Bastians Comix-Tipp: „Elvis Road“ von Xavier Robel und Helge Reumann
Ewigkeit gibt es nur in Cuteland
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt 30. Dezember 2004
Der Comic sei in der Krise, heisst es. „Stimmt nicht“, sagt M.S. Bastian. Spricht aber von Comix, nicht von Comic. Und nennt als Beispiel „Elvis Road“ der beiden Genfer Xavier Robel und Helge Reumann.
Wenn das Comic-Festival in Siders vor dem „Aus“ stehe, sagt der Bieler Comix-Art-Künstler M.S. Bastian, so nicht zuletzt weil da Mainstream gezeigt worden sei. Und da hätten die frankophonen Comics in letzter Zeit gegen Japans Mangas deutlich an Terrain verloren. Im Bereich der „Comix-Art“ wie sie Festivals von Singapur bis Washington und „Fumetto“ in Luzern zeigten, so Bastian, könne aber mitnichten von einer Krise die Rede sein, im Gegenteil. Er selbst habe oft bei Fumetto, aber nie in Siders ausgestellt.
Worin unterscheidet sich denn Comic und Comix? Comic sind die Variationen der traditionellen Sprechblasen-Geschichten. „Communication-Mix-Art“ hingegen beinhaltet narrative Welten, in welcher primär die zeichnerische Fantasie den Inhalt beschreibt und die Wortebene entweder gar nicht, integriert oder separat erscheint. M.S. Bastian wagt sogar den Vergleich mit mittelalterlichen Bildern und Illustrationen, die auch ohne Worte auskommen mussten; die Kirchenmaler ebenso wie Hieronymus Bosch.
Als Beispiel eines ausserordentlichen Comix nennt Bastian dem BT „Elvis Road“ der beiden Genfer Zeichner und Illustratoren Xavier Robel und Helge Reumann: „Ein Weltenbauer-Projekt von ausserordentlichen Dimensionen“. Was im Original eine Zeichnung von etwa 60 x 1000 cm ist, erscheint in Buchform als ausfaltbares Leporello zwischen Karton-Deckeln. Als Herausgeber zeichnet die Zürcher „Pipifax“ (Nadine Spengler und Axel Klüngel), welche das Buch in der Druck-Werkstatt „Alligator“ im ehemaligen Wisa-Gloria-Areal in Lenzburg 1000fach druckten. Wie man denn zueinander finde in dieser Szene, fragen wir Bastian. Und er erläutert: „Beim Comix ist es wie beim Free Jazz, die Kontakte laufen global, man trifft sich weltweit an Festivals, aber immer innerhalb derselben, relativ kleinen Szene. Und da entstehen dann auch gemeinsame Projekte.“ Und wie finanziert sich das Ganze? Bastian: „Das ist das grosse Geheimnis, wer subventioniert sich selbst wie, um Comix herauszugeben. Denn eines ist klar, Geld lässt sich damit nicht verdienen.“ Lustvoll sei es trotzdem, sagt der Kenner.
„Was ich bei Elvis Road grandios finde „, meint Bastian, „ist die Art und Weise wie hier ein Duo, das sonst eigentlich nicht zusammen arbeitet, ein so unglaublich dichtes Werk schaffen konnte, in dem die Handschriften völlig verschmelzen.“ Allerdings sei das betont Urbane und die Sprache der Gewalt, wie sie die Bühnen von Elvis Road dominierten, schon eher Helge Reumanns Ausdrucksweise. Während Xavier Robel stärker für Narratives stehe. Beides sei in der aperspektivisch geschichteten, so grandios von oben, von unten, von hinten, von vorne „lesbaren“ Wundertüte kombiniert. Erstaunlich sei auch, so Bastian weiter, dass die Zeichner ganz ohne Zitate auskämen. Zwar sehe er Verweise auf Medien-Bilder (von Terroristen zum Beispiel), aber sie seien kaum merklich integriert in ihre eigene Zeichnungs-Architektur. Mit Elvis habe das Buch sowieso nichts zu tun, Elvis heisse das Studio, das Robel und Reumann in Genf betrieben.
Obwohl dem ersten Anschein nach in den wechselnden Szenerien ein munteres Treiben herrscht, ist Elvis Road, vor allem wenn man mit der Lupe schaut, eine einzige sich perpetuierende Tod-Leben-Maschinerie. Da wird abgeschossen, gebombt, gemordet, zermalt, gecrasht.. Damit der Machtpoker, der durchaus auf die Weltgeschichte Bezug nimmt, kein unfreiwilliges Ende hat, wird aber zeitgleich auch geklont, geflickt, gepumpt, Organe werden produziert und einverleibt oder Skelette direkt ab Friedhof rekonstruiert. Und die Zeichner denken auch an die Bedürfnisse ihrer tausenderlei Figuren und halten sie mit mannigfaltigsten Freizeitvergnügen (etwa einer Sightseeing Tour im „Therapy Express“ oder einem „Superporno Drive-In“) bei Laune. Bevor der Wagen dann die Kleinen und die Grossen, die Menschen und die Tiere, wieder in Richtung Inferno fährt. Den Gesichtern sind dabei wohl Lachen und Schrecken eingeschrieben, doch autonom sind sie nicht; der Zeichner sagt, wo es lang geht.
Man müsse sich bei Cartoons im weitesten Sinn immer bewusst sein, sagt Bastian im Gespräch, dass fiktional geschaffene Figuren unsterblich seien. Das erlaube dem Comix-Zeichner rücksichtslos mit Leben und Tod umzugehen und den Bezug zur Realität auf eine andere Ebene zu stellen, hier eine sehr sarkastische natürlich. Tatsächlich sind der Imagination von Robel/Reumann da kaum Grenzen gesetzt. Geschickt gehen die beiden auch mit der Sprache um, die es nur in Form von Beschriftungen gibt und da dem Welt-Charakter und dem Publikum Rechnung tragend englisch („Total Control Playroom“) , französisch („Ministère de la guerre totale“) und deutsch (Hotel Po-Ritze) munter mischen.
Ein eigentliches Ende hat die Geschichte nicht, dennoch kann man interpretieren, dass die auf dem letzten Faltblatt erscheinende überdimensionierte Heilsfigur auf dem Weg nach „Cuteland“ einer Art Disney-World das Fazit suggeriere, dass es „Ethernity“ nur im Paradies des Comix gebe.
Elvis Road ist in Comic-Buchhandlungen oder direkt bei den Herausgebern erhältlich. Studio Pipifax, Ankerstrasse 20, 8004 Zürich (comix@pipifax.ch). Fr. 40.- zuzüglich Versandkosten.