein Bild zu malen. Hingefahren bin ich, weil ich eingeladen war , in einem Hotel Wandbilder auszuführen. Im Laufe der Zeit habe ich da viele liebenswürdige Menschen kennen gelernt. Aber ich habe nicht nur Schönes gesehen. Auf der Insel gibt es grosse ungelöste Probleme: Arbeitslosigkeit, Rassismus, Kriminalität, Analphabetismus. Obwohl die Natur der Insel grossartig, ihre Soca-Musik begeisternd und ihre Lebensfreude ansteckend ist, gibt es Hässlichkeiten, deren Realität ich mir lieber wegwünschen würde.
Woher kommt eigentlich die elektronische Musik, mit der Sie die Bildwelt im PasquArt beschallen oder, mehr noch, zu einer Art Dauer-Event machen?
Die spiele und mixe ich selbst. Ich mache Musik seit meiner Jugendzeit. Auch wenn die Bands, in denen ich spielte, manchmal nur gerade drei Stunden bestanden. Ravels Boléro, Blues, arabischer und karibischer Sound. Es muss klingen, es muss vibrieren, es muss eine ornamentale Musik entstehen, in der sich die Gefühle zur selben Welt weiten, die auch in den Bildern enthalten ist.
Und was soll damit erreicht werden?
Ich verstehe mein Kunstschaffen als Kommunikationsform, als Sprache, die sich ganz bewusst so und nicht anders formuliert. Es ist nicht einfach meine Welt, die sich spiegelt, es ist primär ein Bild, das ich für andere so erschaffe. Die Bilder sollen zum Teilhaben einladen, sie sollen zum Tanz auffordern, sie sollen Kraft und Leben versprühen. Es sollen Räume entstehen; darum habe ich vor einigen Jahren damit begonnen, Wandbilder zu schaffen, ganze Säle auszumalen, wie hier in Biel mit «Dancing Flowers and Future Lights», ein Environment samt Bar, wo sich die Menschen treffen sollen, wo Musik klingt, Videos flimmern usw.
Die Party als Kunstform. Doch schaut man genau hin, ist die Welt nicht so heil, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag. In vielen Bildern gibt es eine Figur, die man als Selbstbildnis interpretieren kann, ob die Hautfarbe nun schwarz oder weiss sei. Und diese Figur ist nicht einfach «im Glück», sondern da gibt es auch Angst, Einsamkeit, ja sogar Gewalt. Wie ist das zu verstehen?
Dass das Leben viele Facetten hat und St. Lucia trotz Palmen-Romantik kein Paradies ist und ich kein Paradiesvogel. Ich liebe Palmen, aber manchmal gehen sie mir auch auf die Nerven, besonders dann, wenn ich sie malen will und es mir nicht gelingt.
Ihr Schaffen ist, trotz seiner hohen Bekanntheit, in Kunstkreisen nicht unbestritten. Viele wissen nicht recht, wie sie Ihr Schaffen einordnen sollen. Sie werden von ihren Studenten an der Kunstakademie Genf verehrt, Sie haben schweizweit den Ruf eines weitblickender Jurors und machen zugleich Kunst, die gängigen Beurteilungskriterien spottet. Wie erleben Sie das?
Naja, eigentlich freut mich das. Mag sein, dass meine Kunst nicht unbestritten ist, doch muss die unbedingt schon eingeordnet werden? Ich bin noch nicht tot. Viele Menschen reagieren durchaus positiv und mit Begeisterung auf meine Arbeiten und unterstützen mich. Ich denke jeder hat das Recht, meine Welt anzunehmen oder abzulehnen. Ich bin kein Diktator, der nur eine Meinung zulässt.
Manchmal wünsche ich mir eher eine Art Monarch zu sein, der blühende Reiche schaffen möchte, in denen es den Menschen gut geht und wo die Blumen tanzen und die Lichter in eine freudvolle Zukunft scheinen. Und das male ich. Und in so einer Welt möchte ich leben. Dies scheint für einige ungewöhnlich und unmöglich zu sein, für mich ist es nicht und für so eine Weltstrenge ich mich an. Vielleicht bin ich doch ein Paradiessucher.
Zu «Dancing Flowers and Future Lights» ist ein kleines Künstlerbuch erschienen, das auch die «Music For The Flowers- Noise For The Frogs» enthält. Es ist bis Ende 2000 zum Vorzugspreis von 38 Franken erhältlich.
Claude Sandoz
Claude Sandoz wurde 1946 in Zürich geboren. Sein Vater ist Tessiner, seine Mutter eine Welsch-Freiburgerin. Seine gestalterische Ausbildung absolviert er an den Kunstgewerbeschulen von Bern und Biel. In den 60er- und 70er-Jahren gehört Sandoz zur Berner Kunstszene. Zu dieser zählen auch Meret Oppenheim, Markus Raetz, Jean Frédéric Schnyder, Lis Kocher, Urs Dickerhof, Benz Salvisberg und andere. Er erhält ungezählte Stipendien. Die Spuren des Berner Klimas sind in seiner Malerei bis heute spürbar. 1976 siedelt Claude Sandoz nach Luzern um und wird fortan als Luzerner Künstler wahrgenommen. Ausgedehnte Reisen in alle Welt prägen die Entwicklung. 1983 erhält er einen Lehrauftrag an der Kunstakademie Genf, den er bis heute ausübt. Ungezählte Künstlerinnen und Künstler hat er unterrichtet. Von 1993 bis 2000 ist er Mitglied der Eidgenössischen Kunstkommission. In den 80er-Jahren wird sein malerisches Werk in die Nähe der «Neuen Wilden» gerückt, was ihm, obwohl in der Zuordnung problematisch, grosse Erfolge einträgt. Die Ausstellungen in Schweizer Museen und ausländischen Galerien sind zahlreich. In den letzten Jahren wurde es jedoch – wie um viele Künstler seiner Generation – stiller.
Die Ausstellung im CentrePasquArt inBiel ist die bedeutendste seit 1994.