Pat Noser – Malerin. Ein Porträt.

Malen heisst sich selber schaffen

 

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Jahresschrift „Seebutz“ 2003
 

Im Rahmen von „Rapp – Kunst im ruralen Raum“ zeigte Pat Noser diesen Sommer in einem Stall in Rapperswil (BE) Bilder, die sie nach eigenen Aufnahmen in einem Schlachthof und einem Metzgergeschäft malte: Tierleiber, Schweinsköpfe, Gedärme aber auch saftig rote Koteletts, Filet- und Bratenstücke. Für die Lithographie des diesjährigen „Seebutz“ wählte sie leuchtendgelbe kleine Fische in einem Aquarium.

Kann das dieselbe Malerin sein?
„Sobald ich ein Motiv gewählt habe, geht es nur noch darum, ein gutes Bild zu malen“, sagt die Künstlerin, „die Thematik spielt dann (fast) keine Rolle mehr“. So kommt es, dass wir im Werk der in Nidau wohnhaften Künstlerin ebenso nackte Fleisch- wie freundliche Fischbilder, ebenso George W. Bush wie Elvis Presley, ebenso Porträts von Freunden wie Barbiepuppen in Poulethaut, stolze Schwäne auf dem See wie erregte Penisse finden. Und immer wieder Selbstporträts. Einmal malte oder zeichnete sie ein ganzes Jahr lang jeden Tag den eigenen Kopf – aufmüpfig, gelangweilt, lustvoll, deprimiert, ärgerlich, Grimassen schneidend. Und in der Ausstellung „Nu – Nackt“ im Photoforum PasquArt in Biel zeigte Pat Noser vor einigen Monaten eine Reihe von Aktbildern, die sie aufgrund von Fotografien mit dem Selbstauslöser malte.

Pat Nosers Werk ist ein Wechselbad. Was die so verschiedenen Motive zusammenhält, ist zum einen die Malerei, das Beherrschen des Metiers, die sämig und differenziert aufgetragene Farbe, das Licht- und Schattenspiel, der Ausdruck, die Materialität des Bildes. Zum andern ein ganz eigener Ausdruck von Ehrlichkeit. Wenn ich in den Spiegel schaue, so scheinen ihre Selbstporträts zu sagen, dann sehe ich so aus und male mich so, mit allem was ich bin und fühle, ohne für jemanden posieren zu wollen, ohne mich selbst anzulügen, aber auch ohne mich zu hassen – einfach so wie ich bin und mich spüre. Punkt. Und wenn der Metzger die Sau aufschlitzt, dann malt Pat Noser, mit der Fotografie als Erinnerungshilfe, was sie gesehen hat. Und wenn ihr Alpenveilchen plötzlich als Trostbild in trauriger Zeit erscheinen, dann malt die sie Veilchen, die aus Steinspalten wachsen. Und wenn das Leuchten gelber Fische in einem Aquarium dem Bedürfnis des Tages entspricht, dann malt sie Fische im Wasser im Licht.

Ehrlichkeit in Malerei und Thematik heisst nicht gezielte Schonungslosigkeit. Sondern tabulos in alle Richtungen – Erotik, Begehren ist ebenso Lebensrealität wie Hunger nach Romantik, nach Schönheit, nach Traum. Das Fleisch auf dem Teller ist ebenso Fleisch wie der eigene Körper, also macht es keinen Unterschied, ob sie menschliches oder tierisches Fleisch malt.

Woher sie diese Fähigkeit zur ungefilterten Aussage habe, wollen wir wissen, doch die Antwort ist schwieriger als die Frage. „Ich wusste schon als Kind sehr klar, was ich toll und was ich blöd, was ich echt und was ich verstellt fand“, sucht die Künstlerin in sich selbst nach Erklärung.

Und warum malen?
„Meine Mutter, die sich zur Zeichenlehrerin ausbilden liess als ich schon geboren war, legte mir stets alles, was es zum Malen und Zeichnen braucht, bereit. So gehörte es zum Leben ohne dass damit der Gedanke an Kunst verbunden gewesen wäre. Die Aussenstehenden betrachteten mich als rebellisch und eigenwillig, aber eigentlich war ich sehr angepasst. Ich färbte mir zwar die Haare rot und grün, weil das Ausdruck der (Punk)-Zeit war, doch ging ich zugleich brav zur Schule, machte die Matura und als es um die Berufswahl ging, machte ich was schon die ganze Familie tat; ich wurde Lehrerin. Heimlich war ich zwar neidisch auf eine Kollegin, die den Sprung an die Kunstgewerbeschule in Basel geschafft hatte, doch mir fehlte der Mut und das Selbstvertrauen, es ihr gleich zu tun.“

Und doch führte der Weg dann auch dahin?
„Ja, aber erst später und nicht über Basel, sondern über die Zeichenlehrer-Ausbildung in Zürich. Prägend war wohl die Zeit im „Ochsen“ in Zofingen in den frühen 80er Jahren“. Der Ochsen war zu der Zeit eine überregional bekannte Genossenschaftsbeiz, ähnlich dem „Kreuz“ in Nidau. „Da war ich“, so Pat Noser, „nach Abschluss der Schulen „Mädchen für alles“, von der Küchenhilfe über die Kulturveranstalterin bis zur Plakatentwerferin. Und erlebte „Leben“, lustvolles Leben, entdeckte alternative Denkweisen, andere Gesellschaftsformen, neue Wertmassstäbe. Es war eine gute Zeit und in der Freizeit malte ich, experimentierte mit verschiedensten Gestaltungsformen. Irgendwie hatte sich die Idee in mir festgesetzt, dass wenn ich malen kann, dass ich dann etwas kann.

Können als Alternative zu Wissen?
„Ja, ich wollte etwas, das mir niemand wegnehmen kann“.

Klingt das nicht nach typischer Frauengeschichte, im Sinne von Minderwertigkeitsgefühlen auf der einen Seite und dem Versuch sich selbst Wert zu geben?
„Im Rückblick betrachtet, war das gewiss so, nur wusste ich das damals nicht und es hatte auch nichts mit Kunst zu tun. Ich wusste gar nicht, was Kunst ist. Ich machte keine Bilder, ich übte malen. Auch an die Kunstgewerbeschule ging ich, um malen zu lernen, nicht Kunst. All die „Seelenkrempelbilder“ die damals gemalt wurden, blieben mit fremd. Als ich erstmals an die Kunstmesse nach Basel ging, fand ich das grossartig, aber nur die Malerei an sich. Dass man mit malen etwas schaffen kann. Ich las damals ein Buch, das hiess „Haben oder Sein“. Und da wusste ich, dass ich nicht ‚haben‘, sondern malend ’sein‘ wollte.“

Und so wurde Pat Noser Malerin?
„Nein, nein, so einfach nicht. Es gab da noch einige, ziemlich ernüchternde Schlaufen. Doch schliesslich landete ich mit meinem Lebenspartner, Ueli Schneeberger, und meinem 1990 geborenen Sohn in einer Wohngemeinschaft in Schlieren, die bezüglich Lebensorganisation für mich ideal war. Ich hatte einen Job beim archäologischen Dienst der Stadt Zürich, ich teilte mich in die Kinderbetreuung mit anderen WG-Bewohner/-innen und hatte – wenig, aber immerhin – Zeit zum Malen. An Kunst und Karriere dachte ich nicht. Und doch mietete ich an der unjurierten Weihnachtsausstellung in der Züspa einen Stand und zeigte da Bilder und Zeichnungen, unter anderem Akt-Selbstporträts als schwangere Frau.“

Dass Pat Noser diese Bilder praktisch zur selben Zeit schuf wie die Niederländerin Marlène Dumas ihren Bauch zum Bildmotiv machte und daraufhin als Erneuerin der Kunst von Frauen nach der (kinderfeindlichen) Epoche militanter Emanzipation gefeiert wurde, hat niemand bemerkt, auch im Nachhinein nicht. Der Vergleich soll hier nicht hochstilisiert werden, er würde schliesslich nicht halten, aber er soll dokumentieren, dass Pat Noser intuitiv eine künstlerische Sprache fand, die ganz in ihre Zeit gehört. Eine verhalten expressive, realistische, welche die schönen und die sogenannt hässlichen Dinge beim Namen nennt und sie über das Medium der Malerei zum sinnlichen Bild macht und damit zum Gegenstand der Wertschätzung. Selbst da, wo das Motiv eigentlich ein Anti-Motiv ist.

Damals in Schlieren waren es, neben den wie ein roter Faden mitlaufenden Selbstporträts, oft halbindustrialisierte Vorstadtsituationen, welche ihr Motiv waren. Das naheliegende eben. Als Ueli Schneeberger dann 1996 das „Kreuz“ in Nidau übernahm und Pat Noser mit ihm und Klein-Moritz ins Seeland zog, verändert, weitet sich der Themenkreis. Vermehrt tritt ein reflektives Moment in Erscheinung. Allerdings wehrt sich Pat Noser bis heute vehement dagegen, Zeigefinger-Malerei zu betreiben. „Wenn ich ein Motiv gefunden habe, geht es nur noch um Malerei, darum wie ich eine Vorlage – egal ob Zeitungsbild oder Fotografie – in ein Bild verwandeln kann, das als Malerei das aussagt, was ich beim Betrachten gleichzeitig sehe und spüre.“

Ihre Bilder werden bald einmal zu einem Markenzeichen im „Kreuz“, sind aber auch in Zwei-Jahres-Abständen in der „Alten Krone“ in Biel ausgestellt. Orte ausserhalb der Kunstmarkt-Gegebenheiten – Orte, wo die Künstlerin zeigen kann, was sie und nur sie will, ohne Anpassungsdruck. Ein wichtiges Thema ist dabei „Fleisch“. Saftiges Fleisch. Die Nähe zur Küche im Kreuz, die Menge Fleisch, die in einem Restaurationsbetrieb aufbereitet wird, rief förmlich danach. Anders als bei den grossen Fleischmalern des 20. Jahrhunderts von Soutine über Bruno Müller bis Wilfried Moser geht es Pat Noser dabei aber nicht um „Memento mori“ (Zeichen der Vergänglichkeit), sondern um das Naheliegende, das Alltägliche, das, was die Menschen im Kreuz täglich bestellen und essen und verdauen, um daraus wieder Fleisch zu machen; Menschenfleisch. Warum ist dieses Menschenfleisch somit etwas anderes, fragt sich die Künstlerin und stellt sich in eine Reihe, zeigt Bilder von saftigen Koteletts neben fragmentierten Bildern ihres eigenen, nackten Körpers. Ein Tabubruch! Nein, sagt Pat Noser, Realität. Sie entlarve nicht, sie zeige nur. Wie die Bilder dann von anderen erlebt werden, das sei ihr eigentlich „Wurst“. Sie könne sie nur malen, mehr nicht.

Ganz stimmt das nicht. Wenn sie zum einen hyperschlanke Barbie-Puppen malt, die aus ihrer Poulet-Haut steigen und andererseits den Speck wolllüstig ausbreitet, so stecken da natürlich trotz allem Kommentare zu unserer Gesellschaft dahinter. „Für mich“, so Pat Noser, „sind das zum Teil Aufbereitungen meiner Jugend; ich mochte nie mit Barbie-Puppen spielen und hatte auch Mühe mit all den Diskussionen um Schönheit und Ideale, das musste ich einmal malenderweise loswerden.“ Ich male aber gerade so gerne Erdbeeren oder Blumen oder Schwäne – es muss einfach Leben drinstecken!“

Und was ist mit den provozierenden Penissen, übermalt mit „Make love not war“?
Erotik ist ein Teil des Lebens – ein schöner Teil und darum ist das eigentlich genau so gemeint, wie es da hingepinselt ist.“

Und die Fische im Aquarium?
„Man kann nicht jeden Tag die Realität einfangen wollen. Ich muss aber jeden Tag malen, sonst „bin“ ich nicht. Und darum muss ich auch erholsame Bilder malen, Bilder, die nicht nur malerisch schön sind, sondern auch inhaltlich „streicheln“.

Aber ein Aquarium ist ja eigentlich etwas sehr Künstliches?
„Ja schon, aber eigentlich geht es hier um die Leuchtkraft dieser Fische vor dunklem Grund, um ihr goldgelbes Licht im Dunkel, ihr nichts als Sein im Wasser, um ein Bild.“

Pat Noser ist 1960 in Aarau geboren. Sie lebt heute mit ihrem Sohn Moritz in einer Eigentümergemeinschaft in Nidau und hat ihr Atelier in Biel. 2002/2003 war sie unter anderem in Ausstellungen in Bern (Galerie Kunstkeller bei Dorothee Freiburghaus), in Biel („Der andere Ort“), in der Alten Krone (zusammen mit Lorenzo lekou meyr und Claude Hohl), im Photoforum PasquArt („Nu – Nackt“),in Nidau (Gartenblau und gazonrouge, mit Verena Lafargue, Katrin Zutter u.a.)
sowie in Rapperswil („Rapp – Kunst im ruralen Raum“) vertreten.