Triennale für Druckgrafik Grenchen 2000

Grafik zwischen Tradition und PC

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt September 2000

Nicht die Qualität der druckgrafischen Blätter bestimmt den zwiespältigen Eindruck an der 15. Internationalen Triennale für Druckgrafik in Grenchen. Sondern die teils problematischen Konzepte und Präsentationen.

Was den Insern ihr Anker ist den Grenchnern ihre Triennale. Hier wie dort gehört über Kunst hinaus die „Dimension Mensch“ mit zum Projekt. Und hier wie dort gehört ein Stück lokale Selbstüberschätzung mit dazu. Während jedoch den engagierten Laien in Ins der Erfolg im voraus sicher ist, gehört in Grenchen alle drei Jahre der Frust mit dazu. Grenchen ist auch in der Triennale-Zeit nicht der Kunst-Nabel der Welt. Und dass „die Welt“ das so empfindet, liegt nicht nur daran, dass Grenchens Kultur in der Schweiz zu wenig beachtet wird, wie Stadtpräsident Boris Banga kürzlich klagte. Der Hintergrund ist im Fall der Triennale, der ältesten Veranstaltung ihrer Art in der Schweiz – die erste fand 1958 statt – vielmehr darin zu suchen, dass heutzutage eine Kunstausstellung mit nationalem Anspruch zum einen nicht in einem Parktheater mit unzulänglicher Ausstellungstechnik durchgeführt werden kann und zum andern ein Medium – und sei es noch so vielfältig nutzbar – keine künstlerische Thematik ist. So reduziert sich die Triennale – anders als die Bieler Fototage im ihrem Thema „subjektiv/objektiv“ – darauf, ein Mekka für die Liebhaber druckgrafischer Techniken zu sein.

Die gedruckte Kunst ist im Schaffen vieler Künstler und Künstlerinnen ein wichtiger Teilaspekt. In Sälen zusammengewürfelt ergeben die Teile kein Ganzes. Konzentriert man sich indes auf die grösseren Werkgruppen – die kleinen vermögen sich in der Stilvielfalt kein Gehör zu verschaffen – stösst man da und dort auf medial und künstlerisch Ausserordentliches. Zum Beispiel die grossformatige Inkjet-Gruppe von Uwe Wittwer (Zürich). Der Aquarellist bearbeitet neuerdings (eigene) Fotos am PC so lange bis sie scheinbar die Qualität von Aquarellen haben, im digitalen schwarz-weiss-Ausdruck aber dennoch etwas ganz Neues sind. Zu Recht wurde die Gruppe mit dem Preis der Grenchner Kunstgesellschaft ausgezeichnet, sind in den Städtisches oder Naturhaftes zeigenden Blättern doch technische Erneuerung und mediale

Ausdruckskraft deckungsgleich. Auch der Preis der Solothurner Bank ist mit gutem Blick gewählt: Der Block von stahlblau eingefärbten Holzschnitten von Christiane Dubois (Rochefort) überzeugt durch die Art und Weise wie hier mit den Möglichkeiten der Drucktechnik dem Thema Rückenakt Bewegung, Tiefe und Ausdruck verliehen ist. Der Bogen zwischen den zwei Preistragenden – Inkjet-Blätter hier, Holzschnitte da – zeigt eindrücklich, wie sowohl traditionelle wie neue Techniken Ausserordentliches zulassen. In die Erinnerung eingeschrieben haben sich zum Beispiel auch die Radierung und Materialdruck kombinierenden Arbeiten „Im Innern des Meeres“ von Annatina Graf und Jörg Mollet (Solothurn): Das halbtransparente Shosi-Papier, die feine Streifenstruktur, die Zeichen-Spuren und die aufgedruckten Körperfragmente haben emotionale wie poetische Kraft. Oder auch die den Rand zur Malerei auslotenden Pinselätzungen „kein Land, Nirgendwo“ von Heinz Egger (Burgdorf).

Die grossen, internationalen Namen wie Eduardo Chillida, Jasper Johns, Richard Serra, Cy Twombly, Brice Marden sind nur zum Teil mit wichtigen Arbeiten vertreten. Dennoch hat der künstlerische Leiter der Triennale, der Burgdorfer Galerist Maxe Sommer, unter den gegebenen Bedingungen gute Arbeit geleistet. Er wollte den grossen Qualitätsunterschieden an früheren Triennalen künstlerische Qualität und technische Vielfalt zugleich entgegensetzen und gleichzeitig Schweizerisches und Internationales ausbalancieren. Das ist ihm über weite Strecken gelungen; auch wenn der zur Verfügung stehende Raum selbst Gutes teilweise zum Potpourri verkommen lässt. Allerdings frägt man sich, warum Sommer die grossformatigen Holzschnitte von Martin Disler und Josef Felix Müller, die zu den bekanntesten Druckwerken ihrer Art gehören, ausgeklammert hat.

Höhepunkt der diesjährigen Triennale ist aber vielleicht gar nicht die Kern-, sondern die Extraausstellung „Kuba“. Und hier insbesondere das ausserordentliche Werk der – erst 33jährig – dieses Jahr verstorbenen Ayon Manso Belkis. Was für eine Kraft! Ein Beispiel dafür, dass in der heutigen Bilderflut ein Reigen von Einzelbildern nicht mehr haftet, zeigen die Arbeiten des Rado -„Zeit“-Wettbewerbes. Einzuschreiben vermag sich wohl nur das einfühlsame Preisträger-Bild „Heike,Silke,Heidi,Ines“ der 33jährigen Christiane Baumgartner (London/Leipzig) – eine als Siebdruck realisierte, fotografische Mehrfach-Belichtung, die Zeit als Erinnerung an die Schulzeit im Kreis von Freundinnen ausdrückt.

Die Frühstücksbibliothek von Daniel Spoerri (Alte Turnhalle), „Hommages an Peter Kneubühler“ (Kunsthaus) sowie die Holzschnitte von Peter Wullimann in der Galerie Grossen und die „Erotische Druckgrafik“ von Peter Aeschbacher in der Galerie Contempo vervollständigen das Angebot.

Hommage an Peter Kneubühler im Kunsthaus Grenchen. Bis 5. November
Franz Anatol Wyss, der bekannte Solothurner Künstler apokalyptischer Bilderzählungen, hat seit den späten 60er Jahren viele hundert Kupferdrucke geschaffen; fast alle zusammen mit seinem Drucker, Berater und Freund Peter Kneubühler (1944-1999). Das Beispiel zeigt, welche Bedeutung ein Druckatelier für einen Künstler haben kann. Und es erklärt den Hintergrund für die als „Hommage“ konzipierte Triennale-Sonderausstellung für den vergangenes Jahr überraschend verstorbenen Zürcher Drucker Peter Kneubühler im Kunsthaus Grenchen. Die Ausstellung zeigt im Obergeschoss einen auf Vielfalt ausgerichteten Querschnitt durch die reiche Tätigkeit des grossen Zürcher Ateliers. Dass viele Namen sowohl da wie in der Hauptausstellung der Triennale erscheinen – etwa James Turell, Hugo Suter, Franz Anatol Wyss, Uwe Wittwer oder Michael Biberstein – ist nicht etwa Absprache, sondern ganz Ausdruck für die grosse Zahl bedeutender Kunstschaffender, die oft und gerne mit Peter Kneubühler zusammengearbeitet haben. Sie lässt sich ergänzen mit: Schang Hutter, Leiko Ikemura, Martin Disler, Gianfredo Camesi, Ingeborg Lüscher, Urs Lüthi, Jean Pfaff usw. Diese persönliche Struktur prägt das Bild – für Aussenstehende ist sie Gruppenausstellung. Im Parterre des Hauses zeigen 32 Kunstschaffende für die Ausstellung geschaffene oder speziell ausgewählte „Hommages“. Logischerweise sind es nicht primär Grafiken, denn da klafft ja das Loch, sondern Objekte, Malereien, Zeichnungen, Übermalungen. Viele Arbeiten überzeugen gerade dadurch dass sie „Geschenke“ sind und damit sehr persönlich.