Marianne Kuhn Jürg Stäuble Galerie Elisabeth Staffelbach 2001
Schwarz: Mit Graphit gemalt, mit Autolack verspiegelt
Aargauer Zeitung vom 22. August 2001
Vor fast 30 Jahren besuchten die beiden Freiämter dieselbe Klasse an der Kunstgewerbeschule in Basel jetzt stellen sie gemeinsam aus bei Elisabeth Staffelbach in Aarau: Marianne Kuhn und Jürg Stäuble.
Nach einer längeren Phase mit dreidimensionalen Graphit-Skulpturen ist Marianne Kuhn zur Zeichnung zurückgekehrt, die sie jetzt allerdings als Graphit-Malerei bezeichnet. Jürg Stäule hat seine gedrehten, hellen Luft-Skulpturen ausfliessen lassen und zeigt sie als geschichtete, mit schwarzem Autolack verspiegelte Reliefs. Was die Werke der beiden in Wohlen aufgewachsenen Künstler auf den ersten Blick miteinander verbindet, ist die Farbe Schwarz und die Betonung kreisender Formen. Es ist ein Leichtes, den Blick von den puzzle-artigen Rundungen in Stäubles Holz-Arbeiten in den Graphit-Malereien Marianne Kuhns weiterschwingen zu lassen. Doch ein Gefühl von Harmonie stellt sich dabei nicht ein, eher schon Spannung.
Der zweite Blick betont denn auch die Gegensätze: Marianne Kuhn legt auf dem Boden ihres Ateliers aus der Bewegung des Körpers heraus Strich neben Strich und lagert Schicht über Schicht bis sich die geschwungenen Formen aus der Fläche zu heben scheinen. Der Plastiker Jürg Stäuble hingegen fräst die exakten Kreisbogen von der Oberfläche in den Holz-Körper ein und gibt ihnen dadurch Tiefe. Anders ausgedrückt: Marianne Kuhn stülpt Formen als optische Illusionen aus der Fläche aus, Jürg Stäuble bohrt sie real ein und lässt die Betrachtenden als Spiegelungen auf der planen Oberfläche zurück.
Das Wechselspiel lässt sich noch weiter führen: Während das illusionistische Moment in den fast monochrom schwarzen „Magnetfeldern“ Marianne Kuhns emotionale Reisen durch barocke Gefilde evoziert, ist Jürg Stäubles Formensprache die Umsetzung einer Planzeichnung, die indes so konstruiert ist, dass sich die Geometrie im Werk optisch verliert. Den Gegensatz dahingehend zu interpretieren, dass die Intuition den Zeichenstift der Frau lenke und die Ratio die Fräse des Mannes, hiesse allerdings, einem Cliché verfallen. Denn Intuition ohne Präzision führt ins Nichts und Ratio ohne Emotion ist langweilig. Da die Werke beider Kunstschaffender indes spannend und mehrschichtig Bedeutung tragen, ist die Wechselwirkung im Untergrund wohl komplexer als an der Oberfläche.
Vielleicht so wie die undurchschaubarste Arbeit von Jürg Stäuble, bei welcher zwei Bogen-Zeichnungen von zwei Seiten in einen Vierkant-Balken eingefräst sind, sodass daraus vier Teile entstehen, die sich doppelseitig durchbohren, theoretisch jedoch ein Ganzes bilden. Während diese Arbeit die Komplexität führerer Arbeiten Stäubles etwa der Kunst am Bau-Arbeit im Hof der Winterthur-Versicherungen an der nahegelegenen Laurenzen-Vorstadt weiterführen, strecken die flächigen Autolack-Arbeiten ihre Fühler über ihre Planmässigkeit hinaus in die die 60er Jahre recyclierende Sprache der jungen Kunst, vielleicht gar des Comic und zugleich erinnern sie auch an Reliefs von Jean Arp aus der Zeit des Surrealismus. Welch eine Spannweite!
Marianne Kuhns Graphit-Malereien beziehen ihre Mehrschichtigkeit aus anderen Quellen. Da ist zum einen die Übersetzung der modellierten Oberflächen der Graphit-Skulpturen der letzten Jahre in eine neue, trotz ihrer Graphit-Schwere luftig-leichte zeichnerisch-malerische Sprache. Eine abstrakte, sich da und dort dem Ornament nähernde Malweise, die auf eine Wiederbegegnung mit dem Barock in der Klosterkirche Muri zurückgeht (Marianne Kuhn führte daselbst über Monate hinweg eine sehr strenge Kunst am Bau-Arbeit aus). Dabei greift sie aber nur deren illusionistische „Peinture“ auf um sie zu „Wolken“ zu verdichten, die Gefässen gleich aufnehmen, was man in sie projiziert.