Eröffnung Centre PasquArt in Biel 2000

„Au centre, l’artiste“ – das Bildnis zwischen Selbstbefragung

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Aargauer Zeitung Januar 2000

Er dachte: Biel muss ein Kunsthaus haben. Und er vermachte der Stadt 7 Millionen, auf dass sie eines baue. Der Hürdenlauf gelang. Zum Jahrtausend-Auftakt öffnete das um einen Diener&Diener-Bau erweiterte Centre Pasquart in Biel seine Tore.

Zu Recht ist der Oberlichtsaal des karg konzipierten Museum-Neubaus von Diener&Diener in Biel Charles Poma gewidmet. Ohne ihn wäre das – mit allerlei politischen Ränkespielen gespickte – Märchen eines neuen Kunsthauses für die Seeland-Metropole nicht wahr geworden. Just als die Stadt Biel das seit 1990 provisorisch eingerichtete Kunstmuseum im alten Spital an der Seevorstadt finanziell aushungern wollte, vermachte der im Kulturleben nie gross in Erscheinung getretene Uhren-Fabrikant Charles Poma (1906-1993) der Stadt Biel 7 Millionen für den Bau eines Kunsthauses. Unternehmer der er war, stellte er geschickt Bedingungen: Die Stadt müsse das Doppelte dazu beitragen und den Bau innert zwei Jahren beschliessen.

Durch Inwertsetzung des bestehenden Gebäudes, weiterer Aktiven und einem Kantonsbeitrag von 1 Million, stimmten die Bieler 1995 dem noch fehlenden Betrag von 2 Millionen zu. Mit einer Bausumme von 10.5 Mio Franken konnte das alte Spital renoviert und durch einen – mit der neuen Botschaft in Berlin vergleichbaren – Annexbau von Diener&Diener ergänzt werden.

Nach einer furiosen Milleniumsnacht öffnete das Alt- und Neubau über ein gemeinsames Treppenhaus raffiniert verzahnende Kunst-Haus am 1. Januar seine Tore. Die erste Ausstellung trägt den Titel „Au centre, l’artiste“ und ist ein Gang durch die Kunst des 20. Jahrhunderts unter dem Blickwinkel von Selbstbefragung und Selbstinszenierung. Der Spannungsbogen reicht von Selbstporträts Ferdinand Hodlers und Cuno Amiets über quälende Selbstbefragungen von Marina Abramovic und Martin Disler bis zur ironischen Positionierung des Künstlers in der Gesellschaft mit den fotografischen Inszenierungen der Bieler Gruppe „relax“ (Chiarenza/Hauser/Croptier).

Mit 1600m2 Ausstellungsfläche ist das Centre Pasquart nun eines der grösseren Kunstmuseen der Schweiz. Doch mit einem Betriebsbudget von lediglich 750’000 Franken und einem um 50% zu niedrigen Personaletat zeigen sich gleichzeitig die Grenzen. „Es ist klar, dass wir nicht in der obersten Liga spielen können“, meint Direktor Andreas Meier, der sich mit seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Hélène Cagnard in ein 150% Pensum teilt. Einen zusätzlichen Input erhält das Haus jedoch durch die gleichzeitige Bespielung durch die Stiftung Centre Pasquart, das Photoforum, das Filmpodium, die GSMBA,Sektion Biel und den Bieler Kunstverein.

Die neuen Räume sind multifunktionell, so kann das Foyer wie die „Salle Poma“ sowohl für Ausstellungen als auch für Performances, Installationen, Konzerte und Tagungen genutzt werden. Die Galerie – die hohen, nicht allzu weiten (viele sagen „sakralen“) Haupträume im Mittelgeschoss – hingegen sind klar auf „Wand“ ausgerichtet, heischen wirkungsvolle Grossformate. Hier löst die Ausstellung „Au centre, l’artiste“ denn auch die in sie gesteckten Erwartungen ein: Eingedenk der grossen Bedeutung der Fotografie für das Thema der Selbstbespiegelung – vom gemalten Bild bis zur Multimedia-Installation – hat sich das Pasquart-Team im zeitgenössischen Teil primär auf die Fotografie konzentriert. Und Spannendes zusammengetragen. Der Link zum „Missing Link“ im Kunstmuseum Bern (Herbst 1999) ist zwar unübersehbar, aber die gewichtige Präsentation der einzelnen Positionen macht die gut 30 Jahre umspannende Auswahl zum Kunsterlebnis, ganz im Gegensatz zur Berner „Dokumentation“. Da sind – als Beispiele – ein überraschendes Selbstporträt von Heinz Brand (geb. 1944 in Biberist) aus den 70er Jahren, das ihn mit einer „Brille“ zeigt, die nichts als Licht reflektiert. Oder eine geradezu zynische Reihe des Kölner Paares Anna & Bernd Blume zur Lust am „Krieg“ im Alltag. Aber auch eine Lifestyle-Serie von Natacha Lesueur, die ihre Fingernägel zu ebenso aesthetischen wie hintergründigen „Waffen“ modelliert hat.

Auch wenn das Centre die schmerzliche Erfahrung machen musste, dass es nicht einmal von den Schweizer Museen als ausleihwürdig betrachtet wird, so gelang es dem Team dennoch die Zeit von 1900 bis ca. 1930 spannend einzufangen – die Einzelräume im renovierten Spital erweisen sich als günstig für ein kapitelweises Konzept. Zu sehen ist etwa der Gegensatz von einem attitüdenhaft-melancholischen Selbstporträt von François Barraud zu einem sich bürgerlich-machohaft zeigenden Selbst von Felix Valloton; oder eine Versammlung der Maler der Zeit – von Max Buri bis Walter Kurt Wiemken. Am wenigsten zu überzeugen vermag die mittlere Epoche – da gibt es zwar gewichtige Säle mit Arnulf Rainer, Dieter Roth u.a., kleine Trouvaillen wie zum Beispiel eine Zeichnung von Meret Oppenheim von 1966 („Autoportrait et esquisse biographique depuis l’an 60’000 a. c.“), aber es bleibt beim vielfältigen Puzzle, das Lokales, Nationales und Internationales bunt durcheinanderwürfelt; jedem sein Selbst.

Wesentlich ist im Ganzen die Verzahnung mit der in Eigenregie konzipierten Ausstellung des Bieler Photoforums, das die Bedeutung der Fotografie für die Sicht des Künstlers auf sich selbst seit dem 19. Jahrhundert eindrücklich dokumentiert.