Andrea Loux_Véronique Zussau_Cècile Hummel KH Langenthal 2003
Künstlerinnen im Kräftefeld von Beziehungsräumen
annelisezwez.ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 21. Mai 2003
Andrea Loux, Véronique Zussau und Cècile Hummel zeigen im Kunstmuseum Langenthal wichtige, überraschende Arbeiten. Reflexionen zu (Beziehungs)-Räumen. Träf für die Verleihung des Kulturpreises.
Die Berner Museumslandschaft ist politisch im Schussfeld. Zu viele Museen, zu wenig Geld, heisst es. Die positive Kehrseite davon: Nirgendwo sonst in der Schweiz kommen Start ups so früh und so zahlreich zu Ausstellungen in einer öffentlichen Institution. Was für die Karriere von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Aktuelles Beispiel: „Räume Reflexionen“ mit der in Berlin lebenden Berner Künstlerin Andrea Loux (34), der Basler Künstlerin Cécile Hummel (41) und der in Bern lebenden Romande Véronique Zussau (41).
Die Ausstellung hat doppelte Aktualität. Zum einen zeigt sie überraschende Entwicklungen in den Werken der Künstlerinnen, zum anderen bietet sie den Rahmen für den besonderen Blick nach der Verleihung des diesjährigen Kulturpreises der Berner „Kommission für allgemeine kulturelle Fragen“.
Den roten Faden legt der Titel aus: „Räume Reflexionen“. Von einer Themen-Ausstellung kann indes nicht die Rede sein. Es ist die Wahl der Künstlerinnen, die das Gedankenfeld implizieren. Andrea Loux ist bekannt geworden durch ihre Einpassungen in Räume (u.a. im Espace libre in Biel), Véronique Zussau durch ihre „Bühnenbilder“ (u.a. im Museum in Moutier). Bei Cécile Hummel hingegen verdeutlicht die Betonung des Raumes die Intentionen der Künstlerin.
Die grösste Überraschung bietet zweifellos Andrea Loux. Der neue Lebensraum Berlin scheint sie beflügelt zu haben. Die engen Verbindungen von Raum und Körper in den Einpassungen (Performance, Video, Fotografie) haben sich quasi in zwei Stränge verselbständigt. Die Künstlerin zeigt zum einen ein janusköpfiges, erzählerisches Video einer Geburtstagsparty in einer zylinderförmigen Black Box. Zum andern aktiv begehbare architektonische Körper aus Pressspanplatten, die drei Räume in Folge so ausfüllen, dass die Distanz zur Decke immer kleiner wird.
Das emotionale Insichgekehrtsein in den Einpassungen hat sich ausgestülpt in die Erzählung spannungsgeladener Beziehungen, direkte Raumgestaltungen und den Einbezug der Betrachtenden. Sie sind es, die sich bücken müssen, um durch den Vorhang in den 13-eckigen Zylinder zu gelangen, wo ihnen, je nach Anzahl mehr oder weniger gedrängt, das sich im Kreis drehende Video der um einen runden Tisch sitzenden Geburtstagsgesellschaft serviert wird. Und sie müssen von Raum-Körper zu Raum-Körper klettern, um die Raumveränderungen erfahrend wahrzunehmen. Was am meisten verblüfft, ist die bisher unbekannte Fähigkeit der Künstlerin zur doppelbödigen Erzählung. Der Oberfläche des „Happy Birthday“ stellt sie, in entleerter Farbigkeit, die unsichtbaren Emotionen der Gäste gegenüber, was das Video ins Surreale kippen lässt. Unterstützt wird die Intensität von der Kraft der bildlichen Präzision, den rot-grün-blau-gelben Kleidern zum Beispiel, dem grün-violetten Kuchen, aber auch der Zahl der Teilnehmer in Relation zur Form des Zylinders.
Neu präsentiert sich auch das Werk von Véronique Zussau. Auch sie stülpt unter anderem komprimierte Raum-Erfahrungen aus und bezieht die Besuchenden ein. Eine Dreierfolge von Räumen das Kunsthaus Langenthal hat räumlich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem PasquArt-Altbau ist mit doppelwandigem, hellem Karton vollständig ausgekleidet. Die Raum-Charaktere verschwinden und im Durchschreiten breitet sich das Gefühl aus, im Innern eines unbekannten Körpers zu gehen. Die offenen Türen zum Korridor geben nicht nur genügend Licht, sie bringen auch die Verbindung zu den drei parallelen Projektionen unzähliger Tapeten-Muster auf die Raum-Aussenwände. Perspektivisch verzogen und unscharf zeigen sich die Muster teilweise auch im Innern. Gekoppelt ergibt sich eine dichte Wechselwirkung von Innen und Aussen, von unzähligen Mustern und Verläufen, die sich ebenso in Bezug zu Gestaltung wie zu (Lebens)-Mustern stellen lassen.
Cécile Hummel ist seit den späteren 80er Jahren als Zeichnerin bekannt. Ihr meist schwarz-weissen Tusch-Blätter sind fast immer gegenständlich, haben oft Intérieur-, seltener Landschafts-Charakter, wirken zuweilen wie Szenen, die sich nahtlos zwischen Schauspiel und Traumwelt bewegen. Und ebenso nahtlos zwischen Zeichnung und Fotografie. Formale Assoziationsfelder verknüpfen die verschiedensten Dinge, verschmelzen Abbilder und Einsichten, Reales und Surreales ohne dass daraus eine Geschichte entstünde. Hummel bündelt die Blätter unter Themata wie „Gläserne Gehäuse“, „Bewohnte Stuben“ oder „Landschaft“ und trotzdem bleibt der Eindruck des Vereinzelten. „Ihre Bilder sind wie Blickrichtungen und überall ist Neues zu sehen“, sagt Kuratorin Marianne Burki. So begegnen sich zwar formale Annäherungen, die Wand- respektive Raum-Bilder generieren, letztlich aber doch nicht greifbar zusammenfinden (können).
Im Kleeblatt der Ausstellung ist Hummels Position einerseits traditioneller, andererseits wichtiger Kontrapunkt, da sie den Erfahrungswelten von Loux und Zussau den Appell ans eigene, aktive Schauen und Hinterfragen gegenüberstellt.