Im Blick gebündelte Befindlichkeit
Salla Tykkä in der Kunsthalle Bern. Bis 18.08.2002
Die subtile Erotik von Salla Tykkäs Video „Lasso“ fuhr an der Biennale Venedig 2001 allen unter die Haut. Eine Eintagsfliege oder mehr? Die erste grössere Einzelausstellung der 29jährigen in der Kunsthalle Bern stellt die Frage.
„Finnlandia“ durchweht zur Zeit die Schweiz. In der Kunsthalle Zürich ist die Finnin Eija Lisa Ahtila (43) zu Gast ( das BT berichtete) und in der Kunsthalle Bern hat die erst 29jährige Landsfrau Salla Tykkä ihre erste Museumsschau. Beide antworten mit Erfolg auf das Cliché nordischer Fähigkeit psychische Inhalte in Form zu bringen (Strindberg/Munch/Bergmann etc.). Beide nutzen die Natur Finnlands als Kulisse. Beide nutzen den Film als Medium, den sie schliesslich als DVD-Videoprojektionen im Kunstkontext zeigen. In Parallele zu Fotoarbeiten. Und doch liegen Welten zwischen den zwei.
Die neue Präsenz finnischer Kunstschaffender auf dem internationalen Parkett ist Resultat jahrlanger Anstrengungen im Bereich zeitgenössischer Kunstproduktion und -vermittlung in Finnland selbst. Sowohl Harald Szeemann (Venedig 2001) wie Okwui Enwezor (Dokumenta 2002) wurden fündig. Während Ahtilas Auftritt in Kassel bereits eine Karriere-Weiterführung ist, tat sich für die junge Salla Tykkä in Venedig die Kunstwelt auf.
In Bern zeigt Tykkä neben fünf thematischen Fotoserien sowohl das Erfolgsvideo „Lasso“ es packt auch beim wieder sehen wie eine frühere Videoarbeit mit dem Titel „Power“ und das eben erst fertig gewordenen 7-Minuten-Video „Thriller“ (2002).
„Lasso“ zeigt ein selbstbewusstes junges Mädchen auf dem Weg zum Haus eines Freundes. Als auf das Klingeln hin niemand kommt, geht es ums Haus und erblickt durch den halbgeöffneten Rolladen den Knaben wie er sich in der Wohnstube mit nacktem Oberkörper im Lasso schwingen übt. Unerkannt geht das Mädchen wieder weg. Westernmusik gibt den Ton an, Worte gibt es keine, die Intensität ist in der Körpersprache, im Blick des Mädchens gebündelt. Eine winzige Geschichte, in keine vier Minuten komprimiert. Erotik pur. Ein Chef d’oeuvre.
Mit „Thriller“, für die Künstlerin der zweite Teil einer geplanten Trilogie, wagte Salla Tykkä nun jedoch einen (zu) grossen Schritt. Ebenfalls wortlos sucht sie den unkontrollierten sexuellen Gefühlen eines vorpubertären Mädchens aspektweise sicher sie selbst zu visualisieren. In einem Waldstück bei einem verlassenen Wochenendhaus treffen sich ein Mann, eine Frau, ein Mädchen und ein Schafbock. Die Blick- und Gefühls-Kontakte sind unsichtbar und doch so geladen, dass das Mädchen den Bock am Schluss erschiesst. Vom Skript her zu komplex, gelingt es dem aufwändig gefilmten 7-Minuten-Streifen trotz dichter Passagen nicht vollends, die Spannung als Suggestion in den Museumsraum zu übertragen; zu vieles wirkt zu inszeniert.
Die drei Fotoserien im Foyer spiegeln drei Frauen, die sich im Auftrag der Künstlerin als Hase, als Affe, als Pony durch den Landschafts- respektive Waldraum bewegen. Die Bilder sind ansprechend, doch weder radikal genug noch existentiell grundlegend. Auch die den psychischen Kunstraum der Künstlerin quasi umschreibende Intérieur-Reihe „Pain, Pleasure, Guilt“ im Hauptsaal hat nicht die emotionale Kraft die Thematik in den eigenen Körper zu übertragen. Überzeugend ist hingegen die vielteilige Porträtreihe mit Anni (der Hauptdarstellerin von „Thriller“), auch wenn dieses thematische Feld bereits derart bespielt wird, dass kaum mehr Profil zu gewinnen ist.